Der neue Leibniz-Professor der Universität Leipzig, Stefan Thomas Gries, wird am 19. April 2017 seine Antrittsvorlesung mit dem Titel „On the role and use of quantitative methods in linguistics“ halten. Ein Semester lang will Gries zwei Seminare für Studierende der Anglistik und Amerikanistik sowie der Allgemeinen Sprachwissenschaft halten. Diese Kurse sind methodisch ausgerichtet und gehen der Frage nach, wie mithilfe von Computerprogrammen und Statistik Sprache gezielt untersucht und erforscht werden kann.
Sprache ist für Stefan Thomas Gries schon seit seiner Kindheit ein Faszinosum. In der Schule lernt er als dritte Fremdsprache Russisch. „Russisch unterschied sich sehr stark von Deutsch und Englisch, und es war sehr spannend, die verschiedenen Konzepte von Sprache zu beobachten“, sagt Gries. Nach der Schule studiert er in seiner Heimatstadt Hamburg Anglistische Linguistik, Psychologie, Slawistik und Erziehungswissenschaften und promoviert direkt im Anschluss. Während der Promotion beginnt er am Institute of Business Communication and Information Science an der Universität Sønderborg in Süddänemark zu arbeiten und erhält dort später seine erste Professur.
Mit jeder beruflichen Station vertieft Stefan Thomas Gries seine Kenntnisse über sprachliche Muster und Zusammensetzung. Im Jahr 2005 kommt er das erste Mal nach Leipzig. Am Max-Planck-Institut für Anthropologie forscht er nicht nur zum Spracherwerb, er ist auch an der Erstellung eines großen, sogenannten Korpus, beteiligt. Sprachliche Korpora sind riesige Datenmengen, die gesprochene und geschriebene, aber vor allem authentische Sprache beinhalten. Das „British National Corpus“ zum Beispiel zählt rund 100 Millionen Wörter, darunter Sachbücher, Belletristik und Reiseliteratur. Rund zehn Prozent des Korpus sind – von englischen Muttersprachlern – gesprochene Sprache, deren Unterhaltungen aufgenommen, gespeichert und so der Forschung zur Verfügung gestellt werden.
Vom Max-Planck-Institut in Leipzig wechselt Gries ans Institut für Linguistik der Universität von Kalifornien in Santa Barbara. Seit mittlerweile über zehn Jahren nun lebt er im sonnigen Kalifornien und empfindet seine Arbeit dort als großes Privileg. „Die Universität ist sehr forschungsorientiert und auch die inhaltliche Ausrichtung passt sehr gut zu meinem Profil“, sagt der Linguistik-Professor.
Stefan Thomas Gries ist Spezialist auf dem Gebiet der quantitativen Korpuslinguistik. Dabei konzentriert er sich voll und ganz auf die Auswertung sprachlicher Korpora. Er nutzt oft riesige Datenmengen, um herauszufinden, wie sich ein bestimmtes Sprachsystem entwickelt. Wie lernen Kinder Sprache, wie verwenden sie die ersten Verben? Der Wissenschaftler will herausfinden, wie Sprache funktioniert, wie sie im Alltag verwendet wird, um daraus Schlüsse für die Sprachvermittlung zu ziehen. Was verraten Fehler, die Nicht-Muttersprachler machen über den Spracherwerb? Das ist eine der Fragen, denen Gries nachgeht. Dabei liegt sein Fokus auf der englischen Sprache, aber auch mit Spanisch, Russisch, Türkisch und anderen Sprachen hat er schon gearbeitet.
In Leipzig nun will er Studierenden der Amerikanistik, Anglistik und Linguistik die Auswertung der sprachlichen Korpora näherbringen. In einem Statistikkurs geht es um die Frage, wie linguistische Daten überhaupt statistisch ausgewertet werden können. Gries geht es dabei auch um technische Details, wie das Schreiben einer Programmiersprache. In einem zweiten Kurs will er mit den Studierenden erarbeiten, wie Daten aus den Korpora extrahiert werden können.
Mit seiner Arbeit will Stefan Thomas Gries der Sprache auf den Grund gehen. Seine Forschung ist elementar und behandelt die technische Seite der Sprachwissenschaft. Zeitgleich arbeitet er gemeinsam mit Kollegen der Universität in Gießen mit Daten des „International Corpus of English“. Dabei geht es darum, wie Sprache von Englischsprechenden im Ausland, zum Beispiel Singapur oder Bangladesh, benutzt wird. Gemeinsam wollen die Wissenschaftler eine Methode entwickeln, wie diese Varietäten des Englischen in Zukunft besser untersucht werden können.
In seiner Antrittsvorlesung am 19. April wird Gries grundlegend in das Feld der methodischen Linguistik einführen, wie sich diese Wissenschaft in den vergangenen 30 bis 40 Jahren entwickelt hat und, dass Sprache heute von zwei Seiten bearbeitet wird: von der theoretischen und der methodologischen. All das will er auch anhand verschiedener Fallbeispiele erklären. Der frischgebackene Leibniz-Professor freut sich über seine Rückkehr nach Leipzig und auf die Zusammenarbeit mit seinen neuen Kollegen: „Wir kommunizieren sonst über Skype und E-Mail, aber ein persönlicher Kontakt ist doch etwas Anderes.“
Die Universität Leipzig vergibt die Leibniz-Professur zweimal jährlich an international besonders renommierte Wissenschaftler, um damit durch deren Gastaufenthalt das Forschungspotenzial und das Lehrangebot der Hochschule zu bereichern. Die Leibniz-Professur ist Teil des Leibniz-Programms der Research Academy, der zentralen Einrichtung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universität Leipzig.
Termin:
19.04.2017, 17:00 Uhr
Ort:
Bibliotheca Albertina, Universität Leipzig
Beethovenstr. 6, 04107 Leipzig
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