Kann man die Ausgaben der Erstausbildung nun als Werbungskosten steuerlich absetzen oder nicht? Seit 2014 verhandelt das Verfassungsgericht eine Entscheidung. Warum ist das wichtig? Es geht für hunderttausende Studenten um viel Geld.
Wann und wie das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage entscheidet ist weiterhin unklar. Bis dahin sollten Studenten aber nicht tatenlos abwarten. Entscheidet das Gericht zu ihrem Vorteil, dann ist vor allem eines besonders wichtig: Für alle Ausgaben müssen Belege vorliegen. Das gilt im übrigen auch für schulische Ausbildung z.B. für Physiotherapeuten, Piloten, Heilpraktiker oder andere Berufe, die in aller Regel auch relativ hohe Ausbildungsgebühren erfordert.
Die Chancen, dass auch für die Kosten der Erstausbildung als Werbungskosten abgesetzt werden können, stehen gar nicht schlecht. Denn zuletzt gab es sozusagen „Schützenhilfe“ für Studenten und Auszubildende von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Diese sollte für das Bundesverfassungsgericht die Streitfrage bewerten.
Das Ergebnis kurz zusammengefasst: „Auch die Kammer unterstützt die Auffassung, dass die Kosten der Erstausbildung Werbungskosten sind“, sagt Hans-Jürgen Bunk von der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V., Lohnsteuerhilfeverein, Beratungsstelle Leipzig: „Die Bundesrechtsanwaltskammer folgt also der Bewertung des Bundesfinanzhofes.“
Was die Werbungskosten-Lösung bringt
Studenten oder Auszubildende, die eine Zweitausbildung absolvieren kennen das. Wer Werbungskosten geltend machen darf, der kann alle Ausgaben, die mit der Ausbildung in Zusammenhang stehen, in vollem Umfang absetzen. Zum Beispiel die Ausbildungsgebühren, bei einem zweiten Wohnsitz am Ausbildungsort die Wohnungskosten, Fahrtkosten, Auslagen für die Verpflegungsmehraufwand.
Bei den Werbungskosten gibt es auch keinen Höchstbetrag. Ganz wichtig hierbei: Alle Ausgaben müssen belegt und in der Steuererklärung für das jeweilige Jahr als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Mehr noch: Werbungskosten können steuerlich auch dann geltend gemacht werden, wenn noch gar keine steuerpflichtigen Einnahmen vorliegen. Das Verfahren nennt sich „Verlustvortrag“. Das heißt: Die Steuererstattung wird in dem Jahr vorgenommen, in dem das erste steuerpflichtige Einkommen vorliegt, also nach der Ausbildung, beim Einstieg in das Berufsleben. Voraussetzung hierfür: Der Verlustvortrag für die Zeit des Studiums muss mit der Abgabe von Einkommensteuererklärungen geltend gemacht werden. Und zwar auch dann, wenn gar keine Veranlagung besteht.
So werden die Kosten für die Erstausbildung nach derzeitigem Recht behandelt
Derzeit dürfen Studenten oder Absolventen einer schulischen Ausbildung in der Erstausbildung allenfalls „Sonderausgaben“ steuerlich gelten machen. Diese werden aber nur dann wirksam, wenn der Student bzw. Auszubildende auch Steuern gezahlt hat. Das heißt ein „Verlustvortrag“ ist durch Sonderausgaben nicht möglich. Außerdem sind die Sonderausgaben nur begrenzt abziehbar. Für Ausbildungskosten besteht hier ein Höchstbetrag von 6.000 Euro.
So können Betroffene sich jetzt schon auf ein positives Urteil vorbereiten
Angenommen, das Verfassungsgericht entscheidet zugunsten der Studenten und Auszubildenden. Können auch die heutigen Absolventen einer Erstausbildung von der künftigen Entscheidung profitieren? „Das ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich“, sagt Hans-Jürgen Bunk. Wer also jetzt schon eine Einkommensteuererklärung abgeben muss, der sollte darin die Ausbildungskosten als Werbungskosten ansetzen. Das Finanzamt wird dies ablehnen. Dagegen müssen Betroffene keinen Einspruch einlegen.
Der Grund: Die Festsetzung der Einkommensteuer ist gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Abziehbarkeit der Aufwendungen für eine Berufsausbildung oder ein Studium als Werbungskosten oder Betriebsausgaben (§ 4 Absatz 9, § 9 Absatz 6 EStG). Damit werden die Steuerbescheide in diesem Punkt nicht rechtskräftig. Bei einem positiven Urteil müssen die Finanzämter von Amts wegen dann alle betreffenden Steuerbescheide korrigieren.
Es empfiehlt sich aber, den Vorgang zu prüfen. Denn es könnte sein, dass das Finanzamt die als Werbungskosten beantragten Ausgaben für die Erstausbildung als Sonderausgaben anerkennt, die sich dann nicht oder nur gering steuerlich auswirken. Gegen einen entsprechenden Bescheid muss der Student Einspruch einlegen und Ruhen des Verfahrens beantragen.
In der Begründung verweist man dann auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren. Das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht läuft unter diesen Aktenzeichen: 2 BvL 22/14, 2 BvL 23/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 27/14.
Könnten Azubis und Studenten auch rückwirkend profitieren?
Bei einem für die Studenten und Auszubildenden positiven Urteil können sie grundsätzlich auch rückwirkend profitieren, und zwar bis zu sieben Jahre. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte das entschieden (Az.: IX R 22/14). Bei einem positiven Ausgang müssen dann aber mit den entsprechenden Belegen für die jeweiligen Jahre Steuererklärungen eingereicht werden.
Weitere Bedingung: Während der zurückliegenden Jahre darf man nicht zur Einkommensteuer veranlagt gewesen sein. Bestehen bereits rechtskräftige Steuerbescheide für diese Jahre, gehen die Betreffenden leer aus.
Hintergründe des aktuellen Verfahrens
Das höchste deutsche Finanzgericht hatte die Streitfrage, sind die Kosten der Erstausbildung Werbungskosten oder Sonderausgaben, vor das Bundesverfassungsgericht gebracht.
In einem Fall (Az.: VI R 8/12) akzeptierte der Bundesfinanzhof die Kosten eines Studenten, darunter auch Auslagen für ein Auslandssemester. Der Student hatte eine Erstausbildung absolviert.
Die Streitfrage geht im wesentlichen auf diesen Punkt zurück: Warum wird eine Erstausbildung steuerlich anders behandelt, als eine Zweitausbildung? Die Kosten der Zweitausbildung können als Werbungskosten angesetzt werden.
Der BFH und auch die BRAK vertreten die Auffassung, dass die Auslagen für Erststudium bzw. Erstausbildung deshalb erfolgen, um damit die Grundlagen und Voraussetzungen für eine spätere berufliche Tätigkeit zu erlangen. Sie dienten also der künftigen Existenzsicherung des Steuerpflichtigen. Insofern müssten die Ausgaben in jedem Fall steuerlich als Werbungskosten behandelt werden.
„Der Gesetzgeber hat bislang übrigens keine Bereitschaft gezeigt, die Erstausbildung steuerlich so anzuerkennen wie die Zweitausbildung“, sagt Hans-Jürgen Bunk.
„Wie das Verfassungsgericht letztlich entscheidet, wissen wir natürlich nicht.“ Es spreche aber einiges dafür, dass die Richter zu Gunsten der Studenten urteilen. Hans-Jürgen Bunk rät: „Studenten und betroffene Auszubildende sollten sich auf den Erfolgsfall vorbereiten. Belege sammeln, gegebenenfalls schon jetzt eine entsprechende Steuererklärung einreichen.“
Über die Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V., Lohnsteuerhilfeverein, Sitz Gladbeck
Die Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer ist einer der führenden Lohnsteuerhilfevereine. Sie ist deutschlandweit aktiv mit rund 300 Beratungsstellen. 2018 wurden bundesweit über 50.000 Mitglieder steuerlich betreut. 1991 ist das Gründungsjahr des Lohnsteuerhilfevereins.
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