Ein Plus von 8,2 Prozent auf das Monatsentgelt hat die Tarifkommission der ostdeutschen Stahlindustrie als ihre Forderungsempfehlung an den IG Metall-Vorstand für die Tarifrunde beschlossen. „Dies ist als eine ergebnisnahe Forderung zu verstehen. Die Kolleginnen und Kollegen erwarten angesichts stark steigender Preise und hoher Gewinne der Unternehmen deutlich mehr Geld in der Tabelle. Und sie erwarten einen Abschluss nah an ihrer Forderung.“ Dies stellte IG Metall-Bezirksleiterin Birgit Dietze in der Sitzung der Tarifkommission in Mahlow klar.
Diese Tarifrunde ist aus vielerlei Gründen ungewöhnlich. Der brutale Angriff Russlands auf die Ukraine überschattet alles – die Beschäftigten der Stahlindustrie stehen solidarisch an der Seite der Opfer. Gleichzeitig erhöht der Krieg die Unsicherheit für die Betriebe in Deutschland. Zudem wirkt die Corona-Pandemie nach. Entsprechend unübersichtlich ist die wirtschaftliche Lage.
Die Energiekosten schnellen hoch, wichtige Abnehmerbranchen wie die Autoindustrie reduzieren ihre Bestellungen. Auf der anderen Seite haben die Stahlhersteller 2021 hohe Gewinne eingefahren und ihre Auftragsbücher sind weiter gut gefüllt. Die Stahlindustrie kann zudem – anders als die Arbeitnehmerinnen und – Arbeitnehmer – die Belastungen durch die teure Energie zum großen Teil weiterreichen. Dies gelingt den Firmen, indem sie die Preise für ihre Kunden erhöhen.
„Unterm Strich heißt das: Auch wenn die Tarifpolitik die Probleme durch die enorme Teuerung nicht allein lösen kann, brauchen die Beschäftigten der ostdeutschen Stahlindustrie einen Ausgleich für die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Und die Stahlhersteller können sich dies dank der stabilen Branchenkonjunktur und den hohen Gewinnen auch leisten“, erklärte Dietze, Leiterin des IG Metall-Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen.
„Die letzte tabellenwirksame Erhöhung für die Stahlarbeiter und -arbeiterinnen gab es 2019. Die Stahlindustrie hat eine Sonderkonjunktur – von Krise ist in der Branche nichts zu spüren. Daher ist jetzt eine spürbare prozentuale Erhöhung ein Muss.“
Der Tarifabschluss 2021 war auf dem Höhepunkt der Pandemie vereinbart worden und sah eine Corona-Prämie und eine wiederkehrende Zahlung von 600 Euro vor. Diesmal aber verlangen die Kollegen und Kolleginnen eine spürbare tabellenwirksame Steigerung der Monatslöhne und sind auch bereit, dieser Forderung einen sehr deutlichen Nachdruck zu verleihen. Dies machten auch die Aktiven in den Betrieben deutlich.
Eine klare Absage erteilte Dietze wie auch die Aktiven in den Betrieben Überlegungen, die Gaseinfuhren aus Russland sofort einzustellen. „Die IG Metall unterstützt alle Maßnahmen, die dazu beitragen, den Krieg zu beenden und Putin zu stoppen. Ein abrupter Stopp der Gasimporte aus Russland aber würde den Krieg nicht verkürzen, sondern der deutschen Industrie und ihren Beschäftigten und damit Deutschland als starkem Akteur in Europa schweren Schaden zufügen.“
Esther Block, Betriebsrätin und stellvertretende Vertrauenskörperleiterin ArcelorMittal, Eisenhüttenstadt: „Es war eine lange, anstrengende Diskussion in der Tarifkommission. Letztendlich mussten wir ein gemeinsames Ergebnis erreichen und konnten nicht allein auf ArcelorMittal blicken. Mit der Forderung von 8,2 Prozent kann ich gut leben, wenn das Ergebnis forderungsnah sein wird. Die Kolleginnen und Kollegen erwarten zu Recht ein Plus, das mindestens die Inflation ausgleicht. Ein Abkoppeln der Tarifgebiete voneinander kann und darf es in guten wie in schlechten Zeiten nicht geben.“
Volker Mittelstädt, Betriebsratsvorsitzender Ilsenburger Grobblech: „Wir hatten in den vergangenen Jahren im Grobblech-Bereich eher eine schwierige Situation. Das hat sich komplett gedreht. Natürlich steigen die Preise für Vormaterial und Energie. Die Erlöse reichen aber aus, um dies auszugleichen. Und die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Die Kolleginnen und Kollegen erwarten eine ordentliche Tariferhöhung, um die deutliche Preissteigerung zu kompensieren und auch etwas oben drauf. Wir stehen hinter der gemeinsamen Tarifforderung.“
Uwe Jahn, Betriebsratsvorsitzender Schmiedewerke Gröditz: „Die Auslastung war im vergangenen Jahr schon gut und sie hat sich weiter verbessert. Eine so starke Nachfrage hatten wir schon lange nicht. Andererseits sorgt die hohe Inflation bei den Kolleginnen und Kollegen für Ebbe in der Kasse. Die Beschäftigten brauchen und erwarten nun ein kräftiges Plus beim Monatseinkommen. Jetzt gilt es, die Tarifforderung gemeinsam durchzusetzen.“
Zum Hintergrund: Die Tarifkommission ist ein gewerkschaftliches Gremium und besteht aus gewählten ehren- und hauptamtlichen IG Metall-Funktionären. An diesem Dienstag beschlossen sowohl die Tarifkommission Ost als auch die Tarifkommission für die nordwestdeutsche Stahlindustrie ihre Forderungsempfehlungen. Auf dieser Grundlage wird der Vorstand der IG Metall auf seiner Sitzung am 8. Mai die Forderung der IG Metall für die diesjährige Stahlrunde beschließen.
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