Am 15. Januar 1989 versammelten sich ca. 500 Leipziger auf dem Marktplatz um für demokratische Grundrechte zu demonstrieren. Zuvor hatten Leipziger Oppositionelle über 4.000 Flugblätter verteilt und zu dieser Demonstration für das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie Pressefreiheit aufgerufen.
Der offizielle SED-Gedenktag an die 1919 ermordete Rosa Luxemburg sowie Karl Liebknecht war bewusst gewählt worden, um den Protest mit dem Luxemburg-Zitat „sozialistische Demokratie beginnt aber nicht erst im gelobten Land“ zu legitimieren.
Aus diesen, anfänglich noch kleinen, politischen Protesten entwickelte sich die Friedliche Revolution, die im Herbst 1989 zum Sturz der SED-Diktatur in der DDR führte. Anlässlich des 30. Jahrestages beginnt die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ eine neue Gesprächsreihe zu den damaligen Ereignissen.
Auftakt ist am Dienstag, der 15. Januar 2019, um 19.00 Uhr im ehemaligen Stasi-Kinosaal. Nach einem Vortrag zu den historischen Hintergründen sprechen Zeitzeugen und Protagonisten, die sich am 15. Januar 1989 beteiligt hatten. Der Eintritt ist frei. Vor der Veranstaltung gibt es 18.00 Uhr die Möglichkeit an einer kostenfreien Führung durch die Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ teilzunehmen.
Aus Anlass des 30. Jahrestages der Friedlichen Revolution lädt Das Bürgerkomitee Leipzig e.V. zu einer neuen Gesprächsreihe mit Zeitzeugen ein. Im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe „Heute vor 30 Jahren – Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ stehen herausragende Ereignisse des politischen Protestes in Leipzig, die zur Friedlichen Revolution, zum Sturz der SED-Diktatur und zu einem demokratischen Neuanfang führten.
Ebenso wie der Beginn der Weimarer Republik 1919 und die Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 in der Bundesrepublik ist die Friedliche Revolution von 1989 ein zentrales Datum der Demokratiegeschichte in Deutschland, dem wir uns wieder stärker bewusst werden sollten. Die mit ihr wiedererrungenen Werte – Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – sind heute für ein gemeinsames Zusammenleben in Europa grundlegend und unveräußerlich.
15. Januar 1989 – Erste ungenehmigte Demonstration für demokratische Grundrechte in Leipzig
Beginn der Gesprächsreihe ist am Dienstag, den 15. Januar 2019, anlässlich der ersten ungenehmigten Demonstration für demokratische Grundrechte des Jahres 1989 in Leipzig. An diesem Tag hatten sich 30 Jahre zuvor etwa 500 Bürger auf dem Leipziger Marktplatz versammelt, die nach einer kurzen Ansprache durch die Petersstraße in Richtung des Geburtshauses von Karl-Liebknecht zogen, der genau 70 Jahre zuvor zusammen mit Rosa Luxemburg ermordet worden war.
Erst nach ca. 800 Metern löste die Volkspolizei den nicht genehmigten Demonstrationszug außerhalb der Innenstadt auf und nahm 53 Teilnehmer fest.
Zur Demonstration hatten am 11. Januar 1989 Mitglieder Leipziger Oppositionsgruppen mit etwa 4.000 Flugblättern aufgerufen, die sie u.a. in Hausbriefkästen in der Stadt verteilten. Als „Initiative zur demokratischen Erneuerung unserer Gesellschaft“ forderten Sie das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie Pressefreiheit. Die Stasi verhaftete die Initiatoren, denen mehrjährige Haftstrafen drohten.
Da die Verhaftungen sofort DDR-weit Proteste mit Fürbittandachten auslösten und die Außenmister der USA und der Bundesrepublik in ihren Reden zum Abschluss des 3. KSZE-Folgetreffens in Wien diese Vorgänge ansprachen, sah sich die SED-Führung in Berlin gezwungen, alle Verhafteten bis zum 19. Januar 1989 wieder freizulassen. Am 24. Januar 1989 stellte die Leipziger Staatsanwaltschaft auch die Ermittlungsverfahren „auf zentrale Weisung“ ohne weitere direkte Folgen für die Betroffenen ein.
An diesem 15. Januar 1989 hatte die erste ungenehmigte Demonstration der 1980er-Jahre in Leipzig stattgefunden, an der sich überwiegend Bürger beteiligten, die nicht in Oppositionsgruppen organisiert waren. Die Bereitschaft des Einzelnen, sich aus seiner Anpassung zu lösen und etwas für demokratische Veränderungen in der Gesellschaft zu riskieren, war stark gestiegen. In den nächsten Monaten sollte sich dieser Prozess wie eine Lawine weiter entwickeln.
Luxemburg-Zitat „sozialistische Demokratie beginnt aber nicht erst im gelobten Land“ zur Legitimation des Demonstrationsaufrufes
Die SED veranstaltete zur eigenen Herrschaftslegitimation jedes Jahr in Berlin am 15. Januar eine große Gedenkdemonstration aus Anlass der im Jahr 1919 ums Leben gekommenen Mitbegründer der Kommunistischen Partei Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.
Nachdem 1974 die bis dahin in der DDR zensierte Schrift „Zur russischen Revolution“ von Rosa Luxemburg veröffentlicht wurde, beteiligten sich am 15. Januar 1977 in Berlin erstmals drei Männer mit dem Zitat „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“, mit dem Rosa Luxemburg 1917 allerdings nur das parteiinterne „Demokratie-Defizit“ in Lenins Parteikonzept kritisiert hatte. Die Plakatträger wurden dafür zu langen Haftstrafen verurteilt.
Am 15. Januar 1988 wiesen erneut Berliner Oppositionelle mit dem Zitat von Rosa Luxemburg auf den Missstand des fehlenden Rechtes auf freie Meinungsäußerung hin, die zumindest formal sogar im DDR-Verfassungsartikel Nummer 27 festgeschrieben war.
Auch das Flugblatt der Leipziger Bürgerrechtler wies auf Zitate von Luxemburg hin und bezog sich ausdrücklich auf die Verfassung der DDR, um so eine breitere Legitimation bei den Lesern des Flugblattes für ihren Demonstrationsaufruf zu erreichen. Die Demonstration für bürgerliche Freiheitsrechte auch in der DDR war bewusst nicht als Gegendemonstration zur offiziellen staatlichen Gedenkfeier konzipiert.
Gesprächsteilnehmer waren aktive Demonstranten vor 30 Jahren
Bei der neuen Veranstaltungsreihe „Heute vor 30 Jahren: Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ werden die jeweiligen Ereignisse aus dem Jahr 1989 und deren Hintergründe zunächst in einem einführenden Vortrag beleuchtet. Im Anschluss kommen Zeitzeugen über das damalige Geschehen, aber auch dessen Bedeutung für die heutige Gesellschaft miteinander und mit dem Publikum ins Gespräch.
Zu den Gesprächsteilnehmern am 15. Januar 2019 gehören Protagonisten, die 30 Jahre zuvor sowohl mit demonstriert als auch an der Herstellung und Verteilung des Flugblattes beteiligt waren.
Veranstaltungsort ist der ehem. Stasi-Kinosaal der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ und der Eintritt ist frei. Die nächsten Termine der Reihe sind der 13. März 2019 und der 7. Mai 2019.
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