Die redaktionell völlig unregulierten „Social Media“ sind für viele Zeitgenossen längst zur Informationsquelle Nr. 1 geworden. Doch niemand trennt dort die Spreu vom Weizen, die sachliche Meldung von Fake und Bullshit. Und das kann lebensgefährlich werden, wenn Menschen sich „aus dem Internet“ ihre Informationen und Tipps zur Gesundheit holen und sich von falschen Experten beraten lassen. Die BARMER hat das jetzt einmal untersuchen lassen.

Nicht komplett all den Stoff, den Portale wie X, Youtube, Instagram oder Facebook täglich über die Nutzer auskippen, sondern die verfügbaren Faktenchecks vor allem deutscher Medien, die sich mit den größeren Falschmeldungen beschäftigt haben.

Noch immer Falschdarstellungen zu Covid-19

Im Auftrag der BARMER hat die Custom Content-Redaktion der Deutschen Presse-Agentur untersucht, welche Falschinformationen mit Gesundheitsbezug sich im Jahr 2023 im deutschsprachigen Raum besonders verbreitet haben. Ergebnis: 43 Prozent von 312 untersuchten Faktenchecks beschäftigten sich mit Covid-19.

Dabei ging es insbesondere um Desinformation am Ende der Pandemie, wie etwa über angebliche Impfschäden, plötzliche Todesfälle und mangelhafte Masken. 23 Prozent der Health Fake News fielen in den Themenkomplex Ernährung und Heilmittel.

Bei fast sieben Prozent der untersuchten Falschmeldungen ging es um das Gesundheitssystem. So wurde etwa der Weltgesundheitsorganisation der Versuch einer Machtergreifung unterstellt.

„Das Internet ist voll von Gesundheitsinformationen. Doch nicht alle davon sind korrekt und nicht alle Menschen sind in der Lage, gezielte Falschmeldungen als solche zu erkennen. Das ist ein immer größer werdendes Problem. Denn wenn sie diesen Fake News Glauben schenken und sie verbreiten, dann kann das schwerwiegende Folgen haben“, sagt Sachsens Landesgeschäftsführerin der BARMER, Monika Welfens.

Gefährliche Falschmeldung: Bei einem Herzinfarkt hilft nur Armklopfen

Im schlimmsten Fall könnten Health Fake News lebensgefährlich sein. So habe sich im Februar 2023 ein Video auf Telegram und Facebook verbreitet, das zeige, wie ein Herzinfarkt-Patient durch Schläge in die Ellenbeuge gerettet werde.

„Dieses Video zeigt, wie Sie in Notfallsituationen handeln müssen, um Patienten mit Herzinfarkten (…) Erste Hilfe zu leisten. Viele sterben auf dem Weg ins Krankenhaus“, heißt es darin.

„Das ist eine gefährliche Falschmeldung. Bei einem Herzinfarkt zählt jede Sekunde. Es muss sofort die 112 gewählt werden und bei Herzstillstand bis zum Eintreffen der Rettungskräfte sollten die Ersthelfer ununterbrochen eine Herzdruckmassage durchführen“, so Welfens.

Destabilisierung der Gesellschaft und Geschäftsinteressen

Falschmeldungen habe es schon immer gegeben. So halte sich bis heute die Mär, dass Spinat besonders viel Eisen enthalte. Die Ursache: In der Studie, die den Eisengehalt im Spinat bescheinigte, war eine Dezimalstelle verrutscht. Doch während dieser Irrtum auf einem handwerklichen Fehler ohne bösen Willen beruhe, würden über die gezielte Desinformation im Internet Ziele wie die Destabilisierung der Gesellschaft oder wirtschaftliche Interessen verfolgt.

„Wenn die Menschen aufgrund von Desinformation kein Vertrauen mehr in die Politik und unser Gesundheitssystem haben, dann ist das im hohen Maße problematisch. Deshalb klärt die BARMER bereits seit 2020 systematisch über Fehlinformationen mit Gesundheitsbezug auf und vermittelt Kindern und Jugendlichen digitale Gesundheitskompetenz, damit sie solche Desinformationen im Netz erkennen“, sagt die BARMER-Chefin.

312 Faktenchecks zu Health Fake News wurden analysiert

Für die Analyse wurden 312 Faktenchecks unter die Lupe genommen, die zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2023 von den Online-Plattformen AFP, ARD, BR, Correctiv, Deutsche Welle, dpa, Keystone SDA, Mimikama und SWR3 veröffentlicht. Die Untersuchung spiegelt wider, welche Health Fake News im Jahr 2023 von professionellen Faktencheck-Redaktionen entdeckt und widerlegt wurden.

Da viele Netzwerke und Verbreitungswege nicht öffentlich zugänglich sind, ist eine vollständige Analyse nicht möglich, und die Untersuchung ist kein vollständiges Abbild aller im deutschsprachigen Raum aufgetauchten Falschmeldungen.

Informationen zur Analyse findet man hier.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar