Der sรคchsische Europaabgeordnete Matthias Ecke und ich hatten uns fรผr den 13. Mรคrz in seinem Abgeordnetenbรผro in Strasbourg zu einem Gesprรคch verabredet. Unsere Themen waren: Was bedeutet Europapolitik fรผr Sachsen, was ist das Europรคische Semester und was wurde mit dem Aktionsplan fรผr die Automobilindustrie festgelegt?

Herr Ecke, Sie sind Abgeordneter im Europรคischen Parlament fรผr die SPD, in der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europรคischen Parlament. Und Sie sind im Ausschuss fรผr Industrie, Forschung, Energie, im Unterausschuss fรผr Steuerfragen und im Ausschuss fรผr Wirtschaft und Wรคhrung und Vertreter im Ausschuss fรผr regionale Entwicklung. Sie sind ja in Sachsen gewรคhlt. Zuerst die Frage: Was bedeutet es fรผr Sie, die SPD und Sachsen im Europaparlament zu vertreten?

Es ist vor allem die Mรถglichkeit, dass wir hier im Europaparlament, das ist ja quasi die Essenz des europรคischen Gedankens, Konflikte gemeinsam friedlich und demokratisch lรถsen, dass man gemeinsam Europa stรคrker macht, indem man sagt, man nimmt die Stรคrken der ganzen Nationalstaaten zusammen und schafft sich gegenseitig auch Unterstรผtzung und Mehrwert.

Und wir sehen ja gerade in einer Welt, die immer feindseliger wird und wo es fรผr Europa nicht so einfach ist, dass sich einzelne Nationalstaaten gar nicht mehr behaupten kรถnnten. Da ist es wichtig, dass wir als EU zusammenstehen. Und gleichzeitig ist es aber auch so: Natรผrlich haben wir unterschiedliche Vorstellungen davon, wohin es mit der EU gehen soll und was fรผr Politik die richtige ist fรผr Europa. Und die bringen wir hier miteinander im Wettstreit, so wie es in jedem Parlament, im Bund, im Land, รผberall auch ist.

Matthias Ecke in der Diskussion des Europaparlaments zum Europรคischen Semester. Foto: Thomas Kรถhler
Matthias Ecke in der Diskussion des Europaparlaments zmu Europรคischen Semester. Foto: Thomas Kรถhler

Wie macht man das als Europaabgeordneter? Sie sind mal in Brรผssel, mal in StraรŸburg, leidet da das Familienleben?

Na ja, ich lebe mit meiner Frau und meinen beiden Tรถchtern in Dresden und da bin ich auch jedes Wochenende. Unter der Woche bin ich halt oft unterwegs. Das ist nicht schรถn, aber wir haben einen Weg gefunden, wie wir es organisieren. Und mir ist aber wichtig, dass ich auch immer wieder da bin. Und da kriegt man natรผrlich, wenn man kleine Kinder hat, vom Alltag vielleicht sogar noch ein bisschen mehr mit, als wenn man nur in Brรผssel ist.

Diese Woche war ja schon einiges auf dem Programm. Die Roadmap Womenโ€™s Right, das Europรคische Semester fรผr wirtschaftliche Koordinierung und der Aktionsplan fรผr die Automobilindustrie nur als Beispiele genannt. Das Europรคische Semester, was ist das eigentlich?

Da geht es darum, dass die EU-Mitgliedstaaten ja alle eine eigene Wirtschafts- und auch Finanzpolitik machen. Also alle einen eigenen Haushalt aufstellen, Schulden aufnehmen oder Schulden zurรผckzahlen. Da wir aber eine gemeinsame Wรคhrung haben, den Euro, zumindest die allermeisten EU-Staaten, sind unsere Wirtschaften ja auch aufeinander angewiesen und unsere Finanzpolitik ist miteinander verknรผpft.

Das europรคische Semester hat den Anspruch, dass man diese Politik besser miteinander koordinieren kann. Deswegen machen die Mitgliedstaaten Plรคne, wie ihr Haushalt strukturiert ist, was sie vorhaben, und geben diese an die Kommission. Die Kommission bewertet das, bringt das in den ganzen Ausgleich und gibt dann auch lรคnderspezifische Empfehlungen ab. Wir haben ja auch EU-Schuldenregeln, die es Lรคndern unmรถglich machen, รผber einen lรคngeren Zeitraum ein bestimmtes MaรŸ an Schulden zu รผberschreiten.

Das haben wir vor einem Jahr erst reformiert, weil das alte System nicht mehr funktioniert hat. Und jetzt geht es auch darum: Hat sich das bewรคhrt, wie lรคuft das? Und darรผber haben wir heute diskutiert im Parlament.

Matthias Ecke. Foto: Thomas Kรถhler
Gesprรคch mit Matthias Ecke. Foto: Thomas Kรถhler

Die Diskussion war ja durchaus kontrรคr, es gab ja verschiedene Stimmen. Wie ist denn so jetzt generell die Stimmung zu gemeinsamen Projekten? Findet man noch einen Konsens?

Klar findet man einen Konsens. Aber es gibt natรผrlich auch groรŸe Diskrepanzen, weil das hier ist ein Parlament, das ist ein politischer Raum und hier ringen ja unterschiedliche Ideen miteinander. Gerade wenn es um Fragen geht wie: Was machen Nationalstaaten eigentlich mit ihrem Geld, wo investieren sie, wo sparen sie, wie steht das alles miteinander im Zusammenhang?

Da werden ja ganz viele Wertefragen verhandelt. Wenn wir sehen, was gerade in Deutschland passiert, dass man nach vielen Jahren sagt: Die Schuldenbremse ist uns doch zu eng und es ist vielleicht auch eine kleine Zwangsjacke. Die deutsche Schuldenbremse ist im รœbrigen strenger als die europรคischen Regeln, also die hindert uns stรคrker am Investieren.

Und was wir da gerade machen wollen ist, dass wir sagen, wir mรผssen mehr in Verteidigung investieren, aber gleichzeitig wollen wir auch in Infrastruktur investieren, in Krankenhรคuser, Schulen, in Wohnungsbau. Und das finde ich erstens den richtigen Weg, das habe ich dann heute auch in meiner Rede deutlich gemacht, dass man nicht das eine gegen das andere ausspielen darf.

Der Aktionsplan fรผr die Automobilindustrie interessiert natรผrlich sehr viele Menschen. Ein Aktionsplan ist ja kein Gesetz, keine Regelung, sondern einfach eine gemeinsame Willensbekundung. Was bedeutet der Aktionsplan eigentlich?

Es gab einen Dialog der neuen EU-Kommission mit der Automobilindustrie und den Gewerkschaften, aber durchaus auch mit Nichtregierungsorganisationen, dass man auch sagt: Wo stehen wir, wie ist die Marktentwicklung, was fรผr Probleme gibt es? Und ja, wir mรผssen uns nichts vormachen, es gibt natรผrlich Probleme in der Autoindustrie in Europa, das spรผren wir in Sachsen, das spรผren wir in Deutschland, aber auch in anderen Teilen Europas.

Wo soll es hingehen, wo ist kรผnftig der Absatzmarkt fรผr europรคische Autos, wie ist die Zukunft der Autoindustrie? Was die Kommission jetzt gemacht hat, ist im Ergebnis dieses Dialogs, einen Aktionsplan vorzuschlagen.

Meiner Einschรคtzung nach geht der in vielen Bereichen schon in die richtige Richtung, aber in manchen ist er nicht entschlossen genug. Die haben den heute vorgestellt und einige dieser Punkte, die sie dort vorgestellt haben, werden dann auch konkret die Gesetzgebung in Europa รคndern. Also beispielsweise haben wir uns lรคnger รผber die sogenannten Flottengrenzwerte unterhalten, also: Was dรผrfen Autos an COโ‚‚ ausstoรŸen? Da wissen wir ja, dass das รผber die Jahre nach unten gehen muss, dass wir auf dem Weg zu Nullemissionsautos sind bis 2035.

Da hat die Kommission jetzt gesagt: Wir finden einen pragmatischen Weg, um zu berechnen, ob die Hersteller diesen Anforderungen nachkommen oder nicht. Wenn sie dem nรคmlich nicht nachkommen, mรผssen sie Strafen zahlen. Den Weg, den die Kommission da eingeschlagen hat, zu sagen, nach 2035 sollen keine Autos mehr in Europa zugelassen werden, die fossile Verbrenner sind, finde ich an sich richtig. Aber auf dem Weg dahin mรผssen wir einen pragmatischen Weg finden.

Matthias Ecke in der Diskussion zum Aktionsplan fรผr die Automobilindustrie. Foto: Thomas Kรถhler
Matthias Ecke wรคhrend der Diskussion zum Aktionsplan fรผr die Automobilindustrie. Foto: Thomas Kรถhler

Wir brauchen zum Beispiel mehr Nachfrageimpulse. Wir verhandeln das ja jetzt auch im Koalitionsvertrag in Berlin, dass man sagt: Solange E-Autos in der Anschaffung noch teurer sind, mรผssen wir diesen Impuls noch ein bisschen abfedern, indem man zum Beispiel Kaufprรคmien macht, indem man wie in Frankreich Leasing fรผr Menschen mit geringem Einkommen anbietet. 

Denn: Mittelfristig wird es gรผnstiger sein, mit Strom zu fahren. Der Strom wird billiger durch die erneuerbaren Energien, Benzin wird teurer werden durch den Emissionshandel. Und unser Ansatz als Sozialdemokraten ist, dass man diese neue Technologie unterstรผtzt und dass man jetzt nicht sagt, nach drei Jahren Puste-Kuchen, es ist jetzt doch nichts, wir machen wieder so weiter wie die letzten 30 Jahre.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das Verbrenner-Aus nicht gekippt? Nur die Abstufung der Flottengrenzwerte in Richtung 2035 hat sich geรคndert?

Noch hat sich nichts geรคndert, die Kommission schlรคgt das vor. Die Kommission muss immer den Gesetzgebungsprozess anstoรŸen. Was sie vorschlagen, ist eine sehr gezielte Anpassung dieses einen Paragrafen in den Flottengrenzwerten, der die Berechnung der Strafzahlung dann regelt. Und die sagen, wir gucken uns das im Dreijahresdurchschnitt an und nicht in einem spezifischen Jahr, das gibt den Herstellern ein bisschen mehr Luft.

Man muss aber natรผrlich sagen: Viele Hersteller haben sich schon darauf eingestellt und haben ihre E-Auto-Flotten besser an den Markt gebracht, haben auch kleinere, preiswertere E-Autos entwickelt, die dann von den Leuten mehr gekauft werden. Und denen wollen wir natรผrlich auch nicht in die Kniekehlen treten. Deswegen geht es darum, dass man jetzt mit so einer pragmatischen Anpassung, das kann man schon machen, das hilft uns auch bei einigen Sorgenkindern in dem Bereich.

Natรผrlich hat VW da zum Beispiel zu tun, Renault hat zu tun, aber die Grundrichtung muss gleich bleiben und da braucht man auch eine gewisse Stabilitรคt, denn: Da ist so viel investiert worden, wenn man sich alleine anguckt, in Sachsen zum Beispiel, in Zwickau gab es eine Riesenumstellung von Verbrenner auf E-Auto-Mobilitรคt. Und wenn man da jetzt sagt: Aus irgendwelchen Grรผnden finden wir das jetzt doch nicht mehr richtig und wir wollen jetzt doch keine Emissionen mehr einsparen im Verkehrssektor, dann hat man da natรผrlich auch viel Geld verbrannt.

Sie sagten in Ihrem Redebeitrag dazu: Wir brauchen einfach kleinere und preiswertere E-Autos. Gibt es da Bestrebungen jetzt durch diesen Aktionsplan?

Fรผr die Palette sind die Hersteller verantwortlich. Aber in dem Moment, wo man sagt, wir schauen uns an, wie viel haben die verkauft und wie viel davon sind E-Autos, so werden ja die Grenzwerte berechnet, da gibt man natรผrlich einen Anreiz an die Hersteller, solche Autos in den Markt zu schieben. Im Zweifelsfall auch mal ein paar Rabatte zu gewรคhren. Das ist schon ein indirekter Druck.

Und das andere, was der Aktionsplan macht, ist: Er gibt einen Rahmen dafรผr, wie man EU-konform auch nationale Mittel einsetzen kann, um den Kauf anzureizen. Zum Beispiel die Umweltprรคmie, die wir hatten in Deutschland, das wird ja in irgendeiner Weise nochmal neu aufgelegt werden, es ist zumindest im Sondierungspapier drin, dass man sagt, man macht das aber auch so, dass das europaweit einen gleichgerichteten Impuls hat.

Dass dann nicht jedes Land etwas fรผr sich macht und dann rechnet sich das quasi gegen und hebt sich auf, sondern wir wollen da einen gemeinsamen europรคischen Impuls haben und das will der Aktionsplan erreichen. Aber da sind wir ehrlich gesagt noch nicht sehr anspruchsvoll gewesen. Da hat die Kommission das doch relativ zaghaft gemacht, das ist auch meine Kritik.

Sie sind im Ausschuss fรผr regionale Entwicklung. Das klingt ein bisschen nach Heimat. Was kann die EU รผberhaupt bspw. fรผr Sachsen tun?

Auch Sachsen ist natรผrlich von der EU-Gesetzgebung berรผhrt, weil ein groรŸer Teil unserer Gesetze, die wir in Deutschland haben, schon von EU-Gesetzgebung vorgeformt ist. Aber im Besonderen ist der Ausschuss fรผr regionale Entwicklung fรผr die Regionalfonds, also fรผr die Strukturfonds der EU zustรคndig. Also quasi fรผr die Fonds, wo die Lรคnder, die Regionen, in unserem Fall die Bundeslรคnder und Brรผssel zusammenarbeiten, um Mehrwert zu schaffen, um Investitionen auch in die Region zu bringen.

Und zwar besonders in die Regionen, die halt nicht zu den Wohlhabenden zรคhlen. Das sind die Regionen, die quasi unter dem EU-Schnitt sind. Wir in Sachsen sind jetzt ein bisschen an der Grenze. Wir haben ja uns gut entwickelt in den letzten Jahrzehnten. Dazu haben diese Gelder aus dem Fonds so viel beigetragen. Mittlerweile sind wir nicht mehr das Hauptzielgebiet. Da reden wir eher รผber Ost- und Sรผdeuropa.

Aber wir haben jetzt in der siebenjรคhrigen Periode, in der wir uns befinden, immer noch mehrere Milliarden Euro nach Sachsen bekommen, die wir auch fรผr Investitionen, fรผr Unternehmen, fรผr Wirtschaftsinfrastruktur, aber auch fรผr den Europรคischen Sozialfonds zum Beispiel, fรผr Weiterbildung usw. nutzen. Und das ist etwas, was wir in diesem Ausschuss gestalten, diese verschiedenen Fonds.

Den Just Transition Fund, also den Fonds fรผr den gerechten รœbergang, den hat man dort auch entwickelt. Da geht es wirklich darum, speziell den Regionen, die aus der Kohle herausgehen oder die halt besonders energieintensive Industrien haben, die auch durch die Klimapolitik sich verรคndern mรผssen, dass man denen unter die Arme greift.

Was wir im Moment machen, ist, dass wir eigentlich dieses ganze Politikmodell der Regionalpolitik an sich schรผtzen wollen, weil die EU-Kommission vorhat, das ziemlich radikal umzukrempeln. Und da bin ich extrem besorgt, weil es gerade vor Ort der Politikbereich ist, den die Leute am stรคrksten direkt wahrnehmen, wo sie auch selber mitgestalten kรถnnen, wo die Ideen aus Sachsen und die Erfahrungen aus Sachsen direkt mit einflieรŸen. Die EU-Kommission stellt sich das halt viel zentralisierter vor und das halte ich fรผr einen groรŸen Fehler.

Letzte Frage: Was kann man als sรคchsischer Abgeordneter im EU-Parlament konkret fรผr Sachsen tun?

Man kann natรผrlich dafรผr sorgen, dass das, was fรผr Sachsen gut ist, dass man das hier mit einbringt. Dass man sagt, okay: Wenn wir jetzt dieses Gesetz machen und das betrifft die ganze EU, aber was bedeutet denn das konkret fรผr uns, fรผr unsere Landschaft, fรผr unsere Wirtschaftsstruktur, fรผr unsere Lebensweise? Und wenn man sagt: Das passt nicht fรผr uns, dass man dann auch Einspruch erhebt. Und dann kann man natรผrlich eng zusammenarbeiten mit den Akteuren vor Ort.

Also das mache ich natรผrlich auch mit der Landesregierung, mit unseren Bundestagsabgeordneten, mit Wirtschaftsvertretern, Gewerkschaften und allen, die in meinen Bereichen unterwegs sind. Und dass man wirklich passgenau einspeist, was die brauchen. Und dann natรผrlich, ja, dann macht man auch Werbung fรผr seine Region und sagt: Guck mal, was bei uns passiert.

Ist ja nicht nur eine schรถne Tourismus-Destination, wie man so schรถn sagt, also nicht nur, dass die Leute da mal hinkommen, sondern Sachsen ist ja auch ein Land, was auch viel zu bieten hat. Hightech, die ganze Halbleiterindustrie ist jetzt was, wo sich viele in Brรผssel anschauen, was da bei uns passiert. Und das ist natรผrlich eine Aufgabe, die wir auch als Europaabgeordnete haben, die ich auch sehr gern wahrnehme, dass man sagt: Hey, guck mal, was bei uns hier in Sachsen passiert.

Herr Ecke, ich bedanke mich fรผr das Gesprรคch.

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Nettes Gefรคlligkeitsinterview. Jedoch hat die hirntote und von einer Autokratin gefรผhrte EU sich dem Militarismus verschrieben, klar sonst steht der Russe nรคchste Woche vor Strasbourg. Wohlstand und Sozialkram passe, dafรผr massiv Geld fรผr Rรผstung (heuer SPD typisch). Fรผr Sachsen gibt es passend militaristisch, rentable Panzerproduktion. Hey, guck mal, wieviel Leute die SPD Schranzen in Sachsen so gewรคhlt haben โ€“ Realitรคtsverweigerung inklusive. Das nรคchste mal dann doch gleich ins Voodoo-Museum. Salut

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