Auf Initiative des Freistaates Sachsen hat der Bundesrat gestern einen Plenarantrag beschlossen, der auf eine Überarbeitung der EU-Richtlinie für Blei-Grenzwerte abzielt. Der sächsische Wirtschafts- und Arbeitsminister und Vize-Ministerpräsident Martin Dulig signalisiert zwar seine ausdrückliche Unterstützung für einen verbesserten Arbeitsschutz, warnt jedoch zugleich vor drastischen Folgen für den Musikinstrumentenbau im Freistaat:
„Blei kann negative Folgen für die menschliche Gesundheit haben. Deswegen ist es richtig, dass mit dem Vorschlag der Kommission die geltenden Grenzwerte für Blei überarbeitet werden. Leider geht der Vorschlag zu weit. Statt die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zu verbessern, führen die Änderungen zu einer Bedrohung bestehender Arbeitsplätze!“
In Bezug auf Blei schlägt die Kommission vor, bereits bestehende Grenzwerte aufgrund neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse deutlich zu verschärfen. Für Blei und seine Verbindungen soll ein biologischer Grenzwert von 15 Mikrogramm je 100 Milliliter Blut in Verbindung mit einem Arbeitsplatzgrenzwert von 0,03 Milligramm je Kubikmeter als zeitlich gewichteter Mittelwert für einen Bezugszeitraum von acht Stunden festgelegt werden. Dieser von der Kommission gewählte Arbeitsplatzgrenzwert, so Dulig, sei nahe an der Nachweisgrenze und in mehreren Sektoren praktisch unerreichbar.
Blei ist im Musikinstrumentenbau ein unverzichtbarer Bestandteil. Es ist Ausgangsmaterial für den Bau von Blechblasinstrumenten wie Trompeten oder Hörner. Blei findet sich in Holzblasinstrumenten wie Klarinetten und Oboen. Klaviere kommen ohne Blei in der Mechanik nicht aus. Selbst in Streichinstrumenten kommt für die Befestigung der Saiten Blei zum Einsatz. Nicht zuletzt wird es seit Jahrhunderten auch im Orgelbau verwendet.
Martin Dulig: „Sollten die Grenzwerte in dem vorgesehenen Umfang angewandt werden, stünde die Existenz vieler Betriebe auf der Kippe. Unser kulturelles Leben wäre drastisch eingeschränkt: Sinfonieorchester ohne Blechbläser, keine Posaunenchöre beim Kirchentag, Jazzmusik ohne Trompete und Saxophon, Gottesdienste ohne Orgelbegleitung. Auch die Restaurierung alter Instrumente wäre nicht mehr möglich. Vor allem Profimusiker und -orchester sind bei der Reparatur und Pflege ihrer Instrumente auf die Erfahrung alteingesessener Werkstätten angewiesen.“
Zudem gefährdet die vorliegende EU-Richtlinie die Ausbildung hunderter Azubis: „In Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein falsches Signal. Schließlich gehen diese Unternehmen auf der Basis ihres jahrhundertealten Fachwissens bei Material- und Technologieentwicklungen voran und sichern dadurch höchste Qualitätsstandards,“ so Dulig.
An den Bund appelliert der Minister: „Setzen Sie sich für den Musikinstrumentenbau ein. Sorgen Sie dafür, dass die Betriebe unter vernünftigen Rahmenbedingungen weiterarbeiten können. Uns allen bleibt dadurch ein gewaltiger Kulturschock erspart.“
Hintergrund
Sachsen ist reich an Betrieben des Musikinstrumentenbaus. Große Hersteller von Klavieren (wie Blüthner oder Bechstein) haben hier ebenso ihren Sitz wie renommierte Orgelbauer (Jehmlich und Eule). Einige dieser Betriebe existieren seit Jahrhunderten.
Im Südwesten des Freistaates gibt es zudem eine weltweit einzigartige Konzentration und Vielfalt von Herstellern. Seit rund 350 Jahren werden im sogenannten Musikwinkel Streich-, Blas-, Zupf- und Schlaginstrumente nahezu aller Gattungen gefertigt. In allen berühmten Orchestern der Welt sind Streich- und Blasinstrumente aus dem Vogtland im Einsatz.
Auch die Bassisten von U2, Metallica oder The Who schwören auf Gitarren aus dem Vogtland. Regelmäßig geht der Deutsche Musikinstrumentenpreis nach Sachsen. Die Region ist 2014 nicht ohne Grund in die nationale Liste des immateriellen UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen worden.
Die großen Unternehmen mit zum Teil mehr als 100 Mitarbeitern haben ebenso wie die kleinen Zwei-Personen-Manufakturen gelernt, verantwortungsvoll mit dem Werkstoff Blei umzugehen. Die Grenzwerte werden laufend von den Berufsgenossenschaften überwacht. Sie wurden stets eingehalten. Auch gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden nie festgestellt.
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