Am Mittwoch, 5. März, gab's einen nicht ganz unbedeutenden Termin in der Landesdirektion Leipzig. Die Landesdirektion Sachsen hatte eingeladen. Thema: die kommenden Schiffbarkeitserklärungen im Leipziger Neuseenland. Seit Monaten schweben sie als Damoklesschwert über der Region. Regionale Vertreter und Umweltverbände protestierten. Der NuKla sammelte 11.000 Unterschriften für eine Petition, die der Petitionsausschuss des Landtags sich einfach weigerte zu behandeln.

Man reichte sie einfach weiter an die Landesdirektion. Aber die ist kein politisches Organ, auch wenn sie sich manchmal so verhält. Letztlich setzt sie nur Anweisungen um. Und wenn CDU und FDP im neuen Sächsischen Wassergesetz die Schiffbarkeitserklärung für Tagebaurestseen, Speicherbecken und Verbindungsgewässer beschließen, dann müssen die zuständigen Landesdirektion diese Schiffbarkeit erklären – mit ein paar Einschränkungen für geschützte Bereiche, wo keine Boote fahren dürfen.

Im Grunde hat die sächsische Landesregierung mit dieser Schiffbarkeitsregelung etwas völlig Neues erfunden. Bislang gab es den Terminus nur für Bundeswasserstraßen, auf denen auch namhafte wirtschaftliche Verkehrsströme unterwegs sind. Für den Freizeitbereich auf Seen und Flüssen galt bislang grundsätzlich der Allgemeingebrauch. Der übrigens nicht angewiesen werden muss: Wer ein umweltverträgliches Schwimmgerät hat, kann dort jetzt schon ohne irgendeine Bürokratie zu Wasser gehen.

Bürokratie fällt nur an, wenn man mit Motorkraft aufs Wasser will. Dann braucht es Ausnahmegenehmigungen, die bislang gut begründet sein müssen. Aber seit die FDP in Sachsen mitregiert, versteht man ja den Abbau solcher Restriktionen, die vor allem Allgemeingüter schützen, als Bürokratieabbau. Man hat das Ganze also auf den Kopf gestellt, erklärt für die Gewässer einfach mal Schiffbarkeit – und fortan können mit Erklärung der Schiffbarkeit alle Motorbootfahrer ohne Sondergenehmigung aufs Wasser.

Bislang hat sich die legendäre Steuerungsgruppe Neuseenland in dieser Frage immer weggeduckt, auch wenn sie die Neuseenländer mit ihrer Charta-Diskussion scheinbar einlädt, über eine einvernehmliche Zukunft des Neuseenlandes zu diskutieren. Doch der “Tag Blau” 2011 im Leipziger Floßgraben hat gezeigt, dass genau in der Frage Motorboot die Bruchstelle liegt. Motorboote beeinträchtigen den Schutz des Auenwaldes und seiner sensiblen Gewässer. Im Leipziger Gewässerknoten ist eigentlich mehr Motorbootverkehr ein Unding.

Selbst im Nautischen Gutachten für den Leipziger Gewässerknoten, das die Landesdirektion 2012 in Auftrag gab, steht zu lesen: “Die Freigabe der Nutzung von Sportmotorbooten auf den Leipziger Stadtkursen birgt grundsätzlich das Potenzial für negative Auswirkungen auf die Flora und Fauna im aquatischen und ufernahen terrestrischen Bereich, auf die Standsicherheit von Uferböschungen, auf die Gewässergüte infolge von Emissionen, durch die Beeinträchtigungen der Anwohner infolge von Lärm und schließlich auf das Sicherheitsniveau der wassertouristischen Nutzung allgemein in Folge hoher Verkehrsdichten.”

Das klingt nach ganz viel Ärger und viel Geld für Reparaturen. Trotzdem, so vermeldete die Landesdirektion am 5. März, sehe man auch im Leipziger Gewässerknoten die Erklärung der Schiffbarkeit vor.

Nur für ein Gebiet soll es jetzt keine solche Schiffbarkeitserklärung geben: den Floßgraben und den Auenwald.

Darüber ist zumindest der NABU Sachsen froh. Für Gewässerstrecken, die in NATURA 2000-Gebieten liegen und natürliche Gewässerprofile aufweisen, werde es keine Schiffbarkeitserklärungen geben. Zufrieden zeigte sich Joachim Schruth vom Naturschutzbund (NABU) Sachsen mit dem Verlauf des Gespräches in der Leipziger Landesdirektion. “Ich bin erst mal froh, dass man rechtzeitig ein Überwiegen der Natur- und Artenschutzbelange erkannt hat und es auf den Gewässerstrecken keine freie Fahrt für jedermann geben wird. Ebenfalls positiv werte ich die ausdrückliche Aufforderung der Landesdirektion an die Verbände, sich intensiv in die weiteren Verfahren einzubringen, auch in solche für die eine Verbandsbeteiligung nicht vorgeschrieben ist, etwa wenn durch die Stadt Leipzig Einzelgenehmigungen für Motorboote erteilt werden.”

Aber derer gibt es nach Meinung des NABU schon zu viele und für Motorboote mit Vergaserantrieb müsse ein Stopp gesetzt werden.

So sieht es auch Holger Seidemann, Vorstand des Ökolöwen. “Wir wundern uns über die Motorbootszulassungen der Stadt Leipzig im Floßgraben. Wenn die Landesdirektion als Obere Wasserbehörde die allgemeine Motor-Schiffbarkeit des Floßgrabens aus naturschutzrechtlichen und wegen der praktischen Unbefahrbarkeit ausschließt, können auch die Einzelgenehmigungen der Stadt Leipzig in Summe kaum rechtmäßig sein. Hier werden wir vom Ökolöwen nachfassen”, sagt er. “Dass in den europäischen Schutzgebieten des Leipziger Auwaldes die Schiffbarkeit für Motorboote unmöglich ist, wissen die verantwortlichen Leipziger Ämter schon seit Beginn der Bürgerbeteiligung im Jahr 2007. Die Hinweise der Naturschutzverbände, Bürger und Leipziger Paddler wurden seit Jahren ignoriert.”

Nun brauche in der zuständigen Verwaltung niemand überrascht zu tun, so Seidemann. “Beim Ausbau der Gewässer zur Motorbootstüchtigkeit und deren Nebenanlagen wurde viel Geld aus dem Leipziger Stadthaushalt ausgegeben. Wir fragen uns, ob man Fehlinvestitionen bewusst in Kauf nahm, um später Druck auf die politischen Entscheidungsträger und die Genehmigungsbehörden ausüben zu können. – Wir wollen, dass der Leipziger Auwald für die Leipziger weiter besuchenswert bleibt. Als Kulisse für Motorboote zwischen den Leipziger Häfen und Seen im Südraum ist er zu schade.”

Und auch der NABU Sachsen sieht Überarbeitungsbedarf: Die Entscheidung der Landesdirektion mache es erforderlich, auch das wassertouristische Nutzungskonzept grundlegend zu überarbeiten. “Der derzeitige Diskussionsprozess um die Neuseenlandcharta 2030 sollte hier erste Anhaltspunkte liefern”, meint Joachim Schruth.

Und der NuKLA, der die Motorboote im Auenwald besonders kritisch betrachtete?

Für den wurde bei der Veranstaltung deutlich, dass es für einen großen Teil des Leipziger Gewässernetzes derzeit gar kein entsprechendes Verfahren gibt, da die gesetzlichen Vorgaben für die betroffenen Schutzgebiete in jedem Fall einzuhalten sind. Grundsätzlich werde geprüft, ob Naturschutzbelange einer Schiffbarmachung entgegenstehen und ob ein Gewässer überhaupt für die Schifffahrt geeignet ist. Das bedeutet, dass es in naher Zukunft keinen “Freifahrtschein” für Motorboote im Leipziger Auwald geben wird. Dies beträfe auch den Floßgraben, den “Schlüsselkurs 1” als zentraler Verbindung zwischen Stadthafen und Zwenkauer See.

Die Naturschutzverbände hoffen nun, dass es gelingt, die Auwaldgewässer von Motorbooten frei zu halten. Pläne, den Bootsverkehr durch die Schiffbarmachung auf verschiedenen Leipziger Gewässern zu intensivieren, müssten nicht nur fallengelassen werden, es sei auch zu prüfen, in welchem Maße die derzeitige Praxis von Einzelgenehmigungen nicht bereits in dieser Form gegen die Schutzverordnungen und die Regeln des Allgemeingebrauchs verstoßen. Eine solche Überprüfung kann auf begründeten Einspruch z. B. von Naturschutzverbänden durch die Landesdirektion geschehen.

Für die vom Sächsischen Wassergesetz vorgesehene einschränkungslose wassertouristische Nutzung der Tagebaurestsee, für die die Erklärung der Schiffbarkeit unmittelbar bevorsteht, gibt es nur noch die Möglichkeit, unter Beteiligung aller kommunalen Akteure mit einer Änderung des regionalen Raumordnungsplanens intensiven Motorbootverkehr zu steuern (Geschwindigkeitsbegrenzungen, Genehmigung nur für bestimmte Seen), einzuschränken (z. B. auf Boote mit Elektroantrieb) oder für die gesamte Region zu verhindern. An diese Vorgaben wäre dann die Landesdirektion bei ihrer Entscheidung über die Schiffbarmachung gebunden.

Deshalb ist es jetzt das Ziel der Naturschützer, die zuständigen Kommunen zu einem solchen Votum zu bewegen. Denn ein nachhaltiger und naturverträglicher Wassertourismus kann nur ohne kraftstoffbetriebene Motorboote gestaltet werden.

Da fast alle regional verantwortlichen Akteure laut mehrfach öffentlich gemachten eigenen Aussagen nur Elektromotorboote wollen, sehen NuKLA und die anwesenden Vertreter der Naturschutzverbände als dringend erforderlich an, diese Änderung zeitnah in der Regionalplanung verbindlich festzulegen. Nicht die Landesdirektion, sondern die gewählten Volksvertreterinnen und -vertreter vor Ort haben es in der Hand, den Willen der hier lebenden und erholungsuchenden Menschen umzusetzen.

Die “schiffbaren Gewässer” nach dem novellierten Sächsischen Wassergesetz als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar