Sehr geehrter Herr Haberbeck, leider haben wir aus Ihrem Schreiben nicht den Eindruck gewinnen können, dass Sie sich konstruktiv mit uns streiten wollen, wie Sie uns angekündigt hatten. Ihr Schreiben erweckt eher Eindruck, dass es Ihnen v.a. um eine Abwertung und Diffamierung der Initiative Stadtnatur und unseres Engagements für den Erhalt von Stadtgrün geht.

Ansonsten würden Sie nicht behaupten, wir würden fordern, „dass Städte gleichermaßen für Insekten, Vögel, Schnecken und Menschen, die am liebsten in der freien Natur leben, gebaut werden“ sollen, wir seien von „selektiv affektgetriebenen Bewertungen“ gesteuert, wir könnten „vielfältige Gründe nicht bedenken“ und hätten „auch Schwierigkeiten beim Lesen von Zeichnungen“, wobei doch ein „Laie die Qualität des schlüssigen Bebauungsplanes erkennen“ müsse.

Offensichtlich haben Sie sich mit unseren vielfältigen Argumentationen inhaltlich nicht beschäftigt. Sie liefern zumindest inhaltlich keinen Beitrag, indem Sie z.B. Argumente bezüglich zu erwartender Aufheizung, bezüglich der schlechten Grünflächenversorgung im Umfeld oder bezüglich der artenschutzrechtlich einschlägigen Verbotstatbestände aufführen. Somit ist es uns nicht möglich, uns mit Ihnen überhaupt zu streiten.

Wir wissen nicht, ob Sie sich mit der Stadtklimaanalyse auskennen. Die Stadtklimaanalyse hat sehr eindrücklich ermittelt, wie wichtig der Erhalt von Grünflächen und insbesondere von Bäumen für die Kühlung in der Stadt ist. Diese Stadtklimaanalyse misst dieser konkreten Grünfläche innerhalb des Bebauungsplans Nr. 468 eine hohe klimarelevante Bedeutung zu. Ihr Schreiben legt die Vermutung nahe, dass Sie sich mit der Stadtklimaanalyse (und anderen klimarelevanten Fragestellungen) eher noch nicht beschäftigt haben.

Dass der schmale Gehölzstreifen, auf den Sie verweisen, kein „Klimawäldchen“ sein kann, liegt auf der Hand. Dies ist ein typisches Beispiel für das Greenwashing, mit dem wir in der Stadtbaupolitik und bei Behörden und deren Auftragnehmern ständig konfrontiert sind. Für eine positive Auswirkung auf das Stadtklima brauchen wir den Erhalt von Grünflächen und Brachen, so wie es die Stadtklimaanalyse in ihren Planungshinweisen vorgibt, und keine kümmerlichen Neupflanzungen, die als Klimawäldchen gepriesen werden.

Wir hatten in diesem Jahr den heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnung und können uns diese Grünverluste mit gravierenden lokalklimatischen Auswirkungen einfach nicht mehr leisten. Die städtische Biodiversität ist hochgradig gefährdet – und das betrifft nicht nur Insekten und Brutvögel. Doch in erster Linie ist der Erhalt der Grünflächen für uns und unsere Gesundheit essenziell. Darüber hinaus brauchen wir auch Retentionsräume für die Starkregenereignisse.

Unmittelbar angrenzend haben wir bereits Grünflächen durch den Bebauungsplan „Perthesstraße“ sowie an der Langen Straße und an der Heinrichstraße verloren und verlieren aktuell die an den Gerichtsweg angrenzenden Flächen des Lene-Voigt-Parks an ein riesiges Bauvorhaben. Und das, obwohl die Grünflächenversorgung hier im Umfeld überaus schlecht ist. Laut Angaben der Stadt beträgt sie maximal 6 m² pro Kopf, obwohl der Richtwert 13 m² pro Kopf vorsieht.

Laut ehrenamtlicher Ermittlung durch den Naturschutzbund hat die Stadt Leipzig allein im Jahr 2016 ca. 50 ha Grünflächen verloren. Und seitdem beschleunigen sich die Verluste von Jahr zu Jahr immens.

Diese Sachverhalte sind eigentlich hinlänglich bekannt und auch dokumentiert. Ihr Schreiben zeigt, dass Sie dies aber offenbar nicht zur Kenntnis genommen haben, was wir sehr bedauerlich finden.

Wir hoffen dennoch, davon ausgehen zu können, dass auch für Sie Natur und Grün in Ihrem Umfeld nicht völlig unwesentlich sind und dass auch Sie wissen, wie wichtig der Beitrag von Grün, Bäumen und Vogelgesang für die Gesundheit ist.

Daher erhoffen wir uns von Ihnen mehr Verständnis für Menschen, die von Hitze und fehlendem Grün betroffen sind, und mehr Verständnis für den Erhalt von Natur in der Stadt insgesamt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Freundliche Grüße

Tanja Kuhnt
Kristine Wiesner
Oliver Löffler
Wiebke Engelsing
Axel Schmoll
Grit Müller

für die Initiative Stadtnatur

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