Der BUND Leipzig steht den Ausbauplänen für den Leipziger Nordraum sehr kritisch gegenüber und wendet sich gegen die zunehmende Versiegelung von Agrarflächen, gegen Straßenausbau und die Fällung von Bäumen für neue Gewerbegebiete.

Im Nordosten von Leipzig, direkt neben dem Porschewerk, verläuft die 2 Kilometer lange, aus 320 Winterlinden bestehende Radefelder Allee. Die Bäume gedeihen prächtig und haben die Dürren der letzten Jahre bemerkenswert gut überstanden. Ihre Kronen überschirmen insgesamt 6.150 m2 Fläche und spenden Schatten für den angrenzenden Radweg.

Die Allee kann pro Jahr 75.000 Liter Regenwasser zurückhalten und trägt so zum Schutz vor Überschwemmungen bei. In ihrer Biomasse sind 38.400 kg Kohlenstoff und 37,65 kg Feinstaub gebunden, pro Jahr speichert sie weitere 2.295 kg Co2. Dies sind nur einige Beispiele für die Ökosystemleistung, welche eine Allee dieser Größe in ihrer Gesamtheit erbringt.

Auch die umliegenden Felder haben mit der Bodenqualitätsstufe 4 (hoch) bis 5 (sehr hoch) einen überaus hohen Wert für die lokale Nahrungsmittelproduktion und als dringend nötige Versickerungsfläche bei Starkregen.

Leider spielen die Werte und Benefits dieser Agrarlandschaft keine Rolle, wenn es um die Maximierung von Wirtschaftsleistung geht. Denn nach aktueller Planung sollen die zwischen Flughafen und Porschewerk liegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen nahezu vollständig überbaut werden:

  • westlich der Radefelder Allee 138 Hektar Ackerland für ein Gewerbegebiet und 39 Hektar für den Flughafenausbau sowie
  • südlich des Porschewerks 56 Hektar für industrielle Nutzung.

Hier soll ein riesiger, zusammenhängender und überwiegend versiegelter Verkehrs-/Industrie- und Gewerbekomplex entstehen. Die dahinter stehende Logik ist immer noch die Sackgassen-Logik des 20. Jahrhunderts: das „höher, schneller, weiter“ ohne Rücksicht auf Verluste.

Mit einem prognostizierten Zuwachs von 25.000 bis 35.000 Arbeitsplätzen bliebe dies nicht ohne Auswirkungen auf den Leipziger Wohnungsmarkt. Dabei erscheinen die Zahlen deutlich zu hoch gegriffen und unklar bleibt, wo die Arbeitskräfte überhaupt herkommen sollen. 

Der BUND Leipzig stellt fest: Die Stadt plant hier gegen ihre eigenen Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele, besonders entgegen dem stadtplanerischen Ziel, die Neuversiegelung von Flächen zu reduzieren, erst recht wenn es dabei um fruchtbaren Ackerboden geht. Auch das Credo “Innen- vor Außenentwicklung”, wonach durch bauliche Verdichtung im Stadtinneren ein Ausufern der Stadt in die freie Landschaft verhindert werden soll, wird durch die aktuelle Planung konterkariert.  

Zudem fällt auf, dass die Stadt Leipzig offensichtlich verschiedene Maßstäbe bei einer möglichen „Umnutzung“ von Agrarflächen setzt. Bei der Diskussion um die geplante Fotovoltaikanlage auf dem Deponieberg Seehausen, auf welchem sich artenreiche Flora und Fauna entwickelt hat, kam seinerzeit die Frage nach Alternativlösungen in Form von Agri-PV im Leipziger Nordraum auf.

Dies hat die Stadtverwaltung deutlich zurückgewiesen mit dem Argument, die landwirtschaftlichen Böden im Nordraum seien dafür zu wertvoll und produktiv. Was für Fotovoltaik (ohne Boden-Versiegelung) strikt abgelehnt wurde, soll für Gewerbenutzung mit massiver Versiegelung auf einmal möglich sein.

„Mit einer Fläche von täglich rund 55 Hektar ist der Grad der Flächen-Neuversiegelung in Deutschland extrem hoch. Meist handelt es sich um fruchtbares Acker- oder Wiesenland, das unter Asphalt und Beton verschwindet. Diese Entwicklung ist ruinös und hat nicht nur Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit – mit den Böden verschwinden auch Lebensräume von Tieren, Pflanzen, Insekten und Bodenorganismen“ mahnt Melanie Lorenz, stellvertretende Vorsitzende des BUND Leipzig. „Die Vorgaben der Bundesregierung zur Reduzierung der Flächenversiegelung bis 2030 auf unter 30 ha/Tag erfordern sofortiges konsequentes Handeln auf lokaler Ebene.“

Zumindest für die Radefelder Allee besteht Hoffnung. Nach ursprünglicher Planung sollte sie vierspurig ausgebaut und alle Bäume gerodet werden. Auf Antrag der SPD-Fraktion hat der Leipziger Stadtrat nun in seiner Septembersitzung beschlossen: “Es wird noch einmal geprüft, ob der vierspurige Ausbau tatsächlich erforderlich sei.” Ebenfalls wird die Planungsprämisse „Erhalt der Bäume entlang der Radefelder Allee“ verfolgt. 

Der BUND Leipzig bleibt dabei skeptisch, da der Stadtrat zu oft gezeigt hat, dass im Ernstfall Belange des Umwelt- und Klimaschutzes zweitrangig sind.

Der BUND Leipzig fordert daher: 

  • Keine weitere Ausweisung von fruchtbarem Agrarland als Industrie-/Gewerbegebiet, sondern Erhalt der landwirtschaftlichen Nutzung! Idealerweise in Kombination mit Agri-PV, um erneuerbare Energien im Stadtgebiet zu produzieren und gleichzeitig andere, geschützte Biotoptypen und Landschaftsräume zu erhalten und zu sichern.
  • Kein Ausbau der Radefelder Allee, weil dadurch neuer motorisierter Verkehr befördert wird! Stattdessen Verhandlungen mit den ansässigen Betrieben über Flexibilisierung der Arbeitszeiten zur Entzerrung der Verkehrsspitzen. 
  • Schnelle Umsetzung aller bereits geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des ÖPNV-Angebotes für die Beschäftigten im Gewerbegebiet Nord-Ost, insbesondere Bau der S-Bahn-Station GVZ Nord/Radefeld.
  • Kein Ausbau des Frachtflughafens, weil dieser letztlich das Hauptargument für den Ausbau der Infrastruktur darstellt.

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar