Sächsische Betriebe und Beschäftigte sind sowohl direkt als auch indirekt vergleichsweise stark von der Einführung des allgemeinen flächendeckenden Mindestlohns betroffen. Rund 44 Prozent der sächsischen Betriebe in Sachsen haben nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 ihre Stundenlöhne infolge der Einführung des Mindestlohnes auf mindestens 8,50 Euro angehoben. In den anderen ostdeutschen Bundesländern liegt der Durchschnitt bei 36 Prozent. In Sachsen profitieren rund 16 Prozent der Beschäftigten vom gesetzlichen Mindestlohn - 12 Prozent in anderen Teilen Ostdeutschlands.
Das zeigen die Ergebnisse einer Studie zum Mindestlohn, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr durchgeführt hat. Neben dem Ausmaß der Betroffenheit der sächsischen sowie ostdeutschen Betriebe und Beschäftigten vom Mindestlohn, wurden auch die personal- und geschäftspolitischen Auswirkungen der Mindestlohneinführung in den Betrieben betrachtet und die Effekte auf die Beschäftigung, die Entlohnung und die Arbeitszeit analysiert.
Arbeitsstaatssekretär Stefan Brangs stellte heute gemeinsam mit Prof. Dr. Lutz Bellmann vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Rahmen eines Pressegespräches die Ergebnisse der Studie zum Mindestlohn in sächsischen Betrieben vor.
„Sowohl in Sachsen als auch in Ostdeutschland zeigt sich, dass der Mindestlohn eine substantielle Erhöhung der Entlohnung der Beschäftigten nach sich zog. Es bekommen also mehr Menschen mehr Lohn für ihre Arbeit. Doch damit dürfen wir uns nicht zufrieden geben. Der Mindestlohn ist keine Wohltat, er ist und bleibt eine Sittlichkeitsgrenze, eine rote Linie nach unten. Wir erwarten auch in der sächsischen Wirtschaft mehr Tarifabschlüsse, damit für gute Arbeit auch guter Lohn gezahlt wird. Das muss in ihrem eigenen Interesse liegen, um mit qualifizieren Fachkräften die Wettbewerbsfähigkeit weiter gewährleisten zu können.“ Ausgeblieben sind die Negativszenerien des Mindestlohnes: „Die befürchteten Arbeitsplatzverluste, vor allem im Dienstleistungsgewerbe, sind nicht einmal ansatzweise eingetreten“, so Staatssekretär Brangs.
Bezüglich des Anteils sozialversicherungspflichtig Beschäftigter, geringfügig Beschäftigter und freier Mitarbeiter an der Gesamtbeschäftigung im Betrieb, ist anhand der durchgeführten Analysen in Sachsen und dem übrigen Ostdeutschland kein signifikanter Mindestlohneffekt zu erkennen. Entgegen der Befürchtungen, dass die Einführung des Mindestlohns zu Jobverlusten führen wird, hat von der anhaltenden Nachfrage nach Arbeitskräften am sächsischen Arbeitsmarkt vor allem die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung profitiert. So stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von Januar 2014 zum April 2016 um fast 66.000 Personen (+4,4 Prozent). Im Gastgewerbe zum Beispiel lag der Anstieg mit 14,9 Prozent deutlich über dem Durchschnittswert. Gleiches gilt für die Bereiche Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (+13,5 Prozent), Verkehr/Lagerei (+12,1 Prozent) und Gesundheits-/Sozialwesen (+11,8 Prozent). Im Baugewerbe lag der Zuwachs bei 4,7 Prozent, im Bereich Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen bei 2,8 Prozent. Gleichzeitig ging die Zahl der geringfügig Beschäftigten im Freistaat Sachsen um über 10.100 Personen zurück (Dezember 2014 zu Dezember 2015).
Die Betriebe reagieren insbesondere mit einer Reduktion der Arbeitszeit bzw. einer Arbeitsverdichtung auf die Einführung des Mindestlohns. In den ostdeutschen Bundesländern zeigt sich ein leicht negativer Effekt des Mindestlohns auf die durchschnittliche vereinbarte Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte. Dieser Rückgang ist auch für Sachsen beobachtbar. Doch während in den übrigen ostdeutschen Bundesländern ein negativer Beschäftigungseffekt festzustellen ist, hat die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Sachsen keinen signifikanten Effekt auf die Beschäftigung.
„Die Betriebe in Sachsen haben andere Anpassungsreaktionen wie die Erhöhung der Produktpreise und die Verkürzung der Arbeitszeit/Arbeitsverdichtung deutlich häufiger als in anderen Teilen Ostdeutschlands genutzt“, so Prof. Bellmann.
Hintergrund: Die Datenbasis der Studie über den Zeitraum von 2010 bis 2015 bildete das IAB-Betriebspanel. Das IAB ist das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit. Das IAB-Betriebspanel ist eine repräsentative bundesweite Arbeitgeberbefragung und wird jährlich erhoben. t. Ziel des Panels ist es, aktuelle repräsentative Daten über die Beschäftigungsentwicklung sowie Informationen über ausgewählte wirtschaftliche Kennziffern der Betriebe bereitzustellen. Auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung mit dem SMWA wurden die Auswirkungen des Mindestlohns für sächsische Betriebe in einer Längsschnittstudie untersucht.
Das Thema Mindestlohn wurde in der Befragungswelle 2014 erstmalig abgefragt. Die Befunde des Panels 2014 zum Mindestlohn stellen damit eine Null-Messung dar und geben einen Überblick, in welchen Betrieben 2014 Beschäftigte tätig waren, die Brutto-Stundenlöhne unterhalb von 8,50 Euro erhielten. Die Anpassungsmaßnahmen der Betriebe nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns bildeten die Schwerpunktfrage des Panels 2015. Das IAB-Betriebspanel – Länderbericht Sachsen 2015 wurde bereits veröffentlicht. Die vollständigen Ergebnisse der Befragung 2015 sind unter www.arbeit.sachsen.de abrufbar.
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