Auch in der 18. und letzten Spielzeit des Intendanten Jürgen Zielinski erfreut sich das Theater der Jungen Welt Leipzig enormer Nachfrage nach Stücken, Projekten und Clubs. Die Bandbreite und das Spektrum des anspruchsvollen Programms zeigt sich auch in der nationalen und internationalen Wahrnehmung, wozu u.a. vier Festivaleinladungen, ein Festivalpreis und zahlreiche Gastspiele zählen.
Stücke zur Erinnerungskultur als soziale Parabel über den Zoo neben dem Konzentrationslager Buchenwald (»Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute«); gefühlvoller Umgang mit dem Tabu-Thema »Sterben« im Puppentheater ab sieben Jahren (»Die Seiltänzerin«), und ein Monodrama über das Asperger-Syndrom (»Regarding the Bird« – von Zielinski auf einem Festival in Israel entdeckt) gehören ebenso dazu wie neue, generationsübergreifende Stoffe zu lebensnahen und teilweise angstbesetzten Themen wie Krieg, Schulstress, Demenz und Wut.
Letzte Vorstellungen und Abschiedsveranstaltungen von TdJW-Evergreens
Die Gastspiele fanden in 11 Städten statt, darunter auch sechs Inszenierungen vom scheidenden Intendanten (Übersicht aller Gastspiele im Anhang), der über die letzte Spielzeit sagt: »Es ist ein tolles Gefühl, dass unser Theater auch zum Ende meiner langjährigen Tätigkeit diesen enormen Zuspruch erfährt. Die Publikumsreaktionen sind in hohem Maße überschwänglich.
Natürlich ist es ein wenig schmerzhaft, wenn einige Stücke zum letzten Mal gespielt werden. Aber dennoch ist es ein notwendiger Prozess, im Zuge eines Intendantenwechsels das reichhaltige Repertoire von 44 Stücken zu kürzen und Platz für neue Projekte zu schaffen. Auch sind einige Stücke darunter, die – wie beispielweise meine Inszenierung »Nathan der Weise« – bereits seit 15 Jahren gespielt werden.« (Siehe Übersicht zu den letzten Vorstellungen bis Ende Juni 2020 im Anhang.)
Für zwei der Inszenierungen des Intendanten wird es besondere Abschiedsveranstaltungen geben:
Kaum ein Stück am TdJW wurde so lange gespielt wie Zielinskis Inszenierung »Nathan, der Weise«. Anlässlich des 15. Jubiläums der Premiere wird am 6. März 2020 die Veranstaltung zum Thema »NACH ISRAEL KOMMEN: Lesung, Austausch und Rückblick – Begegnungen zwischen Deutschland und Israel« stattfinden.
Die Diskussion, an der u.a. Nora Pester, Geschäftsführerin und Verlegerin von „Hentrich & Hentrich – Verlag für jüdische Kultur und Zeitgeschichte“ teilnimmt, wird umrahmt von Auszügen aus dem Buch „Nach Israel kommen“ des ehemaligen Leiters des Goethe-Instituts Tel Aviv, Wolf Iro, sowie von Live-Musik des Violinisten Samuel Seiffert. Ein Netzwerk-Abend, der sich der langjährigen künstlerischen Arbeit des TdJW mit israelischen Partner*innen widmet und sich damit perfekt in das Spielzeitmotto Zusammen.Finden einfügt.
Am 27. Mai 2020 wird am Schauspiel Frankfurt die Uraufführung JULLER (Autor: Jörg Menke-Peitzmeyer) über den deutsch-jüdischen Fußballnationspieler Julius Hirsch, initiiert von der DFB-Kulturstiftung, zum letzten Mal gezeigt.
Der Abschluss und Höhepunkt der bundesweiten Gastspielreise, die u.a. an das Theater Bremen, das Deutsche Fußball-Museum Dortmund und an das Badische Staatstheater Karlsruhe führten, wird mit einem öffentlichen Get-Together gefeiert, an dem beispielsweise Alon Meyer (Präsident von MAKKABI Deutschland), Dr. Andreas Eberhardt (ehem. Vorsitzender der Stiftung »Erinnerung, Verantwortung, Zukunft« / Gründungsdirektor der »Alfred Landecker Foundation«) und ein Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes teilnehmen werden.
Sommertheater »Auf sieben Brücken«
Eine letzte Hommage an Leipzig und die Leipziger*innen wird es am 6. und 7. Juni 2020 mit dem Open-Air-Sommertheater »Auf sieben Brücken« im Industrie-Kultur-Areal des Karl-Heine-Kanals geben. Das große Stadtteilfest auf sieben Brücken des Kanals wird verschränkt mit theatral-musikalischen Bootsfahrten. Das Sommertheater ist offizieller Beitrag der Stadt Leipzig zum Jahr der Industriekultur 2020 und markiert zugleich den Abschied von Jürgen Zielinski, der das beliebte Wasser-Theater-Format seit 2008 in Bewegung setzt.
Projekte und Produktionen von Ensemble-Mitgliedern
Signifikant für Zielinskis letzte Spielzeit ist dessen Entscheidung, Ensemble-Mitgliedern Eigenproduktionen und Projekte zu übertragen – und damit das Spielzeitmotto Zusammen.Finden auch intern umzusetzen. »Zusammenfinden bedeutet für mich als Intendanten immer auch, die vorhandenen Potentiale weiter zu fördern.«
Die interaktive Talkshow »Die Unmögliche Begegnung« der Assistentin des Intendanten, Josepha Maschke, verwirklicht das Spielzeitmotto, in dem sie höchst unterschiedliche Menschen zusammenbringt. Nach den Themen »Wohnen in Hypezig«, »Klima meets Kohle« und »Wen lieb ich – und wenn ja, wie viele?« dreht sich bei der letzten »Unmöglichen Begegnung« am 17. April 2020 alles um die Frage »Wie wollen wir arbeiten?«.
Das Stück »Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen« nach dem Kinderbuch von Toon Tellegen feiert ein völlig berechtigtes Gefühl. Die Cross-Over Produktion von Schauspiel und Puppenspiel wird inszeniert von Schauspielerin Julia Sontag und feiert am Sonntag, 23. Februar 2020, Premiere.
Schauspieler Philipp Oehme, der die Spielzeit mit »Robinson & Crusoe« von Nino D´Introna eröffnete, inszeniert mit »Der Schweinehirt« (Premiere am 18. April 2020) zum dritten Mal am TdJW. Thomas Braschs Neuerzählung von Andersens Märchen über eine gelangweilte Kaiserstochter und einen Prinzen beschreibt die Misstöne des Hochmuts.
Schauspieler und Musiker Benjamin Vinnen und Regieassistent Friedrich Packmohr begeben sich mit dem Projekt »Traumweh«, das am 29.5.2020 erstmals gezeigt wird, auf eine musikalische Reise in Parallelwelten als Eskapismus-Formen der Gesellschaft.
Auch die Beförderung von Projektentwicklungen in der Jungen Wildnis, Theaterpädagogik des TdJW unter der Leitungs des scheidenden Theaterpädagogen Roland Bedrich gehört dazu.
So ergründete die Junge Wildnis in dieser Spielzeit in ihrem partizipativen Recherche-Projekt »Rudeln«, was Familien mit Wolfsrudeln gemeinsam haben. Premiere feierte das intergenerative Projekt am 01. Februar, weitere Vorstellungen folgen am 28./29. März und 09./10. Mai 2020.
Auch in den Winterferien ist es wieder wild im TdJW:
Vom 10. bis 15. Februar heißt es – Theater goes Startup! Im Projekt »Zusammen AG« entwickeln 45 Kinder und Jugendliche ein eigenes Startup und das Erfolgsrezept für ein (Show-) Business! Öffentlich präsentiert werden alle Ideen beim großen Investors´ Day am Samstag, 15. Februar 2020, 10 bis 12 Uhr.
Ebenfalls in den Winterferien, am 17. Februar, startet die Stadtverfolgungsjagd »Follow the Rabbit«, ein halbjähriges Theaterprojekt im Stadtraum für Kinder (8-13 Jahre). Gemeinsam wird der Leipziger Westen neu entdeckt, es geht auf die Suche nach Phantastischem und Absurdem. Die Junge Wildnis entwickelt mit den Teilnehmenden ein Stadtverfolgungstheater im öffentlichen Raum – dem Kaninchen hinterher und hinein in eine Welt, in der Unmögliches möglich wird.
Verzicht auf ein großes Abschiedsspektakel des Regisseurs Zielinski mit der Absage von »M. Eine Stadt sucht einen Mörder«
Der Übergang zur neuen Intendanz ist nicht – wie meist üblich – durch große Personalwechsel geprägt. »Weil sich der Intendantenwechsel quasi aus dem Haus vollzieht (mit der langjährig für das TdJW-tätigen Winnie Karnofka), werden dementsprechend keine personell tiefen Einschnitte stattfinden. Ein fast übliches Kommen und Gehen.
Dementsprechend soll auch die Energie für den Neubeginn von mir für Karnofka und den bleibenden Mitarbeitern Unterstützung erfahren. Auch soll ermöglicht werden, dass die naturgemäß mit dem Wechsel verbundenen, auslaufenden Stücke noch vom Publikum gesehen werden können.«, so Jürgen Zielinski.
Zielinskis Initiative international
In Zielinskis Intendanz kooperierte das TdJW auch mit zahlreichen internationalen Partnern:
»Unsere gewachsenen internationalen Kontakte erfahren aktuell Ergänzung durch meine Reisen nach Seoul zum Festival der Südkoreanischen ASSITEJ (Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche) und dem bevorstehenden Festivalbesuch nach Prag. Ziel ist, ein Festival für Theater/Performance und Tanz für ein junges Publikum in Leipzig und Sachsen zu initiieren.
Mit dem großen Erfolg des Festivals »Welt im Zelt« mit insgesamt sieben internationalen Gastspielen im Juni 2018 hatten wir bereits eine Marke gesetzt. Das soll perspektivisch unter neuer Konzeption eine Fortsetzung und Erweiterung erfahren – als wichtiges Zeichen für die Vielfalt und Weltoffenheit Sachsens im Sinne des transkulturellen Austausches und toleranten Miteinanders.«
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