Viele kennen das Gefühl: In der kalten, dunklen Jahreszeit fühlt man sich antriebslos, die Stimmung ist gedrückt. Vom „Winterblues“ ist dann häufig die Rede. Doch was passiert dabei mit Körper und Geist und was kann man dagegen tun? Prof. Dr. Maria Strauß von der Universitätsmedizin Leipzig beantwortet die wichtigsten Fragen zu diesem Thema.
Was passiert mit Körper und Geist des Menschen, wenn er einen „Winterblues“ bekommt und was sind die Ursachen dafür?
Die Ursachen sind sehr komplex und letztendlich nicht gänzlich verstanden. Allerdings gibt es Hinweise dafür, dass der Lichtmangel während der dunklen Jahreszeit eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung eines „Winterblues“ spielt.
Durch den zunehmenden Lichtmangel im Herbst und Winter wird das Schlafhormon Melatonin nicht nur nachts, sondern auch tagsüber vermehrt ausgeschüttet. Dadurch reagiert der Mensch mit Abgeschlagenheit und vermehrter Müdigkeit. Gleichzeitig wird auch weniger Serotonin ausgeschüttet. Letzteres kann unter anderem dazu führen, dass die Stimmung nicht mehr ausgeglichen ist.
Welche Menschen sind besonders gefährdet?
Bei Menschen, die bereits von einer Depression betroffen waren, kann es in der dunklen Jahreszeit zu einem erneuten Auftreten von Symptomen kommen. Auch gibt es Hinweise, dass Menschen mit Verwandten, die zu saisonal bedingten Stimmungsschwankungen neigen, möglicherweise ein höheres Risiko für ein saisonal bedingtes Stimmungstief haben.
Wie kann man einem „Winterblues“ vorbeugen?
Das beste Mittel, um einem „Winterblues“ vorzubeugen, ist Tageslicht. Empfehlenswert sind zum Beispiele tägliche Spaziergänge an der frischen Luft. Aber auch sportliche Aktivitäten, eine angemessene Balance zwischen Stress und Erholungsphasen und regelmäßige soziale Kontakte sind hilfreich. Mit Beginn der dunklen Jahreszeit ändert sich auch der Alltag. Es fallen eine Reihe von Aktivitäten weg, welche im Sommer vorwiegend draußen stattfinden. Eine Umstrukturierung des Alltags mit passenden Aktivitäten für die dunkle Jahreszeit kann vorbeugend wirken.
Schließlich kann dem Lichtmangel mit einer Lichttherapie begegnet werden. Für die Lichttherapie werden spezielle Lampen mit sehr hellem Licht, also mindestens 2500 Lux, besser 10.000 Lux, verwendet, welche täglich für etwa 30 Minuten zum Beispiel auf den Frühstückstisch gestellt werden. Wichtig ist, dass alle paar Sekunden direkt in die Lichtquelle geschaut wird.
Auch wenn es sich beim „Winterblues“ um keine Erkrankung handelt, sollte die Nutzung einer Lichtlampe vorher mit einem Arzt besprochen werden. Ein frühzeitiger Beginn der vorbeugenden Maßnahmen im September/Oktober ist sinnvoll.
Wie erkennt man einen „Winterblues“ überhaupt im Unterschied zur Depression?
Symptome eines „Winterblues“ können ein Stimmungstief, Antriebs- und Lustlosigkeit, vermehrte Erschöpfung, Mattigkeit und Energielosigkeit sein. Ähnliche Symptome können auch bei einer Depression auftreten. Allerdings schwankt die Stimmung bei einem „Winterblues“ nur tageweise, und die Ausprägung ist geringer als bei einer Depression.
Hält die Symptomatik allerdings über mehr als zwei Wochen kontinuierlich an, oder es kommen weitere Symptome wie Hoffnungslosigkeit, Appetitminderung, Schlaflosigkeit, Schuldgefühle oder Suizidgedanken dazu, kann eine Depression vorliegen. In diesen Fällen reichen die Maßnahmen gegen einen „Winterblues“ alleine nicht aus und es sollte zusätzlich die professionelle Hilfe eines Arztes oder psychologischen Psychotherapeuten in Anspruch genommen werden.
Was ist Ihr aktueller Forschungsstand zum Thema „Winterblues“?
Letztlich ist der Mechanismus nicht gänzlich verstanden. Wir wissen aber, dass Tageslicht eine wichtige Rolle spielt. Unsere Forschungsanliegen sind, die neurobiologischen Zusammenhänge auf Neurotransmitter-Ebene besser zu verstehen und hier zum Beispiel Marker zu finden, zum Beispiel in der Elektroenzephalografie oder Bildgebung, um zwischen „Winterblues“ und Depression besser unterscheiden zu können.
(Die Elektroenzephalografie, kurz EEG, ist ein neurologisches Diagnoseverfahren zur Erfassung von elektrischen Strömen des Gehirns.)
Das Interview führte die Medienredaktion der Uni Leipzig.
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