Aus aktuellem Anlass erklärt Juliane Nagel, Sprecherin für Migrations- und Flüchtlingspolitik der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag: Das Chaos bei Aufnahme und Unterbringung von neu in Sachsen ankommenden Asylsuchenden hält an. Da die regulären Erstaufnahmeeinrichtungen in Chemnitz und Schneeberg überfüllt sind, wurden kurzerhand Kapazitäten in Böhlen, Görlitz, Meißen und in einer Turnhalle in Schneeberg geschaffen. Das Hals-über-Kopf-Agieren des Innenministeriums spricht Bände. Innenminister Markus Ulbig hat die Situation trotz großer Töne um bessere Kommunikation und langfristiges, planvolles Handeln nicht im Griff.
Bereits Anfang Oktober 2014 musste das Sächsische Innenministerium (SMI) auf meine Kleine Anfrage zu den Erstaufnahmekapazitäten deren Auslastung bzw. Überbelegung offenlegen (Landtags-Drucksache 6/55 http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=55&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=202). Seitdem sind mehr als drei Monate und zahlreiche leere Versprechungen im Schlepptau des Asylgipfels ins Land gegangen. Dass die Zahl der Asylsuchenden sinken würde, dürfte nicht mal der überforderte Innenminister gedacht haben.
Statt den geflüchteten Menschen eine möglichst würdige Ankunft und Unterbringung einerseits und den Kommunen Sicherheit andererseits zu bieten, präsentieren SMI und CDU Vorschläge zur Verschärfung des Asylrechts. Dem Plädoyer für die Erklärung Tunesiens zum sicheren Herkunftsstaat, der Komplett-Überprüfung von Asyl- und Zuwanderungspolitik folgt nun der Vorstoß Kosovo zum sicheren Herkunftsstaat zu erklären. Markus Ulbig heizt damit nicht nur die sowieso feindlich aufgeladene Stimmung gegen Asylsuchende an, sondern versucht auch, vom eigenen Versagen abzulenken.
Die Linke lehnt das Prinzip der „sicheren Herkunftsstaaten“ grundsätzlich ab, zumal es wenige Effekte im Sinne seiner Erfinder/innen hat. Dieses Instrument ist ein Produkt der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1993. Asylanträge von Menschen aus den so kategorisierten Staaten können leichter und ohne Tiefenprüfung als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden; damit werden rechtsstaatliche Garantien im Asylverfahren eingeschränkt.
In den vergangenen Monaten wurden bereits fast 90 Prozent der Asylanträge von aus dem Kosovo Geflüchteten in Schnellverfahren abgelehnt. In der Folge müssen die Betroffenen innerhalb einer Woche ausreisen. Der Effekt der Einstufung als „sicherer Herkunftsstaat“ würde diese Quote lediglich geringfügig erhöhen.
Nicht zuletzt ist es zynisch, mit Blick auf den Kosovo von einem „sicheren Herkunftsstaat“ zu sprechen. Wie Pro Asyl betont, gibt es in dem Land massive Defizite in den staatlichen Strukturen und immense Probleme mit Korruption und organisierter Kriminalität. Die Situation, die Menschen zur Flucht zwingt, ist nicht zuletzt Resultat einer verfehlten EU-Politik auf dem Westbalkan. Es braucht Unterstützung bei der Stabilisierung des Landes und bis dahin Schutz für die von dort fliehenden Menschen.
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