An mindestens 20 schwer verletzte Leipziger Kinder, die beim Fahrradfahren schwer verunglückten, kann sich Prof. Dr. Martin Lacher erinnern. „Und alle hatten keinen Helm auf“, sagt Chef der Kinderchirurgie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL).
„In den schlimmsten Fällen sind die Kinder gestorben. Andererseits haben wir kleine Patienten behandelt, auf die das gleiche Unfallmuster zutraf – die aber einen Helm aufhatten und mit einer Gehirnerschütterung davonkamen. Meine Mahnung ist deshalb an alle verantwortungsvollen Eltern: Lassen Sie Ihre Kinder nicht ohne Helm aufs Fahrrad.“
Der UKL-Kinderchirurg verdeutlicht das mit einigen Beispielen: Ein elfjähriges Mädchen kam mit ihrem Rad aus einer Seitenstraße und wurde von einem Auto erfasst. Dabei schlug ihr ungeschützter Kopf auf die Windschutzscheibe. „Sie wurde sehr schwer verletzt“, so Prof. Lacher. „Schädel-Hirn-Trauma, Fraktur einer Augenhöhle mit Augapfel Prellung, Fraktur der Stirnhöhle, durch den Gegenstoß des Aufpralls eine Hirnblutung am Hinterhaupt, dazu eine Skalpierungsverletzung und ein Schienbeinbruch – es hat lange gedauert, bis wir das alles mit den Kollegen der Neurochirurgie und Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie versorgt hatten und die Verletzungen geheilt waren.“
Auch ein Vierzehnjähriger, der mit BMX-Rad, aber ohne Helm auf einer Cross-Strecke verunglückte, trug schwere Verletzungen davon. Schädel-Hirn-Trauma mit massiver Hirnblutung, AugenhöhlenfrakturStirnhöhlenfraktur und völlig zerschrammte linke Gesichtshälfte – mit Helm wären die Folgen des Sturzes nicht so drastisch gewesen. Denn Prof. Lacher erinnert sich einen 15-Jährigen, der gleichfalls mit dem BMX-Rad auf einer Halfpipe einen Salto riskierte, dabei auf dem Kopf landete und bewusstlos liegenblieb.
„Der Junge hatte aber einen Helm auf, war beim Eintreffen des Notarztes schon wieder wach und vierfach orientiert. Damit ist gemeint, dass er sagen konnte, wer er ist, wo er ist, welcher Tag gerade ist und wie er in diese Situation geriet.“
Ein weiteres Beispiel, wie gut ein Helm den Kopf schützen kann, ist das eines weiteren 15-Jährigen, der als Radfahrer von einem Auto angefahren wurde und gegen dessen Frontscheibe prallte. Der Junge trug einen Helm, der zwar beim Unfall kaputtging (wie auch die Scheibe), aber den Schädel schützte. Keine nennenswerten äußeren Verletzungen, keine Bewusstlosigkeit, kein Erbrechen, keine Wesensveränderung, allerdings keine Erinnerung an den Unfall – also „nur“ eine Gehirnerschütterung.
„Solche Unfälle führen oft zu schweren Verletzungen und schweren Verläufen mit lebenslangen Folgen“, betont Prof. Lacher. „Natürlich haben wir am Uniklinikum für solche Fälle Top-Mediziner und eine Top-Ausrüstung, um den betroffenen Kindern zu helfen. Nicht nur wir Kinderchirurgen, sondern auch Kinderintensivmediziner, Kinderradiologen, Kinderneurochirurgen und Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen können rund um die Uhr als interdisziplinäres Team gleich im Schockraum auch sehr komplexe Traumata versorgen. Dafür sind wir auch als einziges Referenzentrum für Kindertraumatologie in Westsachsen da. Aber es sollte gar nicht erst zu diesen schrecklichen Verletzungen kommen. Und dafür müssten die Kinder nur einen Fahrradhelm aufsetzen.“
An die Eltern richtet sich eine weitere Bitte des Kinderchirurgen: Oftmals fahren die Kinder in Innenhöfen, wo sie keiner großen Gefahr ausgesetzt sind. Deshalb wird vielleicht nicht darauf bestanden, dass ein Helm aufgesetzt wird.
„Dennoch fahren die Kinder irgendwann doch aus dem Innenhof heraus. Weil es die Freunde machen, weil es sie ihre Fertigkeiten auf dem Rad überschätzen oder – das gilt besonders für Jungen – das Risiko suchen und ihren Freunden zeigen wollen, wie toll sie sind. Das sehen die Eltern oft nicht. Und meist geht das auch gut aus. Aber wir behandeln viele Kinder, bei denen es schlecht ausgeht. Und wir sehen dann auch die Eltern, die völlig aufgeregt sind und sich Vorwürfe machen. Also: Lieber immer einen Helm aufsetzen, wenn es aufs Fahrrad geht.“
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