Die Tourismus- Freizeit- und Veranstaltungsbranche ist seit Beginn der Corona Pandemie faktisch gänzlich geschlossen. Darunter leiden nicht nur die Nutzerinnen und Nutzer, sondern vor allem auch die dort Beschäftigten.
Dazu erklären die tourismuspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Antje Feiks, und der tourismuspolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag Thüringen, Knut Korschewsky:
„Die Menschen in den betroffenen Branchen brauchen eine Perspektive für die nächsten Monate. Seit mehr als einem Jahr können sie faktisch ihren Berufen nicht nachgehen und sind zum Zuschauen verdammt. Das geht an die Substanz der Menschen aber auch an die Substanz vieler Betriebe. Nutzerinnen und Nutzer sind verunsichert, ob und wann sie wieder Urlaub machen können. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass es möglich ist, aus diesem Teufelskreis heraus zu kommen. Deshalb haben wir uns aufgemacht, Perspektiven für die Freizeit und Tourismuswirtschaft in der derzeitigen Situation aufzuzeigen.“
Mit Vorschlägen und Forderungen wollen die Abgeordneten zeigen, dass es möglich ist, auch in Zeiten der Pandemie unter bestimmten Voraussetzungen und mit strengen Regeln Urlaub zu machen und Kindern Lernen am anderen Ort möglich zu machen. Dazu bedarf es allerdings auch einiger Voraussetzungen und Bedingungen. „Wenn Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen, dann haben die Tourismus- und Freizeitbranche die Chance, den Neustart erfolgreich absolvieren zu können“, so Feiks und Korschewsky.
Das Papier von Antje Feiks und Knut Korschewsky im Wortlaut:
Tourismus- Freizeit- und Veranstaltungswirtschaft ist ein nicht zu unterschätzender gesamtgesellschaftlicher Wirtschaftsfaktor. Vor der Pandemie und den damit im Zusammenhang stehenden Folgen wurde alleine in der Tourismuswirtschaft ein jährlicher Umsatz von 287 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das entspricht einer Bruttowertschöpfung von 105 Milliarden Euro und somit 3,9 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland. In der Tourismuswirtschaft arbeiteten 2,92 Millionen Beschäftigte. Gerade die Beschäftigten in diesem Industriezweig arbeiten oft in Bereichen des Niedriglohnsektors, leisten aber einen herausgehobenen Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der Arbeitskraft in allen anderen Beschäftigungsbereichen. Sie sind die Verlierer der letzten zwölf Monate.
Während der Corona-Pandemie wurde sich immer wieder dafür entschieden, einige wenige Branchen einzuschränken und zu schließen. Dazu zählen vor allem die Tourismus- und Freizeitbranche sowie alle Sparten der Veranstaltungswirtschaft. Die allgemeine Wirtschaft lief im Wesentlichen ohne Unterbrechung weiter. Tourismus-, Freizeit- und Veranstaltungsbranche sind seit über einem Jahr von Einschränkungen und Schließungen betroffen und werden es auch noch im Gegensatz zu anderen Bereichen noch für längere Zeit bleiben. Das trifft sowohl die Beschäftigten als auch die Nutzerinnen und Nutzer. Deshalb ist es notwendig, gerade in diesen Bereichen eine Öffnungsperspektive ernsthaft und fair zu diskutieren und vorzubereiten.
Die in der Tourismus- und Freizeit- und Veranstaltungsbranche Beschäftigten und die Unternehmen sowie Einrichtungen selbst brauchen diese Perspektive. Schon jetzt suchen sich viele Beschäftigte Arbeit in anderen Branchen, weil sie dort eine sicherere berufliche Perspektive haben. Das ist fatal für die Zeit nach der Pandemie, weil Fachkräfte, Azubis und ganze Angebote fehlen werden. Darunter leiden nicht nur die Lebensbedingungen in den Regionen, sondern auch alle schon bestehenden und zukünftigen touristischen Strategien und Angebote in den Regionen.
Aber auch in der derzeitigen Situation würden wir uns differenziertes Agieren im Hinblick auf Tourismus, Gastronomie, Veranstaltungen und Freizeiteinrichtungen wünschen. Hierzu unterbreiten wir die folgenden Vorschläge:
Bei Reisen endlich differenzieren und ermöglichen
Urlaub ist nicht gleich Urlaub. Das gilt immer, aber im Besonderen in Zeiten der Pandemie. Wir schlagen deshalb vor, bei Reisen zu differenzieren. Denn es ist ein Unterschied, ob man in eine Ferienwohnung fährt, auf dem Zeltplatz seinen Urlaub verbringt, im Caravan mit seiner Familie das Land erkundet oder in einem vollen Hotel Urlaub macht. Es ist einen Unterschied, ob man für drei Tage in eine Großstadt fliegt oder einen Langzeiturlaub macht. Es ist ein Unterschied, ob man mit erfahrenem Personal an einer längeren Busreise teilnimmt oder ob man ungeplant schaut, wo es einen hintreibt.
Diese Unterschiede müssen im Rahmen einer Pandemie berücksichtigt werden. Wir plädieren für einen differenzierten Umgang mit den verschiedenen Urlaubsarten im Sinne einer Schritt-für-Schritt-Öffnung touristischer und kultureller Objekte in Außenbereichen. Grundlage dieser Öffnungen ist das Fortschreiten der Impfungen und das konsequente Testen der Reisenden.
In einem ersten Schritt sollte kontaktarmer Urlaub in Ferienwohnungen, Ferienhäusern und Feriendörfern mit Selbstversorgung sowie auf Zeltplätzen und auf Caravanstellplätzen in den jeweiligen Bundesländern, in denen die Menschen leben, ermöglicht werden. In einem weiteren Schritt können dann erfolgreich getestete und angewendete Konzepte bundesweit ausgeweitet werden. Dazu soll zunächst die Außengastronomie und in einem nächsten Schritt die gesamten gastronomischen Angebote einbezogen werden. Um in den Einrichtungen Hygienemaßnahmen sicherstellen zu können und Kontaktverfolgung effektiv zu vereinfachen, plädieren wir dafür, dass auf kurze Aufenthalte vorerst verzichtet und eine Anzahl an Mindestübernachtungen zur Regel wird.
Gleiches gilt für touristische Busreisen. Busreisen sollten ermöglicht werden, denn sie sind in geschlossenen Gruppen möglich. Auch hier plädieren wir dafür, auf Kurztrips zu verzichten und Reisen z.B. ab sieben Übernachtungen zu ermöglichen. Konzepte haben die Reiseveranstalter dafür bereits erarbeitet und im Jahr 2020 erfolgreich angewendet.
Freizeiteinrichtungen im Freien öffnen, wenn sie Hygienekonzepte haben
Wissenschaftliche Erkenntnisse haben erwiesen, dass ein Ansteckungsrisiko an der frischen Luft unter Einhaltung der AHA-Regeln um ein Zwanzigfaches niedriger ist als in geschlossenen Räumen. Daraus resultierend müssen wir auch angesichts der steigenden Temperaturen alle Möglichkeiten nutzen, um Menschen dazu zu animieren, möglichst viel Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Wir fordern, dass Freizeiteinrichtungen mit kontaktarmen Angeboten sowie Veranstaltungen unter freiem Himmel unter strengen Hygieneregeln mit einer entsprechenden Kontaktnachverfolgung wieder ihre Pforten öffnen dürfen.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum Menschen jeden Tag ins Großraumbüro oder an das Band im Unternehmen gehen können, aber der wohnortnahe Tierpark, der Bike Park oder der Kletterpark, der auf eine maximale Personenanzahl in der Einrichtung sowie auf Hygieneregeln achtet und die Kontaktnachverfolgung sichert, nicht besucht werden kann. Wir fordern den kostenfreien Zugang zu Testmöglichkeiten für Menschen, die Freizeiteinrichtungen im Freien besuchen wollen.
Reisen in andere Länder
Solange Tourismus in Deutschland durch die pandemische Lage nur eingeschränkt möglich ist, sind Reiseangebote in andere Teile Europas sowie weltweit kaum nachvollziehbar und vermittelbar. Da sich das Infektionsgeschehen weltweit sehr unterschiedlich gestaltet und auf Grund der sehr unterschiedlichen klimatischen, sozialen und gesellschaftlichen Bedingungen kaum vergleichbar ist, kann man auch keine Kategorisierung von Reisegebieten vornehmen.
Dennoch muss die Bundesregierung damit umgehen. Solange die pandemische Lage es anhand hoher Inzidenzwerte noch nicht zulässt, sollte bei Reisen innerhalb Europas auf organisiertes Reisen in Gruppen, kontaktarmes Reisen, längere Aufenthalte, eine Teststrategie für Urlauber und das arbeitgeberseitige Ermöglichen freiwilliger Quarantäne gesetzt werden.
Wir plädieren dafür, dass insbesondere Unternehmen wie TUI und Lufthansa, die immense staatliche Förderung erhalten haben, keine Kurzstreckenflüge anbieten dürfen. Dafür fordern wir von der Bundesregierung entsprechende Regelungen. Diese müssen beinhalten, dass Flüge zu touristischen Zwecken nur im Zusammenhang mit längeren Aufenthalten stattfinden.
Lernen am anderen Ort ermöglichen, Ferienfreizeitobjekte, Museen und kulturelle Einrichtungen als Lernorte anerkennen
Solange Kinder und Jugendliche in die Schule gehen, müssen Lernen am anderen Ort und Ferienfreizeiten in die nähere Umgebung möglich sein. Dabei geht es vorrangig um eintägige Fahrten. Lernen am anderen Ort findet in geschlossenen Gruppen statt, könnte den Schulbetrieb entzerren und zu thematischen Schultagen bis zu thematischen Schulwochen ausgebaut werden. Die Objekte haben Hygienekonzepte erarbeitet, die bereits erfolgreich geprobt wurden.
In der Regel gibt es vor Ort auch Pädagog/-innen, die gern mit unterstützen bzw. mit fertigen Angeboten aufwarten können. Die Erlebnisse einer jeden Klassenfahrt sind für Schüler/-innen unbezahlbar, fördern gerade in der Pandemie soziale Kompetenzen und taugen dafür, z.B. die naturnahen Fächer praxisnah jenseits des Klassenzimmers gut vermitteln zu können.
Deshalb schlagen wir vor, Orte wie z.B. Gedenk- und Erinnerungsstätten, Museen, kulturelle Einrichtungen, Ferienfreizeitobjekte sowie Schullandheime und Jugendherbergen als Unterrichtsorte mit einzubeziehen und zu nutzen. Diese sind in der Pandemie oft für Publikumsverkehr geschlossen, haben den Platz und mit ausgebildeten Pädagog/-innen die Möglichkeiten, Unterricht auch dort stattfinden zu lassen. Die Nutzung der Einrichtungen für schulische Zwecke kann dazu dienen, sie im Lookdown zu stärken und an der Bekämpfung sowie dem Handling der Pandemie teilhaben zu lassen.
Menschen im Tourismusgewerbe halten, Förderungen zielgenau einsetzen
Immer mehr Beschäftigte verlassen aus Zukunftsängsten das Tourismusgewerbe und suchen sich neue Anstellungsverhältnisse in anderen Branchen. Azubis verlassen aus gleichen Gründen nach ihrer Ausbildung die touristischen Betriebe. Vorhandene Ausbildungsstellen können nicht mehr besetzt werden. Kleine touristische vor allem familiengeführte Betriebe geben auf und finden keine Nachfolge.
Wir fordern, die Corona-Förderungen für Einrichtungen und Unternehmen so auszurichten, dass niemand durch das Raster fällt und auch Unternehmen im Nebenerwerb mit Gewerbeschein von den Förderungen profitieren können. Wir fordern gerade für Kleinst- und Kleinunternehmen einen existenzsichernden „Unternehmerlohn“. Wir fordern eine Prämie von mindestens 1000 Euro für jeden Beschäftigten in der Tourismus- und Veranstaltungsbranche, der den Betrieben auch weiterhin seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Wir fordern die Weiterführung der 100-prozentigen Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge des Kurzarbeitergeldes bis zum 31.12. 2021. Wir fordern für jede Betriebsneugründung bzw. für jeden Betriebsübergang in der Tourismusbranche einen einmaligen Bonus von 15.000 Euro.
Familien mit niedrigen Einkommen unterstützen
In der Pandemie sind Familien und Alleinerziehende mit niedrigem Einkommen im touristischen und Freizeitbereich besonders betroffen. Gerade sie haben oftmals eine höhere Last zu tragen als Familien mit hohem Einkommen. Nach unserer Auffassung muss aber jeder und jede die Möglichkeit haben, unabhängig von seinem Einkommen Erholungsurlaub zu machen und Freizeitangebote zu nutzen.
Je mehr Regularien und Einschränkungen es für touristische und Freizeitangebote gibt, desto teurer werden diese Angebote in der Regel. Dementsprechend wollen wir Familien mit geringerem Einkommen und Alleinerziehende unterstützen. Wir fordern vom Bundessozialministerium Gutscheine für Familien und Alleinerziehende mit niedrigem Einkommen für Reisen, die bei regionalen Veranstaltern gebucht und auch regional verbracht werden. Wir fordern, die Nutzung der Möglichkeiten des Bundesteilhabepaketes auch auf touristische Erholungsreisen auszuweiten. Wir fordern ein Sonderprogramm „Familienerholung“ in Familienferienstätten.
Strukturen in den touristischen Kommunen stärken
Wenn Reisen (eingeschränkt) wieder möglich wird, werden die Kommunen in den touristischen Regionen vor besondere Herausforderungen der weiteren Pandemiebekämpfung gestellt. Zu den Einwohner/-innen kommen zusätzliche Besucher/-innen, die sich versorgen müssen, die vor Ort sind. Kommunen sind dafür zuständig, die Einhaltung aller Regelungen zu kontrollieren und im Zweifel für deren Durchsetzung zu sorgen. In der Regel sind die Orte anhand der Einwohner/-innen zum Beispiel mit Ordnungskräften ausgestattet. Hier bedarf es seitens der Länder personeller bzw. finanzieller Unterstützung, um auch diesen Aspekt pandemiesicheren Reisens zu ermöglichen.
Weiterhin müssen mit den Gewerbetreibenden und Kommunen gemeinsam sichere Konzepte entwickelt werden, mit Besucher/-innen und den Regelungen zur Pandemie sicher umzugehen. Auch hier sollte es länderseitige Unterstützungen geben, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen und gegebenenfalls den Einzelhandel bei der konzeptionellen Umsetzung zu unterstützen. Es wäre falsch, an dieser Stelle die zusätzlich entstehenden Kosten ins Feld zu führen, denn jeder Tag der Schließung kostet die Länder und den Bund am Ende mehr als eine bedachte Öffnungsstrategie – zumal Menschen so wieder ihrer Tätigkeit nachgehen könnten.
Wir fordern eine Anpassung des Reiserechts für die schrittweise Öffnung
Da mit der Umsetzung von Hygienekonzepten auf die Anbieter/-innen und Akteur/-innen eine große Verantwortung übertragen wird, muss der Bund dafür sorgen, dass die Einhaltung der Regelungen am Ende nicht zulasten der Unternehmer/-innen geht. Wenn sich z.B. Menschen nicht an Regelungen halten und ihren Aufenthalt dementsprechend abbrechen müssen, sollten die Kosten nicht den Anbieter/-innen angelastet werden, wenn diese ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen sind. Andererseits dürfen Verbraucher/-innen nicht auf Kosten sitzenbleiben, wenn aufgrund des Pandemiegeschehens Reisen nicht stattfinden können.
Zur Klärung der rechtlichen Lücken und Unklarheiten fordern wir schnell einen Runden Tisch Tourismus unter Einbeziehung aller touristischen Akteur*innen sowie der Verbraucherzentrale und schnelle Anpassungen der Regelungen.
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