Der Leipziger Auwald ist ein Kleinod. Ein verletztes Kleinod. An dem jedes Jahr gearbeitet werden muss. Mit hohem Aufwand. Solche Arbeiten kündigte das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport am 21. September wieder an. Die Abteilung Stadtforsten des Amtes für Stadtgrün und Gewässer wird vom Herbst bis zum Frühling wieder Pflegearbeiten im Leipziger Stadtwald durchführen. Heißt auch: Es kreischen die Sägen.

Dabei wird vor allem in den gleichaltrigen Reinbeständen ein Großteil der geplanten Holzeinschlagsmenge von etwa 6.000 Festmeter entnommen. Dadurch soll die Stabilität der Einzelbäume verbessert und die Waldbestände insgesamt weniger anfällig gegen extreme Witterungsbedingungen wie Orkan- und Sturmschäden werden, so das Dezernat.

Grundlage für die Pflegemaßnahmen ist neben der gültigen Forsteinrichtung (beschlossen vom Stadtrat der Stadt Leipzig im Jahr 2005) die jeweilige Schutzgebietsverordnung und die “Konzeption zur forstlichen Pflege des Leipziger Auenwaldes” – eine langfristige, die in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Naturschutzverbänden von der Abteilung Stadtforsten erarbeitet wurde.

Der Leipziger Stadtwald ist nach den Zertifizierungssystemen des FSC und PEFC zertifiziert. Während für den FSC das Audit für einen weiteren Zertifizierungszeitraum von fünf Jahren kürzlich erfolgte, wird am 6. November 2012 vom PEFC ein Überwachungsaudit durchgeführt.Die Konzeption zur forstlichen Pflege hat einen Grund: Der Auwald ist im Grunde kein Auwald. Jedenfalls keiner, wie ihn die Leipziger jahrhundertelang vor der Haustür hatten. Große Teile stehen schlichtweg trocken.

Selbst in dem von der Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt (LaNU) herausgegebenen Bildband “Sächsische Landschaften” findet man kritische Worte zum Leipziger Auwald: “Gedankenlose Flussregulierungen (Begradigungen, Eindeichungen, Grundwasserspiegelabsenkungen) störten das empfindliche Zusammenspiel von Wald und Wasser. Für eine intakte Auenlandschaft sind periodisch wiederkehrende Überflutungen absolut lebensnotwendig. Indem die regelmäßigen Überschwemmungen ausbleiben, kommt es zur Austrocknung und zum Nährstoffüberangebot, sodass sich Stickstoff liebende Pflanzen, zum Beispiel Brennnessel, ausbreiten.”

Und es siedeln sich Baumarten an, die trockene Böden lieben. Wie der Ahorn. Während typische Auwaldbäume wie die Stieleiche, die “nasse Füße” lieben, verdrängt werden. Die Pflegemaßnahmen des Leipziger Stadtforstes versuchen also, den ursprünglichen Baumbestand wieder herzustellen, indem die untypischen Bäume ausgedünnt und auwaldtypische Bäume gepflanzt werden.Direkt nach den Pflegemaßnahmen soll im Leipziger Stadtwald die Pflanzung von etwa 40.000 neuen Bäumen, darunter 24.000 der ökologisch wichtigen Stieleichen beginnen. Zeitgleich zur Pflanzung erfolgt der Bau von Zäunen, um die jungen Bäume in den ersten Jahren vor Wildverbiss zu schützen. In den nächsten Jahren werden die neu angepflanzten Bäume während der Sommermonate gepflegt.

Zur Begründung der starken Fällungen erklärt das Umweltdezernat: “Da die ökologisch wertvolle Baumart Stieleiche einen sehr hohen Lichtbedarf hat, ist es nicht möglich, diese unter dem Schirm der vorhandenen Altbäume zu pflanzen. Aus diesem Grund werden so genannte Femellöcher (Freiflächen) angelegt, auf denen die Stieleichen angepflanzt werden. Darüber hinaus werden unter dem Schirm des vorhandenen Bestandes andere ökologisch wichtigen Baumarten, wie Feldahorn, Winterlinde und Hainbuche gepflanzt. Die angestrebten Baumartenverhältnisse und strukturreichen Laubholzmischbestände dienen als Habitat vieler seltener oder vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Bei der Anlage der Femellöcher wird darauf orientiert, dass gleichzeitig die ökologisch wertvollen Alteichen freigestellt werden. Dadurch ist es möglich, die Vitalität der Stieleichen zu erhöhen und deren Lebensdauer zu verlängern.”Die entsprechenden Pläne liegen seit ein paar Wochen zur Beurteilung bei den Umweltverbänden. Kritisch hatte sich der AHA gemeldet. Der Leipziger Ökolöwe hat andere Bauchschmerzen mit dieser Sache. Denn das eigentliche Grundproblem des Leipziger Auwaldes wird dadurch nicht gelöst: die Überflutungen fehlen. Seit über 80 Jahren schotten die seinerzeit geschaffenen Deichanlagen Elster und Luppe von den Auwäldern ab.

Wie schizophren sächsische Umweltpolitik ist, konnten die Leipziger 2011 selbst miterleben, als bei Schmelzhochwasser im Januar eine völlig überzogene Rettungsschlacht um Leipziger Deiche inszeniert wurde, die fast alle nur eines wirklich vor Überflutung schützen – den Leipziger Auwald. Die im Februar, März nachfolgende Rodung der Bäume auf und hinter diesen Deichen vernichtete selbst gewachsenen Auwaldbestand, den die Deicherbauer in den 1920er Jahren haben stehen lassen.

Regelmäßige Überflutungen haben nicht nur zur Folge, dass der Auwald das dringend benötigte Wasser bekommt. Sie sorgen auch auf ganz natürliche Weise dafür, dass alle Baum- und Pflanzenarten, die sonst eher auf trockenen Böden siedeln, ganz von allein absterben. Im Klartext: Man müsste keine in den letzten Jahrzehnten entstandenen Ahornwälder ausdünnen, um wieder Eichen zu pflanzen. Das ursprüngliche Gleichgewicht würde sich über einen längeren Zeitraum wieder ganz von allein herstellen.

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Das Problem in Leipzig ist: Die Auwaldpolitik ist nicht homogen. Es gibt keine erkennbare Linie. Es gab auch kein klares “Stopp!” an das sächsische Umweltministerium, als im Februar 2011 mit dem fragwürdigen “Tornadoerlass” gewinkt und die Genehmigung zur Deichabholzung verlangt wurde.

Und folgerichtig ist es dann, wenn jetzt Fällarbeiten in jenen Leipziger Stadtwaldgebieten stattfinden, die zum ursprünglich regelmäßig gefluteten Auwald gehören. Sie finden im nördlichen Auenwald (“Polenz” und “Burgaue”), im südlichen Auenwald (“Connewitzer Holz”), nordwestlich des Cospudener Sees, im Wildpark Leipzig, im ehemaligen Agragelände und im Mölkauer Wäldchen statt.

“Durch die Arbeiten wird es zu Beeinträchtigungen und Schäden an Waldwegen kommen. Auch wenn diese Schäden nach Abschluss der Arbeiten behoben werden, bedeutet dies eine zeitweise Einschränkung bei der Benutzung der betroffenen Waldwege”, mahnte das Umweltdezernat noch.

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