Die Leipziger Stadtverwaltung arbeitet immer öfter mit Gutachten, um Verwaltungsvorlagen zu begründen. Gleich zwei solche Gutachten wurden den Teilnehmern jener Beratung am 12. Mai vorgelegt, denen die Allgemeinverordnung zum Floßgraben im Detail vorgestellt wurde. Ausgehändigt wurden die Gutachten in der Regel nicht. Also stellte die L-IZ mal ein kleines Fragenpaket ans Umweltdezernat zusammen.

1. Warum werden diese Gutachten, mit denen erhebliche Eingriffe in den südlichen Auenwald gerechtfertigt werden, nicht veröffentlicht?

Das ornithologische Fachgutachten ist fertig und kann im ASG (Anm. d. Red.: Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig) eingesehen werden. Das Rechtsgutachten befindet sich in der Fertigstellung und kann ebenfalls eingesehen werden.
Diesbezügliche Anfragen wurden entsprechend beantwortet. Die Teilnehmer der Beratung am 12.05.2014 erhielten die vollständigen Präsentationen, in denen die Inhalte der Gutachten vollständig wiedergegeben sind.

Anmerkung zu Frage 1: Die Frage ist nicht korrekt, denn sie unterstellt, dass die Gutachten zur Rechtfertigung von Eingriffen in den Auwald dienen. Dieser Ansatz ist aus mehreren Gründen falsch. Der Auwald, bestehend aus Wald und Gewässern, ist allgemein zugänglich. Der Wald darf von Jedem nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SächsWald zum Zwecke der Erholung betreten werden. Nach § 16 Abs. 1 SächsWG dürfen natürliche Gewässer u.a. zum Baden, Tränken, und das Befahren mit kleinen nicht gewerblichen Wasserfahrzeugen ohne maschinellen Antrieb im Rahmen des sogenannten Gemeingebrauchs genutzt werden. Wenn diese Nutzungen des Auwaldes nicht ausdrücklich zum Beispiel per Rechtsverordnung oder Verwaltungsakt verboten werden, dann ist die Erholungsnutzung des Auwaldes zulässig. Die vorgestellten Gutachten sind Arbeitsschritte auf dem Weg der Umsetzung der vom Freistaat Sachsen genehmigten Sanierungsrahmenplanung und dienen nicht ausschließlich einer Rechtfertigung von derzeitigen Nutzungen.

2. Warum bekommen nicht einmal die staatlich anerkannten Naturschutzverbände diese Gutachten zur Einsicht?

siehe Pkt. 1

Anmerkung zu Frage 2: § 63 Abs. 1 BNatSchG regelt, wann anerkannte Naturschutzvereinigungen Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht erhalten. Hier nur soweit Befreiungen von Geboten und Verboten von bestimmten Schutzgebieten erteilt werden. Die Naturschutzvereinigungen haben in der Regel kein generelles Mitwirkungs- und
Mitspracherecht bei dem Erlass von Verwaltungsakten, mit denen die allgemeine Nutzung eines bestimmten Auwaldareals beschränkt oder gänzlich untersagt wird. Die Naturschutzverbände sind, wenn man das zuvor Gesagte zugrunde legt, nicht beschwert, denn die Verwaltung gewährt ihnen im Rahmen des Kooperationsprinzips während eines laufenden Umsetzungsverfahrens vorab Einblick und stellt Zwischenergebnisse dieser Verwaltungsarbeit, wie etwa Gutachten, vor. Die Vorstellung, diese freiwillig gewährte Transparenz begründe einen Rechtsanspruch auf Einsicht und zwar unbedingt in dem von den Naturschutzverbänden gewünschten Umfang, ist nicht plausibel und nachvollziehbar.3. Was hat die Erstellung der beiden Gutachten gekostet und aus welchem Etat wurden sie bezahlt?

Die Gutachten kosteten insgesamt 15.000 EUR.

4. Die anwesenden Vertreter der Naturschutzverbände kritisierten im Nachhinein, dass die Schlussfolgerungen der beiden Ämter aus den Gutachten gegen das geltende Recht im Naturschutzgebiet verstoßen. Wie will die Verwaltung in diesem Fall den Verdacht ausräumen, dass man sich zwei Gefälligkeitsgutachten bestellt hat, die einen Verstoß gegen das geltende Recht scheinbar rechtfertigen?

Das von Herrn Prof. Dr. Hans Walter Louis, Frau Anke Schumacher und Herrn Jochen Schumacher erstellte Gutachten dürfte über jeden Zweifel erhaben sein. Die rechtliche Expertise beruht auf naturschutzfachlichem und naturschutzrechtlichem Sachverstand. Herr Prof. Dr. Louis hat als zuständiger Referatsleiter im Niedersächsischen Umweltministerium maßgeblich an der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes und der Integration des Gemeinschaftsrecht, wie der FFH-RL und der VS-RL, in das BNatSchG mitgearbeitet und ist als Rechtslehrer tätig. Herr und Frau Schumacher sind führende Herausgeber bzw. Kommentatoren des Bundesnaturschutzgesetzes (Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl. 2011). Das Gutachten beleuchtet sehr umfassend die Situation am Floßgraben aus juristischer Sicht.

5. Warum hält die Stadtverwaltung Gutachten, auch wenn sie eindeutig keine Rechte Dritter tangieren, trotzdem unter Verschluss? Legt das nicht den Verdacht nahe, dass die handelnden Akteure ihre Arbeit von niemandem kontrollieren lassen wollen? Oder gibt es gar Regelungen im sächsischen Kommunalrecht, die ein derartiges Agieren sogar erfordern?

siehe Pkt. 1

Anmerkung zu Frage 5: Die Leipziger Stadtverwaltung handelt stets nach Recht und Gesetz. Sie ist nicht verpflichtet, während eines laufenden Verwaltungsverfahrens alle Arbeitsschritte und Arbeiten zur unmittelbaren Vorbereitung von Entscheidungen zu publizieren und zur Diskussion zu stellen. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Vermeidung von Kontrollen, sondern um den Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen der Verwaltung. Der Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen von Stellen der öffentlichen Verwaltung schützt Beratungsvorgänge, d. h. schriftliche oder mündliche behördliche Meinungsäußerungen und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15. September 1998 – 4 L 139/98 -, juris) , von Beginn des Verwaltungsverfahrens bis zur Entscheidungsfindung.

6. Oder gedenkt die Verwaltung, in diesem Fall auch auf die verschiedenen Anträge des Stadtrates einzugehen, und künftig ganz selbstverständlich Transparenz über ihre Arbeit herzustellen – wozu auch die zeitnahe Veröffentlichung von mit öffentlichen Geldern bezahlten Gutachten gehört? Oder sieht man auch da keinen Grund, dem Begehren der Stadträte nach mehr Transparenz im Verwaltungshandeln nachzukommen?

Die Stadträte wurden in den Fachausschüssen umfassend über die Inhalte der Gutachten informiert.

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