Am 27.10. wurden die Leipziger Kinos UT Connewitz und Cinémathèque Leipzig bei der Vergabe der Kinopreise des Deutschen Kinematheksverbundes für ihre herausragende Programmarbeit im Jahr 2019 ausgezeichnet. Der von einer fünfköpfigen Fachjury (u.a. Doris Kuhn für den Bundesverband kommunale Filmarbeit, Carolin Weidner für den Verband der deutschen Filmkritik und Madeleine Bernstorff für den Kinematheksverbund) vergebene, mit 6.000 € dotierte Spitzenpreis, der „Lotte-Eisner-Preis“, wird dabei an Kinos vergeben, deren Profil sich durch eine herausragende Programmarbeit auszeichnet.
In der Begründung der Jury heißt es: „Beide Kinos fallen auf, weil sie ihren Fokus sichtlich nicht auf den Wettbewerb mit anderen legen, sondern auf vielfältige Zusammenarbeit. Der Preis dankt also auch dem städtischen und künstlerischen Zusammenhalt, den diese beiden Leipziger Kinos demonstrieren, der solidarischen kulturpolitischen Haltung in einer Zeit der Differenzen. […]
Zudem ist eine Ausrichtung ihres Programms auf Politik, Experiment und Dokument erkennbar, beide Kinos suchen geradezu den marginalisierten Film, die eigenwillige Form, eine Utopie von Kino. Das betrifft auch das Finanzielle. Es gibt Vorstellungen ohne Eintrittsgeld, die Kinos selbst arbeiten als Verein mit zahlreichen ehrenamtlichen Mitgliedern. Sie alle machen es sich offenbar zur Aufgabe, ihrem Publikum eins zu zeigen: dass Film weder ausschließlich Kommerz noch ausschließlich Unterhaltung sein muss, sondern ganz einfach Kunst ist.“
Im vergangenen Jahr war der Cinémathèque Leipzig e.V. mit seinem Filmprogramm und begleitenden Diskussionsveranstaltungen an zahlreichen Orten in der Leipziger Innenstadt aktiv. Neben seiner zentralen Spielstätte in der naTo und dem neu gegründeten INTERIM der Cinémathèque Leipzig bespielte der Verein mit seinem 2cl Sommerkino erneut den Garten des Conne Island.
Im Grassi Museum setzte er die Filmreihen „Bauhaus Sachsen“ und „TOGETHER! Die Neue Architektur der Gemeinschaft“ um. Gemeinsam mit der Filmischen Initiative Leipzig und dem GEGENkino präsentierte die Cinémathèque das Film- und Ausstellungsprojekt „paradoks – an den Grenzen des Dokumentarischen“.
Insgesamt zeigte die Cinémathèque 123 aktuelle wie historisch bedeutsame Filme, fast ausschließlich in Originalsprache mit Untertiteln, viele begleitet von Gesprächen mit themenbezogenen Expert/-innen und Filmschaffenden wie Thomas Heise, Rudolf Thomé oder den Leipziger Regisseurinnen Susanne Heinrich und Susanne Kim.
Mit ihrem Programm konnte sie unter anderem Akzente zum Weltfrauentag, zum Tag der Arbeit und zum Internationalen Tag gegen Homo-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHIT*) setzen und einen Beitrag zur Jüdischen Woche Leipzig, den Interkulturellen Wochen und dem CSD Leipzig leisten. Insbesondere freuen wir uns über zahlreiche erfolgreiche Kooperation mit unterschiedlichen Akteur/-innen aus Kultur und Gesellschaft wie etwa dem Konfuzius Institut Leipzig, mit dem wir auch 2019 wieder das chinesische Filmfestival chai. veranstaltet haben.
Die Cinémathèque Leipzig, gegründet 1991, versteht sich als Ort kultureller und gesellschaftlicher Auseinandersetzung mit und über Film – kunstformübergreifend. Gezeigt werden aktuelle Kinostarts, ausgewählte Filme in (neuen) thematisch-künstlerischen Kontexten, kuratierte Filmreihen und Experimente an den Grenzen des Films, begleitet von Filmgesprächen, Diskussionen, Einführungen und Ausstellungen. Seit 2012 setzt sich der Verein für den Aufbau eines Filmkunsthauses als Zentrum für Filmkunst und Medienbildung in Leipzig ein.
Mit seinem Alter von 108 Jahren ist das UT Connewitz Deutschlands ältestes weitestgehend original erhaltenes Kino. Mit seiner Gründung im Jahr 2001 hat es sich der gemeinnützige Verein zur Aufgabe gemacht, den imposanten Saal mit einer von einer antikisierenden Formsprache bestimmten Leinwand unter Beachtung denkmalpflegerischer Maßgaben zu erhalten und ein breit angelegtes Kulturprogramm mit vorwiegend Konzerten, Screenings und Bühnenveranstaltungen öffentlich zu machen.
Innerhalb des Filmprogramms verwiesen auch im vergangenen Jahr (Stumm-) Filmvertonungen auf die Unverwechselbarkeit des Rezeptionsortes. In 2019 haben u.a. Richard Siedhoff Dziga Vertovs Debüt „Anniversary of the Revolution“ (1918) und der Schlagzeuger Andrea Belfi „Materialfilme“ (1968-1976) von Wilhelm und Birgit Hein vertont.
Während der Queeren Filmwoche haben wir Kurzfilmprogramme mit witzigen und politisch aufgeladenen Inhalten genauso gezeigt wie zahlreiche Langfilme, die von randständigen Lebenswelten berichten. Neben Regiegesprächen hat der Kulturwissenschaftler und Autor Philipp Meinert die wichtigen Passagen der „Homopunk History“ erzählt.
Das GEGENkino-Festival ist ein seit 2014 jährlich stattfindendes, internationales Filmfestival mit experimentellem Anstrich. Kollektiv arbeitend und von cinephiler Leidenschaft getrieben hat es sich das Team zur Aufgabe gemacht, Film auf seine ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten hin zu befragen, widerständigen Positionen und marginalisierten Narrativen Raum auf der Leinwand zu bieten. Partnerspielstätten waren von Anfang an das LuRu Kino und die Schaubühne Lindenfels.
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