Im 11. Teil des Paris-Tagebuchs standen wir ja schon direkt am Etoile, dem großen "Straßen-Stern" rund um den Triumphbogen. Aber der Arc de Triomphe war nicht nur eine Demonstration und Verherrlichung von (militärischer) Macht und Stärke, das napoleonische, steinerne Muskelspiel hat es auch den beauftragten Künstlern ermöglicht, eindrucksvolle und stimmungsvolle Werke zu erschaffen. In diesem Tagebucheintrag schauen wir genauer auf die Toten und Orte der Kriege - der Pariser Triumphbogen als Mahnmal.

Im letzten Tagebuch haben wir uns ja schon zwei der großen Reliefs an den Außenseiten des Triumphbogens angeschaut. Oberhalb der vier großen Reliefs und an den Seitenwänden des Bauwerks sind sechs weitere Reliefs angebracht, die sich allerdings aufgrund der doch recht großen Entfernung nur schwer im Detail anschauen lassen. Sie tragen Namen wie „Die Schlacht von Aboukir“ (in Ägypten), „Die Einnahme Alexandrias“, „Die Schlacht von Austerlitz“ oder im Bild zu sehen: „Das Begräbnis von General Marceau“. (Sie erinnern sich noch an die Herkunft der 12 Namen der Avenuen am Etoile?)

Die Reliefs oben (hier: „Das Begräbnis von General Marceau“) sind leider nicht so gut zu erkennen. Foto: Patrick Kulow
Die Reliefs oben in 40 Meter Höhe sind leider nicht so gut zu erkennen. Foto: Patrick Kulow

An allen Innenseiten – ziemlich weit oben direkt unter den Bögen – findet man weitere, kleinere Reliefs, die die Orte der größten Militärerfolge zeigen. Hier im Bild sind es die Schlachten des Nordens: Austerlitz, Iéna (Jena, aber das wissen Sie ja schon …), Friedland, Ulm, Wagram und Eylau (Kaliningrad).

Die Orte der größten Militärerfolge der Grande Armée. Foto: Patrick Kulow
Die Orte der größten Militärerfolge der Grande Armée. Foto: Patrick Kulow

Und natürlich geht es bei solch Kriegstreiberei auch immer um Menschen: die daheim Gebliebenen, die Vertriebenen, die Soldaten, … Viele der an die Front Gerufenen sind im Krieg gefallen – ihre Namen wurden mit einem kurzen Unterstrich markiert. Spaltenweise Namen von geehrten Soldaten. Wikipedia verrät, dass es insgesamt 660 sind. Ich habe das jedoch nicht persönlich nachgezählt. Manche von ihnen klingen merkwürdig unfranzösisch, zum Beispiel: Schneider, Schramm, Clarke, Macdonald, Poniatowsky, Klein, Friederichs, Schmitz, Kellermann, Stoltz, … Auch ein italienisch klingender Herr Bartoletti wurde hier verewigt.

Mich macht ein bisschen neugierig – und nachdenklich -, nach welchen Kriterien wohl diese Namen ausgewählt wurden. Sind das alles nur Generäle und andere hohe Offiziere? Irgendwo habe ich vor einiger Zeit mal gelesen, dass von zehn hohen Offizieren fünf zurückkamen, von 100 einfachen Soldaten nur einer. Ob Forscher das so bestätigen würden, weiß ich allerdings nicht.

Wenn man versucht, die gefallenen Soldaten auf Seiten der französischen Armee zusammenzuzählen, dann kommt man laut www.napoleon-online.de auf wenigstens eine halbe Million. Ganz Leipzig. Die beiden größten Schlachten mit den meisten Opfern waren die Schlachten 1813 bei Leipzig und 1815 bei Waterloo. Allein die Völkerschlacht bei Leipzig kostete 84.000 Menschen auf französischer Seite und 54.000 Soldaten der Gegenseite (Russland, Österreich, Preußen und Schweden) das Leben.  Auf den Schlachtfeldern von Waterloo starben nur zwei Jahre später nochmals 70.000 Menschen: 40.000 Franzosen und 30.000 Engländer, Preußen, Belgier, Holländer und Deutsche.

Unvorstellbar.

Für die Namen aller Toten Frankreichs, die in den Kriegen der Napoleonischen Ära ihr Leben ließen, reicht selbst der Triumphbogen nicht aus. Ein paar Ausgewählte haben Platz gefunden. Foto: Patrick Kulow
Für die Namen aller Toten Frankreichs, die in den Kriegen der Napoleonischen Ära ihr Leben ließen, reicht selbst der Triumphbogen nicht aus. Ein paar Ausgewählte haben Platz gefunden. Foto: Patrick Kulow

Zu lesen ist auch (hier im Bild am unteren Bildrand zu sehen), in welchen Armeen und an welchen Orten der Welt diese Soldaten gedient haben.

Zudem gibt es an den Seiten recht groß und auffällig eingravierte Namen von Orten, an denen Schlachten geschlagen wurden. Ihren Weg an die Steinwände haben allerdings nur Schlachten mit erfolgreichem Ausgang (aus Napoleons Sicht) gefunden. Man liest also deutsche Ortsnamen wie Düsseldorf, Bamberg, Altenkirchen, Regensburg, Saalfeld, Halle, Lützen und Lübeck. Nach europäischen Orten wie Heilsberg, Aspern und Teplitz sucht man allerdings vergeblich. Hier hat die französische Armee empfindliche Niederlagen einstecken müssen. Daher wohl verständlich, dass diese Namen nicht auf einem „Triumphbogen“ auftauchen. Da kann man zigmal um die vier Säulen des Turmes herumlaufen, ohne den Ortsnamen „Leipzig“ zu entdecken. Von „Waterloo“ ganz zu schweigen.

An allen vier Säulen: Schlachtenorte der französischen Armee. Äh, nicht alle. Nur die gewonnenen. Leipzig wurde mit der Völkerschlacht also hier nicht verewigt. Foto: Patrick Kulow
An allen vier Säulen: Schlachtenorte der französischen Armee. Äh, nicht alle. Nur die gewonnenen. Leipzig wurde mit der Völkerschlacht also hier nicht verewigt. Foto: Patrick Kulow
An einer anderen Seite sind auch bekanntere Orte zu finden. Foto: Patrick Kulow
An einer anderen Seite sind auch bekanntere Ortsnamen zu lesen. Foto: Patrick Kulow

Damit bleiben zum Schluss noch zwei wichtige und erwähnenswerte Dinge am Triumphbogen, die man nur findet, wenn man nicht immerzu nach oben starrt.

Ehre und Gedenken

Zum einen ist es das Grab des unbekannten Soldaten mit der ewigen Flamme, mit der an die Opfer des Ersten Weltkrieges erinnert werden soll. Nach dem Ende des Krieges beschlossen das Abgeordnetenhaus und der Senat einstimmig, im Panthéon den Leichnam eines nicht identifizierten Soldaten beizusetzen. Aber die Veteranenverbände stellten sich gegen diese Wahl und schlugen den Triumphbogen vor. Und so gibt es hier seit 1921 das Grab, im Jahr 1923 kam die Flamme hinzu. Auf der grauen Platte steht „Hier ruht ein französischer Soldat, gestorben für das Vaterland, 1914 – 1918“.

Das Grab des unbekannten Soldaten mit der ewigen Flamme. Foto: Patrick Kulow
Das Grab des unbekannten Soldaten mit der ewigen Flamme. Foto: Patrick Kulow

Zum anderen sind es viele andere goldglänzende Platten mit Daten verschiedener französischer Ereignisse, die in den Boden eingelassen sind. Ist gar nicht so einfach, diese zu fotografieren, ohne dass ein Schuh eines anderen Triumphbogen-Guckers mit im Bild ist. Es gibt auch eine Platte zur Erinnerung an die Opfer des Widerstands gegen die Deutschen in den Jahren 1939 bis 1945.

Platte zur Erinnerung an die Ausrufung der (Dritten) Französischen Republik im Jahre 1870. Die mittlerweile fünfte Republik besteht seit 1958. Foto: Patrick Kulow
Platte zur Erinnerung an die Ausrufung der (Dritten) Französischen Republik im Jahre 1870. Die mittlerweile fünfte Republik besteht seit 1958. Foto: Patrick Kulow

Seit unserer Ankunft hier am Arc de Triomphe auf dem Place Charles de Gaulle ist nun schon eine gute Stunde vergangen. Ein Aufstieg per Wendeltreppe auf die oben auf dem 50 Meter hohen Betonklotz befindliche Aussichtsplattform reizt uns nicht, wir waren ja gestern grade erst auf dem Eiffelturm. Das heiße Wetter tut seinen Teil dazu, es dürften wohl jetzt über 30 Grad sein, die Vorstellung, dass uns oben die Sonne auf den Kopf kracht, schreckt uns ab. Die Warteschlange an der Kasse und am Eingang zur Wendeltreppe auch. Und wir haben ja noch soviel vor, schließlich wollen wir heute noch bis ans andere Ende der Champs-Elysées kommen.

Sie haben bis dahin allerdings noch ein bisschen Zeit sich auszuruhen. Im nächsten Teil des Urlaubstagebuchs geht es weiter mit unserem Spaziergang die Prachtstraße entlang. Auf jeden Fall können Sie schon mal singen üben: „Aux Champs-Elysées, aux Champs-Elysées, …“ (Karaoke-Version mit französischem Text und englischer Übersetzung: https://www.youtube.com/watch?v=d7-UcdcK4AA).

Wenn Sie sich textsicher fühlen (oder zumindest beschwingt mitzupfeifen vermögen), können Sie im nächsten Teil des Paris-Tagebuches weiterlesen …

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