Liebe Leipziger Zeitung, heute ist es also an der Zeit, Abschied zu nehmen. Streng genommen ja nur von der Druckerei und der Deutschen Post, aber Abschied ist nun mal Abschied, hier vom gedruckten Pressewesen. So geht die Zeit dahin, könnte man sagen, die Welt ist im Wandel als Tolkien-Nerd nachschieben. Dennoch bleibt ein kleines Weh und Ach klanglos in meiner kleinen Dachkemenate hängen: Hab ich etwas falsch gemacht? Nicht zielgruppengenau satiriert? Zu wenig polemisch gar dem sinkenden Papier-Leserkreis den Spiegel in den Allerwertesten gerammt?
Vielleicht waren es ja in der Rückschau die vielen Klimakrisenthemen, die mich im hohen Alter noch immer morgendlich in die Hauspantinen treiben? Das könnte es sein: Wer will schon ständig dem Tod in die zorngerötete Fratze lächeln?
Wo bleibt denn da die PS-gestärkte Lebensfreude mit wehendem Haar und Standblinker links bei 200 km/h auf der Autobahn, wenn einem ständig der ausgestreckte Moralfinger in den wulstigen Wohlstandsnacken piekt? Oder das selig-wanstige Völlegefühl eines komplett überfressenen Abends und dann stolpert das innere Auge über eine Ilse, die mal wieder eine furzende Billigsau durch die Zeitungsspalte keilt?
Vorbei. Die Ruhe kehrt wieder, der Frühling naht und eine Zeit voller Freude lauert am Horizont, frei von Mahnung und drohender Unbill. Uns allen nur das Beste, es wird schon gut ausgehen. Vielleicht. Aber zumindest haben wir bis dahin noch einmal prall und glücklich gelebt. Was jeder eben so unter „Glück“ zwischen Zweitwagen, Amazon-Powershopping und Kreuzschifffahrt versteht.
Ganz gleich, was kommt, eines weiß Eure Ilse jetzt schon: Die Ilse hat ihre Schuldigkeit getan und kann gehen. Und steht nachher zum Ausheulen nicht zur Verfügung.
Der Artikel „Abschied“ erschien erstmals am 31. März 2023 in der aktuellen Printausgabe 111 der Leipziger Zeitung (LZ) und letztmals in dieser Form.
Keine Kommentare bisher