Mit Interesse verfolge ich Ihre Veröffentlichungen zum Thema Ukraine – jetzt speziell zu den „offenen Briefen“, die an Herrn Bundeskanzler Olaf Scholz gerichtet wurden. Manches weiß EMMA besser, aber nicht alles. In der aktuellen Ukraine-Debatte werden die gängigen Grundmuster deutscher Befindlichkeit reichhaltig bedient. Die Mixtur enthält viel German Angst, Mangel an Empathie und absurde Geschichtsklitterung, wie der Vorwurf des Militarismus durch Herrn Mützenich.
Gegenüber den vermeintlich bösen Militaristen stehen die vermeintlich guten Pazifisten. Schwarz-Weiß-Diskussionen nach deutschem Gusto in Verkennung der Wirklichkeit. Vom Pazifismus bewegt, schreiben jetzt selbsternannte Sprecher einer friedensverwöhnten Nachkriegsgeneration „offene Briefe“.
Die Erzählungen der Eltern- und Großelterngeneration von Schrecken und Gräueln des Krieges und in gleicher Weise die einschlägigen Pseudo-Dokus zur Geschichte in medialer Dauerschleife als billige Unterhaltung scheinen ein Bedürfnis zu wecken, auf das der gelebte und gefühlte Pazifismus die passende Antwort zu geben scheint.
Die „offenen Briefe“ mit pazifistischer Konnotation haben allerdings eine fatale Tendenz. Die Aussagen bleiben weitgehend vage, offen und erklärungsbedürftig. Wenngleich es an Klarheit fehlt, ist nicht zu verkennen, dass zwischen den Zeilen etwas transportiert wird: die wohlbekannte Russen-Romantik mit dem Wunsch einer deutsch-russische Freundschaft als Gegenentwurf zum Westen. Der Pazifismus als Etikett und Mittel der Selbsterhöhung dient in diesem Zusammenhang nur dazu, den Anschein zu erwecken, auf der „richtigen Seite der Geschichte“ zu stehen. Das dürfte allerdings ein Irrtum sein.
Chamberlain meinte 1938 mit der „Münchner Konferenz“ ein Ergebnis erzielt zu haben, welches den Frieden sichert. Nach der Annexion von Böhmen und Mähren werde der aggressive Diktator gesättigt sein und von weiteren Schandtaten absehen. Ein Irrtum wie sich herausstellte. Churchill korrigierte später diese Politik. Das Friedensprojekt „Europäische Union“ und die Stärkung der Demokratie sind auch ein Resultat seiner Politik, die jenseits von Appeasement und Pazifismus bessere Antworten gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Lüder Stipulkowski
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