Schon 2013, als die Bauarbeiten begannen, gab es einige Diskussionen um den Kreisverkehr in der Karl-Tauchnitz-Straße. Wird er einstreifig? Zweistreifig? - Einstreifig, kam es aus der Stadtverwaltung. - Gibt es zusätzliche Überwege für Radfahrer und Fußgänger? - Gibt es nicht. Ende Juni ging der erneuerte Kreisel in Betrieb. Ohne zusätzliche Überwege. Im Dezember 2013 schon hatte Tino Supplies vom Ökolöwen eine Petition dazu eingereicht.

“Es erfolgt eine Markierung von Fußgängerüberwegen (FGÜ) an allen Ein- und Ausfahrten des Kreisverkehrs”, lautete sein Beschlussvorschlag. Über den die Verwaltung durchaus kurz nachdachte – und dann doch ablehnte. Weil der Neubau des Kreisels, so begründet es der Petitionsausschuss jetzt, selbst schon zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitrage: “In der Planung des Kreisverkehrs Karl-Tauchnitz-Straße stand die Erhöhung der Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer, insbesondere der behinderten Verkehrsteilnehmer sowie der Fußgänger und Radfahrer im Mittelpunkt.”

Vorher habe es während der einzelnen Planungsstufen “vielfältige Abstimmungen in verschiedenen Gremien (z. B. AG Rad, Behindertenbeirat) sowie zwischen den Ämtern und mit der Polizeidirektion” gegeben. Augenscheinlich nicht allzu tief schürfend, sonst hätte es bei Baubeginn nicht so viele Irritationen in der Öffentlichkeit gegeben. Oder war es das alte Leiden der Leipziger Stadtpolitik, dass die Abstimmungen wieder hinter verschlossenen Türen stattfanden und die Teilnehmer nach draußen die Klappe hielten?

Oder war nur die Informationspolitik wieder etwas rudimentär?

“Auf dieser Grundlage erfolgt zur Sicherheit der querenden Behinderten und der anderen Fußgänger der feste Einbau von Querungshilfen in den einzelnen einmündenden Ästen (Zu- und Abfahrten aus dem Kreisverkehr), welche mit einem Blindenleitsystem ausgerüstet werden. Damit wird dem aufgeführten Ratsbeschluss BS/RBIII-1440/03 entsprochen, in welchem attraktive Rahmenbedingungen für die Fußgänger gefordert werden”, übernimmt der Petitionsausschuss die Erläuterungen der Verwaltung zum technischen Ausbau des Kreisels. “Mit der Umsetzung der Planung wird die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer gewährleistet. Die Regelungen für die FGÜ`s sind in der StVO § 26 enthalten. Zur Einrichtung von Fußgängerüberwegen sind die Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001) zu beachten.”

Und als logische Summe: “In Abwägung der Randbedingungen gemäß der geltenden Richtlinien ist festzustellen, dass in diesem Fall keine FGÜ’s einzurichten sind.”
Es ist also eine Abwägung: Die gewünschten “FGÜs” wären möglich, müssen aber aus Sicht der Verwaltung nicht sein.

Aus Sicht des Ökolöwen sollten sie aber sein, denn die Karl-Tauchnitz-Straße ist in diesem Bereich Teil des sogenannten Tangentenvierecks. Der Lkw-Verkehr wird hier umgeleitet. Und im Zusammenhang mit den Planungen für eine Kindertagesstätte wurde auch die Lärmbelastung fürs Musikviertel thematisiert. Wirklich bequem und fußgängerfreundlich sind die Übergänge zum Clara-Zetkin-Park nur an wenigen Stellen.

Also warum keine gekennzeichneten Überwege am Kreisel?

“Innerhalb bebauter Gebiete sollten die Überquerungsstellen an Kreisverkehren zwar als Fußgängerüberwege ausgebildet werden, dies ist jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen und festzulegen. Dazu sind auch die Abhängigkeiten der vor Ort herrschenden Belegungsverhältnissen für Fußgänger und Kraftfahrzeuge heranzuziehen”, gibt der Petitionsausschuss die Verwaltungssicht wieder. “Unabhängig von der Größe des Belegungswertes des Fußgängerverkehrs sieht die Richtlinie bei Verkehrsbelegungen über 750 Kfz/h grundsätzlich keine Einrichtung von FGÜ`s vor.”

Die Zahl der Kraftfahrzeuge spielt also keine Rolle. Obwohl sie hier eindeutig recht hoch ist.

“Die Kfz-Verkehrsbelegung zur Spitzenstunde liegt an den drei Zufahrtsstraßen zum Kreisverkehr Edvard-Grieg-Allee, nördliche und südliche Karl-Tauchnitz-Straße deutlich über dem vorgenannten Belegungswert. Die Petition geht bezüglich der Möglichkeit, einen FGÜ einzurichten, von den Belegungswerten aus, welche im Rahmen der Überprüfung einer Querungssituation in der Karl-Tauchnitz-Straße im Jahr 2009 (Petition IV/P 019/09) heranzuziehen waren. Die im Rahmen der aktuellen Planung heranzuziehenden Belegungswerte weichen davon ab, da sie auf entsprechend aktualisierten Erkenntnissen beruhen”, erklärt der Petitionsausschuss. Da die Belegung nach oben abweicht, wären also Überwege sinnvoll, oder doch nicht?

“Außerhalb des für FGÜ möglichen/empfohlenen Einsatzbereiches können FGÜ`s nur in begründeten Ausnahmefällen angeordnet werden. Ein Kreisverkehr innerhalb bebauter Gebiete (wie in der Petition erwähnt) ist kein solcher Ausnahmefall”, weiß der emsige Ausschuss auch noch zu vermelden. “Weiterhin ist festzustellen, dass laut StVO §§ 3 und 8 sich die Fahrzeuge den Zufahrten so zu nähern haben, dass jederzeit der querende Fußgängerverkehr sicher die Querungsinseln erreichen kann. Bei den Ausfahrten in einen abbiegenden Fahrbahnast ist auf querende Fußgänger besonders Rücksicht zu nehmen ( § 9 StVO).”

Heißt also: Die Kraftfahrer müssen hier abbremsen und vorsichtig in den Kreisel einfahren – auf den Kreisverkehr genauso Acht gebend wie auf querenden Fußgänger. Radfahrer, so sieht man, wurden nicht extra erwähnt.

Der logische Schluss aus Sicht des Petitionsausschusses: “Es wird eingeschätzt, dass die Markierung zusätzlicher Fußgängerüberwege in diesem Fall zu keiner erhöhten Verkehrssicherheit führt.”

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar