Wolfgang Topf, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig, erklärt zum Start der Regierungsarbeit der "Großen Koalition" von CDU/CSU und SPD: "Mit dem Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD die Weichen für die Regierungsarbeit der nächsten Jahre gestellt - leider jedoch nicht in Richtung Wachstum und Beschäftigung.

Steuern

Auch wenn Steuererhöhungen im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen sind, erscheinen die Vereinbarungen zur Steuerpolitik insgesamt enttäuschend. Es fehlt trotz sprudelnder Steuereinnahmen an Reformwillen, etwa in Sachen durchgreifender Steuervereinfachungen oder hinsichtlich des Abbaus der “kalten Progression”. Da die Einkommensteuersätze nicht der Preissteigerung angepasst werden, kommen somit auch in den nächsten Jahren auf die Steuerzahler beträchtliche Mehrbelastungen zu. Eine Einkommenserhöhung, die lediglich zu einem Inflationsausgleich führt, bleibt damit nach Steuerabzug hinter der Inflationsrate zurück. Dies kommt einer Steuererhöhung gleich. Wir fordern daher eine Korrektur des Steuertarifverlaufs, um die “kalte Progression” zu beseitigen.

Infrastruktur und Finanzierung

Investitionen in die Infrastruktur sind dringend notwendig. Deshalb betont der Koalitionsvertrag zu Recht den Ausbau etwa von Straßen, Häfen und Breitband. Die dafür geplante Erhöhung der Investitionsmittel ist erforderlich, um Instandhaltungsdefizite abzubauen, Engpässe zu beseitigen und den Unterhalt zu bestreiten. Das Vorhaben, zur Finanzierung die LKW-Maut auf alle Landstraßen auszuweiten, lehnen wir jedoch ab. Eine Ausweitung ist erstens nicht notwendig, da bei einer vollständigen Verwendung der gegenwärtigen Einnahmen aus verkehrsbezogenen Steuern und der LKW-Maut über 50 Mrd. Euro zur Verfügung stehen, davon derzeit aber nur 20 Milliarden Euro in den Verkehr zurückfließen. Zweitens würde die vorgesehene Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen die Kostenbelastung des Verkehrsgewerbes um gut zwei Milliarden Euro jährlich erhöhen. Diese Zusatzbelastung darf es nicht geben.

Mindestlohn

Durch den geplanten Mindestlohn werden sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt insbesondere für Geringqualifizierte verschlechtern. Der volkswirtschaftliche Grundsatz, dass Angebot und Nachfrage sowie die Produktivität das jeweilige Lohnniveau bestimmen, wird mit einem staatlichen Lohndiktat konterkariert. Deshalb wären von den Tarifparteien ausgehandelte branchenspezifische Lohnuntergrenzen die bessere Lösung gewesen. Zudem wird mit den geplanten Regulierungen am Arbeitsmarkt – etwa bei der Leiharbeit – den Unternehmen die notwendige Flexibilität genommen, die zum Beschäftigungsaufbau in den vergangenen Jahren beigetragen hat. Wir erwarten daher von der neuen Bundesregierung, dass sie sich im Vorfeld der Gesetzgebungsprozesse die Konsequenzen ihrer Entscheidungen vor Augen führt und Lösungen anbietet, wie die drohenden Arbeits- und Ausbildungsplatzverluste abgewendet werden sollen.

Energiewende

Beim wichtigen Thema Energiewende zeigt der Koalitionsvertrag keinen überzeugenden Weg aus der Kostenfalle auf. Tragfähige Eckpunkte für eine Reform des Erneuerbaren Energien Gesetzes fehlen genauso, wie die von der Wirtschaft geforderte spürbare Senkung der Stromsteuer. Insbesondere die Industrie erwartet jedoch wirksame Lösungen zur Sicherung der Versorgung und zur Stabilisierung der Strompreise. Als positives Zeichen bewerten wir die eindeutige Zuordnung des Themas Energie an das Wirtschaftsministerium.

Bürokratieabbau

Auch zum Dauerthema Bürokratieabbau finden sich im Koalitionsvertrag zu wenige konkrete Ansätze. Zudem wird die Absicht der neuen Bundesregierung, den Bürokratieabbau zu fördern und die Informationskosten sowie den Erfüllungsaufwand zu reduzieren, durch viele neue Regulierungen (Quotenregeln und Meldepflichten) unterlaufen. Es fehlen ein quantitatives Abbauziel sowie konkrete Maßnahmen, wie zum Beispiel die längst überfällige Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen.”

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