Es ist Wahlkampf. Für Frühaufsteher Landtagswahlkampf, für Last-Minute-Punkter parallel Leipziger Kommunalwahldebatte. Bei Abgeordneten mit geringer Themenbreite eine Zeit, in der man dennoch irgendwie auffallen muss. Dachte sich wohl auch Landtagsabgeordneter und Stadtrat Wolf-Dietrich Rost von der nördlichen CDU Leipzig. Pünktlich zur Stadtratssitzung verlangt er in einer Anfrage Auskunft zur "erwarteten bodenrechtlichen Spannungen" (vulgo Unruhe) rings um den geplanten Bau der Ahmadiyya-Moschee in Gohlis. Nehmen ihn Bauordnungsamt und die Ahmadiyya-Gemeinde ernst, könnte die Moschee größer als bislang geplant gebaut werden.

Im Wahlkampf erhofft man sich mit Anfragen und Hinweisen schon ein entsprechendes Mediengebimmel und vor allem den entsetzten Aufschrei der politischen Konkurrenz. Und es läutet mal wieder mächtig, obwohl eigentlich nichts Relevantes geschehen ist. Im Fall der Anfrage von Ex-DSU-Bundesvize Wolf-Dietrich Rost (CDU) zur geplanten Moschee zur Stadtratssitzung am 21. Mai versteckt sich der eigentliche Gag diesmal zwischen den Zeilen. Zum einen erhofft sich Rost durch den nicht neuen und bereits abgeräumten CDU-Hinweis auf das Baugesetzbuch entgegen der Meinung des ausgewiesenen Leipziger Fach-Juristen Roman Götze (siehe Interview) erheblichen Abstimmungsbedarf. Darüber hinaus natürlich die Würdigung des öffentlichen Interesses durch eine Auslegung der Bebauungspläne sowie die Sympathien seiner Wähler am 25. Mai und 31. August 2014.

Die hiermit verlangte öffentliche Vorlage von Bauplänen bis hin zu einem eigenen Architekturwettbewerb hatte die Ahmadiyya-Gemeinde ja bereits von sich aus geplant. Nicht viel Neues also in Sachen Moscheebau? Vielleicht doch.

Die mutmaßlich eher Moscheebaukritisch eingestellte Zielgruppe des CDU-Hinweises könnten ein für sie böses Erwachen erleben. Aus der Anfrage könnte nämlich ein Desaster für so manchen Moscheebaugegner aus NPD und CDU werden. In ihr heißt es schließlich “Hinzu kommt, dass das von der umgebenden Bebauung als Rahmen vorgegebene Maß der baulichen Nutzung deutlich unterschritten wird. Zudem wird infolge der zurückgesetzten und zur G.-Schumann-Straße hin abgewinkelten Gebäudestellung deutlich von der durch die Nachbarbebauung vorgegebenen Bauflucht abgewichen”, benennt die CDU-Fraktion das Problem einer aus ihrer Sicht also nun zu kleinen Moschee.

Dass es aus Sicht der Leipziger Grünen eben gerade kein Problem darstellt, wenn ein Bau nicht versucht die Umgebung zu dominieren, indem er umgebende Gebäude überragt, fasst ihr Vorstand Jürgen Kasek noch einmal kurz zusammen. “In bauplanungsrechtlicher Hinsicht entsteht durch eine kleinere Bebauung, die in der Größe abweicht und die restlichen Parameter erfüllt ein solches bauplanungsrechtlich relevantes Spannungsverhältnis eben gerade nicht.”. Noch ein kleiner Verweis auf die Gesetzgebung dazu?

Rechtsanwalt Jürgen Kasek zur aktuellen Rechtssprechung: “Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (Urteil vom 16. September 2010 – BVerwG 4 C 7.10 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 212 Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 05. Dezember 2013 – 4 C 5/12 ).”

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Dass sich die Leipziger CDU bei den “Dialogen für Gohlis” bis heute noch nicht einmal blicken ließ, könnte mit dazu beitragen, dass ihr hier gerade ein geplanter Wahl-Coup misslingt. Dass die CDU Nord eigentlich gegen die Moschee ist, es nur nicht so ganz laut sagen möchte, weiß man spätestens seit der fehlenden Unterschrift unter der gemeinsamen Toleranzerklärung aller Leipziger Parteien unter Beteiligung der jungen Union im Jahr 2013. Doch Menschen ändern sich und vielleicht deutet sich mit der Anfrage etwas gänzlich anderes an?

Neu ist, dass die CDU mit ihrer Anfrage indirekt von einem privaten Bauherren verlangt, einen muslimischen Sakralbau größer zu dimensionieren und sichtbar an der Straßenkante zu platzieren. Bei der Ahmadiyya-Gemeinde wird man sich eventuell ob der sich anbahnenden christlich-muslimischen Partnerschaft freuen, das zu hören. Auch wenn, nimmt man den Anlauf aus der CDU ernst, die Geldsammelei der Gemeinde dann noch etwas länger dauern könnte, um die größere Moschee selbst zu finanzieren. Vielleicht hat die CDU jedoch im Zuge des anhaltenden Interesses an einer gelungenen Integration des Gebäudes an der Georg Schumann-Straße, Ecke Bleichertstraße noch ein paar Euro für die Spendenkasse der Ahmadis?

Für einen weiteren würdigen Sakralbau in Leipzig sollte nach den beeindruckenden Dimensionen der neuen katholischen Propsteikirche im Leipziger Zentrum auch in Gohlis ein wenig finanzielles Engagement seitens Leipziger Christen drin sein. Auch wenn ein paar Kreuze islamophober Zeitgenossen auf den Wahlzetteln Richtung NPD abwandern. Im Falle eines Verbots dieser Gruppierung waren die dann eh umsonst.

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