Global gesehen ist es ein Novum, das da auf der denkmal in Leipzig präsentiert werden wird. Der Verband der Restauratoren (VDR) steht kurz vor Abschluss seines „Einsatzhandbuchs Kulturgut“ und gewährt in Leipzig erste Einblicke. Ob Farbe auf Leinwand, Fotos, Keramik oder Kunststoff: im Einsatzhandbuch werden konkrete Bergungs- und Erstversorgungsmaßnahmen im Schadensfall beschrieben.

Dank des breit gefächerten Restauratoren-Netzwerks des Verbands ist es vollkommen gleich, aus welchem Material das Kulturgut besteht, das gerade von einer Katastrophe getroffen wurde. Mit dem Einsatzhandbuch erhöhen sich seine Chancen, gerettet zu werden.

Nadine Thiel vom VDR meint: „Uns war ein niedrigschwelliger Ansatz wichtig. Stellen Sie sich den Pfarrer mitten in der Flutkatastrophe vor, der vor seinem durchnässten Kirchenarchiv steht. Er muss sehr schnell wissen, was er jetzt tun muss. Laien in der Katastrophe zu befähigen „erste Hilfe“ zu leisten ist der Anspruch des Handbuchs.“

Doch nicht nur kulturbewahrende Institutionen wie Museen oder die kleine Kirche sind angesprochen, auch in den Kulturinstitutionen und den Blaulichtorganisationen soll das Handbuch kursieren. Da ist es nur konsequent, dass unter anderen der Präsident der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes Dirk Aschenbrenner an der Erstellung mit beteiligt war. Denn auch nach einem Brand kann das Handbuch zu Rate gezogen werden.

denkmal bringt Einsatz in der Klimakatastrophe wie im Kriegsfall aufs Podium

Nun ist nicht nur Hochwasser eine Bedrohung für das Kulturgut.  Auf der denkmal werden daher am Freitag, dem 08. November ab 10 Uhr Rückschlüsse aus vergangenen Katastrophen wie künftige Szenarien debattiert. 

Die Direktorin der denkmal, Mariella Riedel, ordnet ein: „Es ist nur konsequent, dass wir als Europäische Leitmesse mit der Notfallrettung als einer unserer fünf Säulen auf die Katastrophenlage reagieren. So ergänzen wir präventive Maßnahmen des Kulturgutschutzes wie beispielweise die Klimakontrolle – also die Regulierung von Feuchtigkeit und Temperatur in Gebäuden – um intervenierende Maßnahmen, wie die der Evakuierung. Beides ist nötig, um Kulturgut für kommende Generationen zu bewahren.“ 

Ukraine – Kulturgut unter Beschuss

Der ukrainische Restaurator und Künstler Viacheslav Shulika ist Spezialist für Ikonen. Zuletzt war er als Dozent der Universität Charkiw tätig. Am 24. Februar 2022 befand er sich im Urlaub außerhalb der Ukraine. Heute, mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn des russischen Angriffs auf die gesamte Ukraine arbeitet er bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Von Deutschland aus koordiniert er die Bergung und Evakuierung von Kulturgütern aus den Sammlungen, die vor allem im Osten und Süden der Ukraine unter Beschuss stehen oder standen.

„Es ist notwendig, moderne Standards für die Evakuierung von Kulturgütern zu entwickeln.“ findet auch er. Oftmals finden sich im Falle von Angriffen zahlreiche Freiwillige, die mit der Bergung und Evakuierung ganzer Sammlungen aus den Museen beginnen. Viele der provisorischen Maßnahmen koordiniert Shulika aus der Ferne und ergänzt sie um seine Expertise. Jedoch mangelt es oftmals an Verpackungsmaterial sowie an sicheren Lager-Standorten. Standards würden bei der Koordination der Hilfslieferung helfen.

Shulika: „Für die europäischen und amerikanischen Partner wäre klar, welches Material an welchem Ort in der Ukraine für welche Kulturgüter benötigt wird. Ukrainische Restauratoren wiederum wüssten, wie sie die Hilfslieferungen verwenden sollten.“

Nadine Thiel engagiert sich ehrenamtlich bei Blue Shield, einer Vereinigung, die sich für den Schutz materiellen und immateriellen Kulturerbes in Konflikten und Katastrophen einsetzt. Für sie liegt auf der Hand, dass das Einsatzhandbuch nicht nur in Deutsch zur Verfügung gestellt werden soll. Neben Englisch steht Ukrainisch ganz oben auf ihrer Wunschliste.

Vom 07. bis 09. November 2024 stellt der VDR das E-Book in Auszügen vor. Am 20. November 2024 wird das Buch beim 2. Forum der Notfallallianz Kultur in Düsseldorf vollständig zur Verfügung gestellt.

Keine akute, aber eine schleichende Bedrohung für das Weltkulturerbe können Entwicklungsprojekte und Großbauvorhaben darstellen. Das International Council on Monuments and Sites (ICOMOS) wird daher mit dem Auswärtigen Amt eine Konferenz zu den Verfahren und Mechanismen veranstalten, in denen es um die Stärkung des Welterbe-Schutzes geht. Zu der internationalen Konferenz werden Referenten aus den USA, Österreich, der Tschechischen Republik und zahlreichen weiteren Staaten erwartet.

Über die denkmal

Das Kulturerbe steht vor komplexen Herausforderungen: Klimaschutz, Bauen im Bestand, Digitalisierung und Technologien, Fachkräftegewinnung, Erhalt kulturellen Erbes auch in Notfallsituationen – die Europäische Leitmesse denkmal ist auch im 30. Jahr ihres Bestehens auf der Höhe der Zeit. Die interdisziplinären Themen rund um die Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung zeigen, wie wichtig der internationale Branchentreff ist.

Wenn sich hochqualifiziertes Handwerk, Restauratoren, Architekten, Wissenschaftler und Produkthersteller in der Messestadt Leipzig treffen, dann sind findige Lösungen garantiert. Auch das ambitionierte Fachprogramm der denkmal lebt von Innovation. Zuletzt, im Jahr 2022, trafen 351 Aussteller aus zwölf Ländern an ihren Ständen, in lebenden Werkstätten, business to business meetings und weiteren, vielfältigen Formaten auf 12.800 Besucher. Bereichert wird die denkmal durch die internationale Fachmesse für Museums- und Ausstellungstechnik MUTEC, die am 07. und 08. November stattfindet.

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