Hinweis der Redaktion: Gestern berichteten wir darüber, dass im BMW-Werk Leipzig die Produktion fortgesetzt wird. Heute erreichte uns ein anonymer Brief einer Frau eines BMW-Mitarbeiters, dessen Wahrheitsgehalt wir nicht ganz abschließend kontrollieren können. Doch er klingt plausibel, weshalb wir ihn hier veröffentlichen. Zugleich widerspricht er Darstellungen des BMW-Pressesprechers Julian Friedrich, da er die Situation aus der Sicht eines von mehreren tausend Werksarbeitern am Band schildert.
„Sehr geehrte Redaktion, gestern berichteten Sie über einen Corona-Fall im Leipziger BMW-Werk und zitierten in diesem Zusammenhang den Pressesprecher Julian Friedrich. Ich würde Friedrichs Darstellung gern die Erfahrungen meines Lebensgefährten gegenüberstellen, der im BMW-Werk arbeitet und die Situation gänzlich anders erlebt.
Es mag sein, dass in der BMW-Verwaltung inzwischen auf Skype-Konferenzen von Zimmer zu Zimmer umgestellt wurde. Die Werksmitarbeiter in der Produktion arbeiten aber nach wie vor mit 30 cm Abstand am Band. Auch beim Dreischichtenmodell arbeiten bei insgesamt 4.000 Mitarbeitern zeitgleich immer mehr als 1.000 Menschen in den Produktionshallen. Die Hygienemaßnahmen beschränken sich auf das Bereitstellen von Flaschen mit Desinfektionsmitteln.
Mundschutz oder Desinfektionsspender, die nicht berührt werden müssen, gibt es nicht. In der Kantine ist der Schutz ebenfalls unzureichend. Bspw. steht das Dessert weiterhin offen und ungeschützt. Alle Schichten finden in vollem zeitlichem Umfang statt. Sogar die Anlernung von Mitarbeitern durch andere ist weiterhin gegeben – und damit ein direkter Kontakt unvermeidbar.
Mir ist bewusst, dass ein Produktionsstopp ein finanzielles Risiko darstellt. Trotzdem finde ich es unverantwortlich, welchen Risiken die Mitarbeiter ausgesetzt sind. Zumal Konkurrenten wie VW heute aus denselben Gründen die Produktion an manchen Standorten einstellen.
Während ich selbst dazu gezwungen bin, im Homeoffice zu arbeiten, Veranstaltungen abzusagen, Freunden und Verwandten aus dem Weg zu gehen und meinen Sportkurs auszusetzen, arbeitet mein Lebensgefährte jeden Tag in einer Halle mit über 1000 Menschen zusammen. Wie können alle Vorsichtsmaßnahmen, die die Bundesregierung gestern erlassen hat, unter solchen Umständen noch eine Wirkung entwickeln?
Ich mache mir Sorgen, nicht nur um meine Gesundheit und die Gesundheit meines Lebensgefährten, sondern auch um die Möglichkeiten zur Eindämmung des Virus. Daher würde ich mir wünschen, dass über diese Umstände nicht nur aus der Perspektive des BMW-Pressesprechers berichtet wird.
Bitte verstehen Sie, dass ich anonym bleiben möchte, um meinen Lebensgefährten zu schützen, der qua Arbeitsvertrag keine werksinternen Informationen nach Außen tragen darf.“
Coronavirus in Leipzig: Eine Infektion unter 8.000 Menschen bei BMW
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