Das Verwaltungsgericht Leipzig hat am 15. Juli 2020 über eine Klage der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel verhandelt. Diese begehrte feststellen zu lassen, dass das Anfertigen von Bild- und Tonaufnahmen durch die stationäre Polizeikamera am Connewitzer Kreuz während einer Demonstration im April 2019 gewesen rechtswidrig war.
Das Verwaltungsgericht Leipzig gab der Klägerin, vertreten durch den Leipziger Rechtsanwalt Raik Höfler, Recht und entschied mit jetzt zugestelltem Urteil, dass die Videographie rechtswidrig war (Urteil vom 15. Juli 2020, Az.: 1 K 737/19, noch nicht rechtskräftig). Die Klägerin und Abgeordnete Juliane Nagel erklärt hierzu:
„Das Verwaltungsgericht hat im Sinne des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit entschieden. Denn dieses Grundrecht ist im Rahmen der Gefahrenabwehr, welche die stationäre Videoüberwachung am Connewitzer Kreuz bezweckt, zu beachten. Folglich befindet das Verwaltungsgericht Leipzig, dass die Videoüberwachung der Demonstration ins Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingegriffen hat und dieser Eingriff nicht unter Rückgriff auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht gerechtfertigt werden konnte.
Videographie ist im Rahmen von Versammlungen nur dann erlaubt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von Personen im Zusammenhang mit einer Versammlung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (§ 20 Sächsisches Versammlungsgesetz).
Eine pauschale, vom Einzelfall unabhängige Überwachung von Versammlungen inklusive Aufzeichnung und Speicherung, wie sie bei stationären Kameras geschieht, ist unzulässig und hat eine einschüchternde Wirkung auf Versammlungsteilnehmer*innen (siehe Urteil des Bundesverfassungsgerichts – 1 BvR 2492/08). Dies widerspricht schlussendlich dem Anspruch auf demokratische Teilhabe.
Das Urteil des Verwaltungsgerichtes bedeutet, dass die stationären Polizeikameras in Leipzig in Zukunft bei Versammlungsgeschehen jedenfalls weggedreht, wenn nicht gar ausgeschaltet werden müssen. Ich fordere die Polizei auf, Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen und stationäre Kameras bei Versammlungslagen abzudecken, damit die Nichtaufzeichnung des Demonstrationsgeschehens den Versammlungsleiter/-innen und Versammlungsteilnehmer/-innen glaubhaft gemacht werden kann.
Vor dem Verwaltungsgericht Leipzig ist zudem noch die Klage eines Ladengeschäfts anhängig, mit der die stationäre Videoüberwachung am Connewitzer Kreuz grundsätzlich infrage gestellt wird. Ich blicke erwartungsvoll auf die Verhandlung dazu und hoffe, dass die seit fast 20 Jahren währende Dauerüberwachung und Kriminalisierung des Stadtteils und seiner Bewohner/-innen ein Ende hat.“
Hintergrund
Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2009 zur anlasslosen Videoüberwachung von Versammlungen: „Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in dieser Weise festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkungen haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken. Denn wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten.“
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