Fragt man Eltern nach dem Stand der kinder- und jugendärztlichen Versorgung in Leipzig, dann bekommt man oft die Antwort, diese wäre schlecht. Lange Wartezeiten, kaum Termine zu bekommen und oft wird gesagt, dass der kinderärztliche Notdienst deshalb in Anspruch genommen wird. Fragt man die Kassenärztliche Vereinigung, bekommt man die Antwort, dass die Anzahl der niedergelassenen Kinderärzte ausreichend ist.
Gemäß der Bedarfsplanung läge sogar eine Überdeckung vor.
Eine Antwort der Stadtverwaltung Leipzig auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke konnte einige Fragen nicht beantworten. Es wurde aber ein Versorgungsgrad von 124,1 % kommuniziert. Bestätigt wurde allerdings: „Eine Befragung der Leipziger Kinderärztinnen und Kinderärzte ergab jedoch, dass bei den vorhandenen Praxen nur wenig Kapazität zur Aufnahme von Neupatienten verfügbar war. Auch die Wartezeiten wurden als verhältnismäßig lang angegeben.“
Wir haben die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) angefragt, erweitert um den Stand der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Antworten sind interessant und an einigen Stellen haben wir das präzisiert. Die Fragen folgen strikt den Kriterien der Bedarfsplanung, diese hier auszuführen, würde den Rahmen sprengen. Anzumerken ist, dass die Bedarfe an pädiatrischen Fachärzten für die Stadt Leipzig, die für die Fachärzte Kinder- und Jugendpsychiatrie für Westsachsen ermittelt werden.
Frage 1: Wie stellt sich der Vergleich Soll- /Ist-Versorgungsniveau für niedergelassene pädiatrische Fachärzte und für niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater im Planungsraum Leipzig, unter besonderer Beachtung des Stadtgebietes dar?
Auf der Basis der Rechtsgrundlagen des § 103 Absatz 1 SGB V i. V. m. der bundesweit geltenden Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ist entsprechend den jeweiligen Beschlüssen des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Freistaat Sachsen der Stand der kinderärztlichen Versorgung im Planungsbereich Leipzig, Stadt in der nachfolgenden Tabelle erfasst:
Die Bedarfsplanungsgruppe der Kinder- und Jugendpsychiater, der die Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie zugeordnet sind, gehört der spezialisierten fachärztlichen Versorgung an.
Der Planungsbereich für diese Versorgungsebene ist entsprechend § 13 Abs. 3 Bedarfsplanungsrichtlinie (BPL-RL) die Raumordnungsregion in der Zuordnung des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Für die Region Leipzig wird demnach der Planungsbereich Westsachsen betrachtet. Die Versorgung ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:
Von den 14,03 bedarfsplanungsrelevanten Stellen im Planungsbereich Westsachsen sind 10,3 auf die Stadt Leipzig verteilt.
Anmerkung: Wir haben beim Amt für Statistik und Wahlen (ASW) der Stadt Leipzig die aktuellen Zahlen zu Kindern und Jugendlichen in Leipzig, nach Stadtbezirken angefragt. In der Statistik gibt es die Anzahl von 0 bis 17 Jahren, nicht wie bei der KVS 0–18 Jahre. Dadurch kann es zu Verschiebungen kommen.
Berechnet man die Bedarfsplanungsgruppe Kinder- und Jugendpsychiater, aus den obigen Angaben für die Stadt Leipzig herunter, dann ergibt sich bei 100.995 Altersgruppe 0–17, bei 10 Kassensitzen ein Versorgungsgrad von 100 %. Es liegt für das Stadtgebiet keine Überdeckung vor, kommen noch eventuelle 17-18-Jährige dazu, da ergibt sich rechnerisch eine Unterdeckung.
Frage 2: Wie hoch ist die Anzahl freier Sitze für beide Gruppen im Stadtgebiet, wenn vorhanden? Welche Gründe für die Nichtbesetzung freier Sitze, wenn vorhanden, liegen nach Ihren Erkenntnissen vor?
Da der Versorgungsgrad bei beiden Arztgruppen über 110 Prozent liegt, unterliegen die Planungsbereiche Zulassungsbeschränkungen. Neue Zulassungen oder Anstellungen sind damit nicht möglich. Ausgenommen davon sind selbstverständlich Praxisübernahmen und Nachbesetzungen.
Der Zulassungsausschuss Ärzte Leipzig hat im Rahmen der Prüfung von Anträgen auf Anstellungen im sog. Sonderbedarf nach § 36 Bedarfsplanungs-Richtlinie einen lokalen Bedarf festgestellt. Eine Befragung der Kinderärzte zeigte, dass bei den vorhandenen Praxen nur wenig Kapazität zur Aufnahme von Neupatienten verfügbar war. Auch die Wartezeiten wurden als verhältnismäßig lang angegeben.
Die Mehrheit der Praxen sprach sich für die Erteilung von weiteren Zulassungen bzw. Anstellungsgenehmigungen aus. Daher hat der Zulassungsausschuss Ärzte Leipzig in der Vergangenheit Sonderbedarfsanstellungen im Fachgebiet Kinderärzte genehmigt.
Anmerkung: Das entspricht inhaltlich der Antwort der Stadtverwaltung, die oben verlinkt ist.
Frage 3: Wie stellt sich die räumliche Verteilung für beide Gruppen im Stadtgebiet dar?
Eine Auswertung auf Ebene der Stadtbezirke ist im Rahmen der Bedarfsplanung nicht vorgesehen, sodass uns hierzu aktuell keine umfassende Auswertung möglich ist. In der Anlage finden Sie eine Übersicht der Ärzte zum Stichtag 01.04.2024, in der der jeweilige Bezirk hinterlegt ist.
Hier können wir helfen, wir haben uns das angeschaut und die Angaben des ASW und der KVS zusammengeführt:
Man kann mit Fug und Recht davon ausgehen, dass eine wohnortnahe Versorgung von den Eltern bevorzugt wird. Das Bild ist selbstverständlich unvollständig, da durch Randlagen, zum Beispiel zwischen West und Alt-West, eine Kinderarztpraxis in Alt-West für Einwohner von West nahe liegt, aber es gibt eklatante Unterschiede in der Versorgung.
In Leipzig-Mitte kommt ein Kinderarzt auf 621 Kinder, in Leipzig West ist das Verhältnis 1/3155. Wenn ein Kassensitz frei wird, dann wird dieser meist am gleichen Ort wieder besetzt, es wird also keine absehbare Veränderung geben.
Für Kinder- und Jugendpsychiater ergibt sich ein ähnliches Bild, in Mitte gibt es acht, in Südost zwei und in Alt-West, Südwest und Ost jeweils einen.
Frage 4: Welchen Einfluss hat die Ermächtigung von Krankenhausärzten, evtl. auch Sonderermächtigung, auf den Versorgungsgrad?
An der vertragsärztlichen Versorgung können auch persönlich ermächtigte Ärzte sowie ermächtigte Einrichtungen teilnehmen. Die Erteilung einer Ermächtigung setzt das Bestehen eines qualitativen oder quantitativen Bedarfs voraus. Persönliche Ermächtigungen können vom Zulassungsausschuss nur dann erteilt werden, wenn entsprechende Versorgungslücken in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung bestehen.
Die Genehmigung für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen der persönlichen Ermächtigung wird nicht nur sachlich und räumlich beschränkt, sondern ist immer befristet zu erteilen, in der Regel für zwei Jahre. Die Bedarfsprüfung erfolgt sowohl bei der Ersterteilung als auch immer bei einem Fortführungsantrag.
Anmerkung: Die Antwort sagt leider nichts über die vorhandene Anzahl von ermächtigten Ärzten aus. Man kann aber davon ausgehen, dass diese wegen rechnerisch mangelnden Bedarfs gering ist.
Frage 5: Welche Möglichkeiten sieht die KV Sachsen um einer, wenn vorhandenen, Unterschreitung des Versorgungsgrades zu begegnen?
Der Versorgungsgrad bei beiden Arztgruppen wird nicht unterschritten.
Frage 6: Sieht die KV Sachsen die Notwendigkeit einer Anpassung des Bedarfsplans, sollte keine Unterschreitung des Versorgungsgrades bestehen?
Die Verhältniszahlen beschreiben das Soll-Versorgungsniveau – Einwohnerzahl pro Arzt – für die jeweilige Arztgruppe. Die Verhältniszahlen wurden vom Gesetzgeber bei der Einführung der Bedarfsplanung auf Grundlage eines historischen Stichtags festgelegt, zu dem das Versorgungsniveau als angemessen bewertet wurde. Für die meisten Arztgruppen ist dies der Stichtag der Einführung der Bedarfsplanung für die jeweilige Gruppe.
Nach der Bedarfsplanungsreform 2019 werden diese Verhältniszahlen nun alle zwei Jahre aufgrund der demografischen Entwicklung angepasst. Darüber hinaus wird das Versorgungsniveau pro Planungsbereich kontinuierlich anhand der jeweils aktuellen Einwohnerzahl fortgeschrieben, und an die regionale Morbiditätsstruktur mittels Korrekturfaktoren angepasst.
Weiterer Anpassungsbedarf wird durch die KV Sachsen bei der Bedarfsplanung nicht gesehen.
Anmerkung: In Kurzfassung, es bleibt grundlegend dabei, dass die Anzahl der Arztsitze in erster Linie von der Anzahl der Kinder abhängig ist. Bei momentan sinkender Geburtenrate (hierzu kann man die Diskussion um die Verringerung von Kita-Plätzen vergleichen) ist eventuell sogar eine Nichtbesetzung frei werdender Kassensitze zu befürchten. Die Berechnung des Morbiditätsfaktors im Bereich Kinder- und Jugendmedizin ist hochkomplex und wie sich Veränderungen dadurch ergeben werden, ist nicht absehbar.
Frage 7: Wie schätzt die KV Sachsen die Effekte der angebotenen telefonischen Terminservicestelle ein?
Der Terminservicestelle der KV Sachsen liegen derzeit 10 Gesuche nach einem Kinderarzttermin vor. Patienten sollten in erster Linie Kinderarzttermine selbst in ihrer Region vereinbaren. Wenn eine Terminvereinbarung nicht in Eigenregie möglich ist, kann die Terminservicestelle der KV Sachsen in Anspruch genommen werden.
An dieser Stelle möchten wir zunächst anmerken, dass die rechtlichen Grundlagen für die Inanspruchnahme der Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen § 75 SGB V und Anlage 28 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (Vereinbarung über die Einrichtung von Terminservicestellen und die Vermittlung von Arztterminen) bilden. Daher erfolgt durch die Terminservicestellen die Unterstützung bei der Suche, jedoch keine direkte Zuweisung zu einem bestimmten Kinderarzt.
Für eine erfolgreiche Vermittlung nehmen mehrere Faktoren Einfluss, beispielsweise Flexibilität in der Zeit, in der Mobilität oder auch die Bereitschaft der Patienten, die angemessene Wegstrecke zum nächsten Kinderarzt in Kauf zu nehmen.
Anmerkung: Die Antwort ist geradezu kryptisch. Letztendlich läuft sie darauf hinaus, dass die „angemessene Wegstrecke“ der entscheidende Faktor für eine Vermittlung – besser Empfehlung – ist. Was angemessen sein könnte, ergibt sich aus den Ausführungen zu Frage 3, der räumlichen Verteilung.
Fazit: Es wird sich in der Kinder- und Jugendärztlichen und -psychiatrischen Versorgung in Leipzig so schnell nichts ändern. Die KVS sieht eine teilweise Überversorgung und die Stadt hat keine Eingriffsmöglichkeiten. Eine grundsätzliche Entscheidung liegt hier auf der Bundesebene, die bundesweit geltenden Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, müssten angepasst werden. Ob das in Zeiten von Einsparungen im Gesundheitswesen geschieht, ist mehr als fraglich.
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