Auf Einladung von Ministerpräsident Michael Kretschmer trafen am gestrigen Montag mehr als 30 Vertreterinnen und Vertreter der Sächsischen Staatsregierung, der Kommunen und Landkreise sowie der Landesdirektion Sachsen, der Bundesagentur für Arbeit, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu einem Spitzengespräch über die Herausforderungen im Bereich Migration und Asyl zusammen.
Im Mittelpunkt stand der Austausch über die derzeitige Situation, aktuelle Herausforderungen sowie Handlungsmaßnahmen. Hintergrund ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die dadurch ausgelöste Fluchtbewegung. Derzeit leben mehrere zehntausend geflohene Menschen aus der Ukraine im Freistaat. Hinzu kommt, dass zuletzt auch wieder viele Menschen aus anderen Regionen der Welt in den Freistaat gekommen sind.
Anlässlich des Spitzengesprächs wurde eine Erklärung zur Flüchtlingslage im Freistaat Sachsen verabschiedet.
Erklärung der Staatsregierung anlässlich des Gesprächs zur Flüchtlingslage im Freistaat Sachsen am 16. Januar 2023
Gemeinsam die aktuellen Herausforderungen durch Migration und Asyl meistern
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine bringt bis heute großes Leid für die Menschen. Viele haben ihr Zuhause verloren, keine Möglichkeit sicher unterzukommen und deshalb ihre Heimat verlassen müssen. So viele Menschen wie noch nie sind auf der Flucht. Viele haben Zuflucht in Deutschland gefunden. Allein im Freistaat sind zunächst auch hunderttausende Menschen bei ihrer Flucht kurzfristig hier untergekommen, bevor sie in andere Bundesländer oder andere europäische Länder weitergereist sind.
Die sächsische Bevölkerung hat sich äußerst solidarisch gezeigt und ist es bis heute. Derzeit leben rund 60.000 geflohene Menschen aus der Ukraine in unserem Bundesland. Daneben sind allein im Jahre 2022 mehrere tausend Menschen auch aus anderen Regionen der Welt zu uns gekommen. Insgesamt leben in Sachsen ca. 120.000 Menschen im Zusammenhang mit dem Asyl- und Fluchtgeschehen. Wir wollen, dass diese Menschen hier gut aufgenommen werden.
Mit der Aufnahme, Unterbringung und Integration dieser Menschen sind große Anstrengungen verbunden. Es ist vor allem dem herausragenden Einsatz der Bürgerinnen und Bürger, der Unterstützung der Kommunen, Behörden und vielen Ehrenamtlichen sowie den Wohlfahrtsorganisationen und Kirchen zu verdanken, dass wir den zahlreichen Schutzsuchenden schnelle und wirksame Hilfe sowie Unterstützung zuteilwerden lassen können.
Viele der sowohl staatlichen als auch kommunalen Aufnahme- und Unterbringungskapazitäten sind durch diese besondere Situation im letzten Jahr stark belastet. Der Freistaat Sachsen wird die Aufnahme und Betreuung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine genauso wie auch anderer Schutzsuchender weiter sicherstellen und gemeinsam mit den Kommunen dafür Sorge tragen, dass die Unterbringung vor Ort gelingt.
Wir können bei diesem Prozess die Erfahrungen, die alle Beteiligten in den vergangenen Jahren gesammelt haben, nutzen. Abläufe und Verfahren zeichnen sich durch einen hohen Grad an Professionalität aus. Wichtig ist, auch künftig die vielen ehrenamtlich Helfenden zu unterstützen und die Formen des ehrenamtlichen Engagements zu fördern.
Kinder und Jugendliche, die zumeist mit ihren Müttern aus der Ukraine geflohen sind, gehen in sächsische Kindertageseinrichtungen und Schulen. Mehr als 10.000 dieser Schülerinnen und Schüler können ihre Schullaufbahn an sächsischen Schulen fortsetzen und lernen auch gemeinsam mit hiesigen jungen Menschen.
Wir danken allen sächsischen Lehrerinnen und Lehrern sowie den Kolleginnen und Kollegen in den Kindertageseinrichtungen, die täglich die Integration und Beschulung der Kinder und Jugendlichen meistern. Das gilt auch für die vielen hundert Lehrerinnen und Lehrer aus der Ukraine selbst, die mittlerweile im sächsischen Schuldienst tätig sind.
Dennoch stellt uns der schnelle und erhebliche Anstieg der Zahl von Schülerinnen und Schülern in unseren Bildungseinrichtungen mit bereits vorher bestehenden Engpässen bei der Versorgung mit Lehrerinnen und Lehrern vor neue Herausforderungen. Um diesen wirksam zu begegnen, wollen wir die Anzahl an Lehrkräften weiter erhöhen. Der Haushalt des Freistaates Sachsen für die Jahre 2023/24 schafft hierfür die Grundlagen.
Wir sorgen darüber hinaus auch in diesem Jahr für umfangreiche und passfähige Integrationsangebote, um die berufliche und gesellschaftliche Integration sicherzustellen. Dazu wollen wir ein Sächsisches Integrations- und Teilhabegesetz vorlegen. Ein wesentlicher Schlüssel zur erfolgreichen Integration und Teilhabe ist das Erlernen der deutschen Sprache.
Wir werden unsere Anstrengungen für zusätzliche Sprach-, Alphabetisierungs- und Integrationskurse verstärken. Wir sehen darin eine der wichtigsten Maßnahmen für eine gelingende Integration und die Möglichkeit, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Deshalb werden wir das 2016 eingeführte und bewährte mit dem Bund abgestimmte Landesprogramm zum Erwerb der deutschen Sprache fortführen.
Wir erwarten einen starken Anstieg der Beschäftigungsmöglichkeiten insbesondere für Menschen aus der Ukraine in den kommenden Monaten. Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig und mit weiteren Anstrengungen wollen wir die berufliche Integration vorantreiben. Sie ermöglicht den betroffenen Menschen ein selbstbestimmtes Leben und trägt zudem zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs bei. Der Freistaat Sachsen unterstützt die Aktivitäten der Agenturen für Arbeit und Jobcenter bereits seit 2016 mit dem Arbeitsmarktmentoren-Programm und hat die Kapazitäten ausgeweitet.
Wir unterstützen gemeinsam mit der kommunalen Ebene, den Wohlfahrtsverbänden und den Kirchen nach Sachsen zugewanderte Menschen bei der Integration. Hier haben wir in den vergangenen Jahren verschiedenste Instrumente, wie Flüchtlingssozialarbeit, kommunale Integrationskoordinatoren sowie Integrationsprojekte vor Ort geschaffen, die bei den ersten Schritten der Integration unterstützen.
In den letzten Monaten ist ein erheblicher Zuzug von Migrantinnen und Migranten nach Deutschland zu verzeichnen. Der Freistaat Sachsen ist hier in besonderem Maß betroffen und bleibt – wie auch Deutschland insgesamt – weiterhin Ziel für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Flüchtlinge aus zahlreichen anderen Herkunftsstaaten, die insbesondere in den letzten Monaten wieder verstärkt unter anderem über die sogenannte „Balkan-Route“ zu uns gekommen sind.
Wir werden hier weiterhin entsprechend unserer gesetzlichen Verantwortung sicherstellen, dass diese Menschen in Sachsen aufgenommen und untergebracht werden. Wir fordern, dass der Bund sich dafür einsetzt, dass die geltenden Regelungen auch in Bezug auf die EU-Außengrenzen eingehalten werden. Das gilt auch für die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahren und Prinzipien.
Zugleich erwarten wir, dass die Asylverfahren rechtssicher und zügig durchgeführt werden und die Bundesregierung sich weiterhin für eine solidarische und gerechte Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union einsetzt. Dazu gehört insbesondere eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems GEAS.
Damit wir all jenen, die rechtmäßig und im festen Willen, bei uns zu arbeiten und zu leben, eine gute Integration ermöglichen können, wollen wir auf der einen Seite die Willkommenskultur stärken, auf der anderen Seite müssen wir aber genauso entschlossen all jenen entgegentreten, die ohne rechtliche Grundlage in unser Land einreisen und sich hier aufhalten.
Flüchtlinge und Asylsuchende, bei denen die rechtsstaatlichen Verfahren ergeben haben, dass sie nicht bleiben können, müssen das Land verlassen. Das dient auch der Akzeptanz in der Bevölkerung für die Aufnahme von schutzbedürftigen Personen. Mit dem Leitfaden zur Rückführungspraxis hat die Staatsregierung das Verfahren zur Rückführung von vollziehbar Ausreisepflichtigen im letzten Jahr weiterentwickelt und sichergestellt, so dass unnötige Härten vermieden werden. Der besondere Schwerpunkt bei der Rückführung soll bei jenen liegen, die die öffentliche Sicherheit gefährden, z.B. Straftäterinnen und Straftäter sowie Extremistinnen und Extremisten.
Wir werden mit der Bundesregierung auch den Dialog über die angekündigte Rückführungsoffensive suchen, um gemeinsam die erforderlichen Schritte zu vereinbaren. Dazu zählt auch der zügige Abschluss von Rückführungsabkommen mit weiteren Staaten. Zugleich muss mit dem Bund über Zuwanderungswege einschließlich der beschleunigten Visumserteilung für Fach- und Arbeitskräfte sowie über Qualifizierungsmaßnahmen für den deutschen Arbeitsmarkt gesprochen werden.
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden durch EU-Recht anerkannten Schutzberechtigten rechtlich weitgehend gleichgestellt, ohne ein Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Wir wollen, dass für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine dieser besondere rechtliche Status auch künftig erhalten bleibt.
Insbesondere der andauernde Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mit der gezielten Zerstörung der Infrastruktur, führt dazu, dass auch 2023 weiter Menschen Schutz bei uns suchen werden. Deshalb erwarten wir von der Bundesregierung eine Fortsetzung der finanziellen Unterstützung gegenüber Ländern und Kommunen sowie eine bessere Unterstützung bei der Suche nach Immobilienobjekten, die den Landkreisen und Kreisfreien Städten für die Unterbringung angeboten werden können. Dazu zählt auch, dass zusätzliche Bundesaufnahmeprogramme nur mit Zustimmung der Länder verabschiedet werden.
Die Situation wird auch in diesem Jahr von uns allen eine Kraftanstrengung erfordern. Gemeinsam werden wir diese meistern.
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