Das Versandzentrum in Bad Hersfeld hat in der letzten Nacht mit einem Streik vorgelegt, der Standort Leipzig zieht am heutigen 8. Dezember, 14:30 Uhr nach. Der Konflikt ist der immer gleiche. Amazon akzeptiert bislang keine tariflichen Vereinbarungen und Ver.di hat längst begonnen, einzelne Verbesserungen durch Arbeitsniederlegungen erstreiten zu wollen. Denn obwohl das Ziel der höheren Tarifvereinbarung steht, verweist man heute auch auf bereits Erreichtes. Amazon hatte hingegen versucht, durch die mittlerweile übliche Anwerbung von bis zu 1.500 Saisonkräfte am 18. November frühzeitig für das Weihnachtsgeschäft 2014 gegenzusteuern. Dass es zu Streiks kommen würde, war beiden Seiten also klar.
Auch die L-IZ hatte am 18. 11. einen deutlich Presse-Aufruf seitens Amazon erhalten. In diesem hatte das Unternehmen mit Hauptsitz in Luxemburg die Arbeit in den Versandzentren angepriesen. “Bewerber erwartet ein modernes, sicheres Umfeld, ein gutes Arbeitsklima und faire Bezahlung: Saisonkräfte verdienen den gleichen Basislohn wie festangestellte Mitarbeiter. Dieser liegt bei umgerechnet 9,75 ? brutto pro Stunde am Standort Leipzig.” Zudem gäbe es gesundes Essen, eine gute Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und somit würde man hier ” … auch Langzeitarbeitslosen eine Möglichkeit zum Wiedereinstieg in die Arbeitswelt.” verschaffen.
Dietmar Jüngling, Geschäftsführer, offizieller Sprachgebrauch “Standortleiter” des Leipziger Logistikzentrums am gleichen Tag: “Wir haben uns in der Weihnachtszeit bereits um Hunderte Mitarbeiter verstärkt. Die Unterstützung während der Hochsaison wird sehr geschätzt”. Nach eigenen Angaben beschäftigt Amazon am Standort Leipzig ganzjährig 9.000 feste Angestellte zu hochgerechnet 1.560 Euro brutto monatlich bei einer 40-Stundenwoche ohne Zuschläge.
Es scheint also eitel Sonnenschein im 75.000 Quadratmeter großen Leipziger Logistikzentrum in der Amazonstraße 1 zu herrschen, so der Eindruck von Amazon selbst. Wenn da nicht die immer wieder aufkommenden Streiks wären. Ver.di ist seit einem Jahr mit dem Ziel angetreten, Amazon zu Tarifverhandlungen zu den Bedingungen des Einzelhandels zu bewegen.
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Der Versandriese lehnt dies immer wieder ab, man sieht sich in der Logistiksparte zu Hause. Doch dass ist längst nicht mehr Amazons einziges Problem. Die “Welt” berichtete jüngst von einem durchschnittlichen Krankenstand von 11 Prozent über alle deutschen Standorte hinweg.
Zurückführen könnte man dies auf die durchaus anstrengende Arbeit in den Versandzentren.
Die Leipziger Streikleitung von Ver.di formuliert den Anspruch heute nochmals so: “Amazon ist nicht tarifgebunden und weigert sich, Verhandlungen über einen Tarifvertrag aufzunehmen. Im letzten Jahr wurde zum ersten Mal ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400 ? für die Mitarbeiter des Versandzentrums gezahlt. Es gibt kein Urlaubsgeld, außerdem werden Nachtarbeitszuschläge erst ab Mitternacht gezahlt.”
Dass es überhaupt zu dieser Zahlung gekommen ist, sieht die Gewerkschaft als ihren Verdienst. “Alle Veränderungen in der Bezahlung sind jeweils nach oder kurz vor Streiks gelaufen. Wenn wir auch noch keinen Tarifvertrag haben, so haben die bisherigen Streiks aber schon viel bewegt”, so Thomas Schneider, Streikleiter in Leipzig.
Hinzu kommt die nicht abreißende Kritik an den Steueroptimierungsmodellen Amazons, welche sicherstellen, dass Unternehmenssteuern vor allem in Luxemburg und dort in extrem geringer Höhe von rund einem Prozent anfallen.
Könnte der Versandhändler also zumindest mehr Löhne zahlen? Ver.di sagt ja und versucht dies nun im Weihnachtsgeschäft zu diskutieren. “Nach dem Tarifabschluss im Versandhandel müsste das Einstiegsgehalt bei Amazon 11,21 ? betragen, für die eingearbeiteten Mitarbeiter/Innen fordern wir 11,98 ?, das sind die branchenüblichen Löhne”, fast Schneider die Gehaltsforderungen zusammen. Ohne Zuschläge würde dann ein Monatslohn von 1.916,80 Euro brutto als Einstiegsgehalt entstehen.
Derzeit gehen seriöse Berechnungen davon aus, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer erst ab Löhnen oberhalb von heute rund 1.800 Euro brutto durch eigene Vorsorge und Renteneinzahlungen sozialen Härten im Alter entgegenwirken kann. Darunter droht Altersarmut und eine perspektivische Umverteilung der heutigen geringen Löhne auf die späteren Sozialetats und damit auf die Schultern der jüngeren und kommenden Steuerzahler. Nicht in Luxemburg, sondern in Deutschland.
Derzeit ist also als Auftakt die Spätschicht bei Amazon Leipzig zum Streik aufgerufen.
Vom 9. November auf Sueddeutsche.de
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