Am Sonntag, den 13. Juni 2021 verstarb der weithin bekannte und hoch geschätzte Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Magirius. „Mit ihm verliert die sächsische Denkmalpflege eine Persönlichkeit, die über mehr als vier Jahrzehnte nicht nur die Denkmallandschaft, sondern auch das Denkmalbewusstsein zahlreicher Menschen nachhaltig geprägt hat“, so Alf Furkert, Sächsischer Landeskonservator.
Dies galt für die Zeit seines beruflichen Wirkens am Institut – später dann Landesamt für Denkmalpflege Sachsen – als auch für die Zeit seines Ruhestandes.
„Professor Magirius hat sich zeitlebens für die Denkmalpflege und den Denkmalschutz im Freistaat Sachsen außerordentlich verdient gemacht hat. In zahlreichen Positionen hat er mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen sowie seinen umfangreichen Publikationen einen unermesslichen Beitrag geleistet und Sachsen zu einer der bedeutendsten Kulturlandschaften Deutschlands geprägt. Sein großes Wirken und unermüdliches Schaffen wird uns in Erinnerung bleiben und beispielhaft sein“, sagte Staatsminister Thomas Schmidt.
Heinrich Magirius war über Sachsens Grenzen hinaus anerkannter Wissenschaftler, Hochschullehrer, praktischer Denkmalpfleger, publizistisch in ungeheurer Breite wirkender Kunsthistoriker und ein engagiertes und hochgeachtetes Mitglied in zahlreichen Gremien, Vereinen und wissenschaftlichen Akademien.
In mehr als vier Jahrzehnten erwarb sich Magirius bleibende Verdienste um die wissenschaftliche Erschließung und die Pflege der Denkmallandschaft in Sachsen. Seinem Wirken ist die hohe Qualität einer Vielzahl von Restaurierungsmaßnahmen an bedeutenden Bau- und Kunstdenkmalen in Sachsen zu danken. Dies gilt vor allem für die Thomas- und Nikolaikirche in Leipzig wie auch für den Freiberger Dom, die Stiftskirche zu Wechselburg, die Annenkirche zu Annaberg, den Meißner Dom oder das Dresdner Opernhaus von Gottfried Semper.
Am 1. Februar 1934 in Dresden geboren, ging Heinrich Magirius nach dem Besuch der Volks- und Oberschule in Radebeul zur Kreuzschule in Dresden, an der er 1952 sein Abitur ablegte. Gleichzeitig war Heinrich Magirius Mitglied des Kreuzchores unter Leitung von Kreuzkantor Rudolf Mauersberger.
Das Studium der Kunstgeschichte, der Klassischen und Christlichen Archäologie absolvierte er 1952 – 1957 an den Universitäten Greifswald und Leipzig. Seine Lehrer waren u. a. Karl Heinz Clasen, Heinz Ladendorf und Johannes Jahn. Zwischen 1953 und 1956 war Heinrich Magirius als freiberuflicher Mitarbeiter des Instituts für Denkmalpflege mit Grabungen im Zisterzienserkloster Altzella beschäftigt. Die dabei erworbenen Kenntnisse lagen seiner Diplomarbeit „Kloster Altzella, ein Abriß seiner Kunstgeschichte“ (1957) zugrunde. Mit der Dissertation über Altzella erwarb er 1958 den Titel eines Doktors der Philosophie.
Nach kurzer Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Christliche Archäologie an der Martin-Luther-Universität in Halle folgte Heinrich Magirius seiner inneren Berufung zum Denkmalpfleger. Seit 1958 war der Kunsthistoriker vorerst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, später dann als Abteilungsleiter am Institut für Denkmalpflege – Arbeitsstelle Dresden tätig.
Mit seiner Arbeit zur „Geschichte der Denkmalpflege in Sachsen“ habilitierte sich Heinrich Magirius 1988. Im folgenden Jahr übertrug ihm die Hochschule für Bildende Künste Dresden eine Professur. Seit 1994 war Heinrich Magirius Landeskonservator am Landesamt für Denkmalpflege Sachsen.
Die Liste seiner Publikationen umfasst bisher mehr als 150 Titel. Unter ihnen verdienen „Der Dom zu Freiberg“ (Berlin 1969), „Der Wechselburger Lettner“ (Weimar 1983) und „Gottfried Sempers zweites Hoftheater in Dresden“ (Leipzig 1985) besondere Aufmerksamkeit.
Heinrich Magirius gehörte zu den ersten, die den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden forderten und all diese Maßnahmen fachlich fundiert zum Erfolg führte. Auch der authentische Wiederaufbau des Residenzschlosses der Landeshauptstadt zeugt von hohem ideellen Anspruch, den der Verstorbene über Jahrzehnte immer wieder einforderte. Dieser wurde zuletzt in der profunden dreibändigen Publikation des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen zur Geschichte des Dresdner Residenzschlosses deutlich, die ohne seinen das ganze Werk prägenden Beitrag nicht denkbar wäre.
Heinrich Magirius wurde 1985 mit dem Nationalpreis der DDR II. Klasse für Kunst und Literatur ausgezeichnet. 1994 verlieh ihm die Freie Universität Berlin den „Doctor honoris causa“ und würdigte damit das hohe Ansehen, das er als Kunstwissenschaftler seit Jahrzehnten international genießt. 1995 erhielt er das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. 2004 wurde er mit dem Sächsischen Verdienstorden ausgezeichnet. Im Jahre 2007 erhielt er den Andreas-Möller-Geschichtspreis der Stiftung für Kunst und Kultur der Kreissparkasse Freiberg und 2010 den Kunstpreis der Großen Kreisstadt Radebeul.
Die wissenschaftliche Erforschung der Denkmale war Magirius nie Selbstzweck. Stets galt seine Aufmerksamkeit der „Wertfülle“ des Denkmals, die dessen Ruf und Schutzstatus begründe. Im Hinblick auf manch falsch verstandene Denkmaldoktrin lehrt uns Magirius, „daß Dokumente, die an nichts zu erinnern vermögen, so nichtsnutzig werden können, daß selbst ein reicher Staat sie sich nicht mehr wird leisten können. Kulturelle Fruchtbarkeit der Monumente hängt mit dem Eros zusammen, mit dem sie geliebt, erkannt und gepflegt werden … Sie hat … mit einem Taktgefühl zu tun, daß nur sehr schwer anerzogen werden kann, aber immer wieder kultiviert werden muß.“ (Geschichte der Denkmalpflege in Sachsen. Berlin 1989).
Heinrich Magirius ermutigt uns damit, Denkmale nicht nur als historische Dokumente zu konservieren, sondern als Monumente zu pflegen. Die große Wertschätzung seiner Leistungen als Kunsthistoriker und Denkmalpfleger wurde schon an der Heinrich Magirius zum 60. Geburtstag gewidmeten Festschrift „Denkmalpflege und Denkmalkunde“ (Dresden 1995) deutlich und erfuhr seitdem keinen Abbruch.
Heinrich Magirius bleibt in einer Vielzahl seiner anspruchsvollen Publikationen, in den durch ihn nachhaltig geprägten Restaurierungen hochkarätiger Monumente und in der Erinnerung all jener lebendig, die die Chance hatten, ihn in seiner trotz höchster Sach- und Fachkompetenz ruhigen und bescheidenen Wesensart kennenzulernen. Beeindruckend waren stets seine Selbstdisziplin, seine Hingabefähigkeit und seine Geradlinigkeit. In all diesen Aspekten wird er nicht nur uns, als seine Nachfolger im „Denkmalwächteramt“, ein unvergessliches Vorbild bleiben.
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