„Sehr geehrter Herr Verwaltungsdirektor, hiermit beantrage ich eine Lohnangleichung. Mein Einkommen als Krankenschwester liegt 300 Euro brutto unter dem meiner männlichen Kollegen. Deshalb beantrage ich …“ - Schwester Brunhilde – sag einfach Bruni – arbeitet nämlich in einer Klinik, die leistungsgerecht entlohnt, wie es in der Stellenanzeige geheißen hatte, das heißt übersetzt: weit unter Tarif. Wenige Tage, nachdem sie ihren Antrag auf Gehaltserhöhung eingereicht hatte, kam die unmissverständliche Ablehnung.

Jeglicher Schriftverkehr müsse ab jetzt in genderneutraler Sprache erfolgen. Insofern könne der Antrag leider nicht bearbeitet werden.

„Sehr geehrte(r) Herr*in Verwaltungsdirektor_In (w/m/d),

hiermit beantrage ich (w) eine Lohnangleichung. Mein Einkommen als Krankenschwester_In liegt 300 Euro brutto unter dem meiner (w) männlichInnen KollegInnen. Deshalb…“

Wenige Tage, nachdem Schwester Brunhilde – sag einfach mal Bruni – die genderneutrale Fassung ihres Antrages eingereicht hatte, kam die unmissverständliche Ablehnung. Das Schreiben verstoße weiterhin gegen die Genderneutralität, denn es nennt trotz Genderstern und –gap, die ja immer hintenangestellt sind, stets die männliche Form zuerst, sodass der Gleichberechtigungsgrundsatz verletzt wird.

Richtig! Zunächst liest es sich „Krankenschwester“. Erst nach der breiten Lücke, dem Gender-Gap, welches gewöhnlich durch ein Ähm oder lustvolles Stöhnen verbalisiert wird und bei Kalle aus der Gartenkneipe Südvorstadt auch als geräuschvolles Aufstoßen hellblonden Gestensafts Bekanntheit erlangte, ja erst nach dieser Lücke tritt die weibliche Form zutage, nämlich „Krankenschwesterin“. Das geht so nicht! Ist diskriminierend, ausgrenzend, irgendwie rechtslastig.

Kalle, da kannste aufstoßen, bis die ganze Kneipe süßlich riecht. So isses numal! Denn sollte nicht besser erst nach der weiblichen Form die männliche folgen? Sie könnte doch ganz einfach durch nachgestellte Verkürzung aus jener heraustreten. Dem Sternchen folgt somit der Kastratenschnitt. Toll, nicht? Also: Schwesterin Gap in (wieder durchgestrichen). Bliebe nach Adam Riese nach dem Gap nur noch „Schwester“, also die männliche Form. Das liest sich dann so: Schwesterin-ähm-Schwester Brunhilde – sag einfach Bruni zu mir –, ja genau die änderte also das Schreiben zum dritten Mal.

Wenige Tage, nachdem Schwester Brunhilde – sag jetzt sofort Bruni – bei ihrem Arbeitgeber die völlig entgenderte Fassung ihres Antrages eingereicht hatte, kam die unmissverständliche Ablehnung. So wie der Antrag entgendert, war Brunhilde entgeistert: Zu spät; das Budget für nächstes Jahr sei nun bereits verplant. Vielleicht in einem Jahr wieder probieren. Und vor allem störe ihr gewerkschaftliches Engagement um den Tarifvertrag den Betriebsfrieden. Danke für ihr Verständnis.

Da kochte Brunhilde vor Wut, zunächst das Abendessen für ihren Mann Kalle und den Sohn, ging dann zu Betriebsrat und Verdi-Anwalt. Ja, warum verdienen wir Frauen immer noch viel weniger als die Männer, haben schlechtere Aufstiegschancen? Der Anwalt las das Schreiben gründlich durch:

„…als KrankInnenschwesterin / KrankschwesterIn / KrankInnenschwester / Krankschwester (w/m/d) 300 Eura/Euri/Euro britta/britt/brutto unter dem meiner (w/m/d) männlichInnen und Gap Innen durchgestrichen KollegInnen liegt…“. Hm, murmelte er, aus dem Schreiben geht die Problematik nicht hervor. Wir können nicht gegen etwas Klage erheben, was gar nicht existent ist.

Nach dem Dienst pfiff Brunhilde – sag einfach Bruni – beim Hausputz ein Liedchen vor sich hin, erleichtert darüber, dass die Diskriminierung der Frauen von nun an den alten finsteren Zeiten angehört.

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