Fakt ist: Die Spannungsfelder, in denen sich Bäuerinnen und Bauern in Deutschland und der EU bewegen, könnten herausfordernder kaum sein. Grundwasser-, Klima- und Artenschutz, Tierwohl, Versorgungssicherheit, und all das zu möglichst geringen Preisen – die Liste der Ansprüche ist lang. Der finanzielle Spielraum vieler Betriebe ist hingegen gering.
Ein von der Europäischen Kommission für die zukünftige europäische Agrarpolitik (GAP) vorgeschlagenes Instrument könnte Abhilfe schaffen und Umweltschutz für Bäuerinnen und Bauern lohnenswert machen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ruft die Agrarminister der Länder in einer Stellungnahme dazu auf, bei ihrer Konferenz am kommenden Freitag (AMK) ein entsprechendes politischen Zeichen zu setzen und macht konkrete Vorschläge zur Umsetzung.
Wenn Martin Schulz, Landwirt und Vorsitzender der AbL aus Niedersachsen, über die aktuelle europäische Agrarpolitik spricht, ist das Ergebnis seiner Analyse ernüchternd: „Die aktuelle Politik versagt gleich doppelt“, so der Schweinehalter. „Da die Förderung weitestgehend pauschal pro Hektar ausgezahlt wird, profitieren vor allem große flächenstarke Betriebe. Rund 70 Prozent des Geldes geht an 20 Prozent der Betriebe. Kleine und mittlere Höfe haben entsprechend ebenso das Nachsehen, wie der Schutz unseres Grundwassers, der Biodiversität und des Klimas.“
Dies könnte sich laut einer Stellungnahme der AbL nun ändern. In den vor fast zwei Jahren von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlägen für die Zukunft der GAP schlägt diese mit den sogenannten „Eco-Schemes“ („Öko“-Regelungen) ein komplett neues Instrument vor. Dieses sieht vor, konkrete ökologische Leistungen mit direkten Zahlungen zu honorieren.
Mehr noch: Bei richtiger Ausgestaltung haben die Eco-Schemes das Potenzial, den Schutz von Grundwasser, Klima und Biodiversität für Bäuerinnen und Bauern zum Betriebszweig zu machen. Für Martin Schulz ein Novum. „Die Eco-Schemes verfolgen eine neue Denkrichtung. Bislang wurde vor allem mit Grundanforderungen und Sanktionen gearbeitet, nun lässt die EU ihren Mitgliedsstaaten den Spielraum, ein System zu schaffen, das uns Bäuerinnen und Bauern auch finanziell zum Umweltschutz motiviert“, erläutert er.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der großen Proteste vieler Kolleginnen und Kollegen der letzten Monate sei eine solche politische Innovation „dringend geboten“, ergänzt der 45-jährige.
Bei der Frage, in welchem finanziellen Umfang und wie ambitioniert die Bundesregierung die Eco-Schemes nutzt, kommt den Ländern und somit der kommenden Agrarministerkonferenz (AMK), eine bedeutende Rolle zu. In ihrer Stellungnahme fordert die AbL, die AMK dazu auf, mindestens 30% der bislang pauschalen Flächenförderung in die „Eco-Schemes“ zu investieren und diesen Anteil im Laufe der Jahre auszuweiten.
Zudem macht sie konkrete Vorschläge für praxistaugliche, zukünftig zu fördernde Maßnahmen, die einen konkreten Nutzen für den Umweltschutz haben und gleichzeitig für landwirtschaftliche Betriebe sowie die Behörden gangbar sind. Die Vorschläge der AbL reichen von vielfältiger Fruchtfolge und Flächenstruktur über Verzicht auf Pflanzenschutzmittel bis hin zu Erhaltung oder gar Mehrung von Hecken und anderen Landschaftselementen.
Auch die Weidehaltung und ausgeglichene Nährstoffbilanzen schlägt die AbL als Maßnahmen für die neuen Anreize vor. Martin Schulz ist sich sicher: „Die Agrarministerinnen und -minister der Länder können am Freitag ein wichtiges politisches Signal zum Erhalt möglichst vieler Höfe einerseits sowie ein verstärktes Engagement von uns Bäuerinnen und Bauern für den Umweltschutz andererseits setzen. Sie sollten diese Chance unbedingt nutzen“.
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