Eigentlich würde man solche Studien, wie sie die DAK am Donnerstag, 14. März, vorlegte, von Landes- und Bundesregierungen erwarten. Auch im Zusammenhang mit der wirklich fürchterlichen Diskussion um die heutigen Gesundheitskosten und ihre Ursachen. Aus dem „Gesundheitsreport“ der Stadt Leipzig kennt man einige dieser Zahlen. Aber der Bundesvergleich oder der zwischen Stadt und Land führt zu einigen heftigen Aha-Effekten. Denn Sachsens Kinder sind häufiger krank.

Neurodermitis, Asthma, Heuschnupfen – in Sachsen ist fast jedes dritte Kind körperlich chronisch krank (30 Prozent). Zwischen Stadt- und Landkindern gibt es große Unterschiede. Das sind zwei Ergebnisse aus dem neuen Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit, für den die Krankenkasse Versichertendaten von rund 15.000 Kindern im Freistaat ausgewertet hat.

Laut Studie sind neun von zehn Jungen und Mädchen mindestens einmal im Jahr beim Arzt oder im Krankenhaus. Und dabei zeigt sich: Bereits Schulkinder leiden unter krankhaftem Übergewicht und Rückenschmerzen. Als Konsequenz will die DAK-Gesundheit jetzt ihre Präventionskampagne „fit4future“ – eine gemeinsame Initiative mit der Cleven-Stiftung für mehr Bewegung, gesunde Ernährung und Stressbewältigung – ausweiten.

Sachsen weicht negativ vom Bundesdurchschnitt ab

Im Auftrag der DAK-Gesundheit untersuchte die Universität Bielefeld umfassend die Gesundheits- und Versorgungssituation von Jungen und Mädchen in Sachsen. Die repräsentative Studie mit Abrechnungsdaten aus dem Jahr 2016 liefert erstmals systematische Analysen zum Erkrankungsgeschehen bei Kindern.

„Wir wollen die gesundheitliche Situation von Kindern besser verstehen und sie verstärkt in die politische Diskussion rücken“, sagt Christine Enenkel, Leiterin der DAK-Landesvertretung Sachsen.

Die sächsischen Abweichungen vom Bundesdurchschnitt. Grafik: DAK
Die sächsischen Abweichungen vom Bundesdurchschnitt. Grafik: DAK

In Sachsen ist fast jedes dritte Kind körperlich chronisch krank. Jungen sind etwas häufiger betroffen als Mädchen. Der Kinder- und Jugendreport wertet 14 verschiedene Erkrankungen aus, die potenziell einen chronischen Verlauf nehmen können. Am häufigsten sind Neurodermitis und Asthma, gefolgt von Heuschnupfen und Entzündungen des Magen-Darm-Traktes.

„Das sind Erkrankungen, die eine bedeutende Beeinträchtigung des Alltags für Kinder und Eltern mit sich bringen können“, betont Christine Enenkel. Chronische Leiden sind in Sachsen häufiger als im Bundesdurchschnitt. Das liegt vor allem an Neurodermitis (plus 48 Prozent) und Heuschnupfen (plus 34 Prozent). Depressionen (minus 13 Prozent) werden im Freistaat dagegen seltener festgestellt als im bundesweiten Schnitt.

Folge von Bewegungsarmut: Schon Kinder haben Rückenschmerzen und Knieprobleme

Atemwegserkrankungen stehen insgesamt auf Platz 1 der häufigsten Erkrankungsarten im Kindesalter. Mehr als die Hälfte (61,8 Prozent) aller Jungen und Mädchen in Sachsen leidet mindestens einmal pro Jahr unter einem grippalen Infekt oder einer akuten Bronchitis. In der Häufigkeit dahinter folgen Infektionskrankheiten, Hauterkrankungen, Augenerkrankungen und psychische Leiden. Muskel-Skelett-Probleme wie Rückenschmerzen oder Knieprobleme treten ebenfalls bereits bei jungen Menschen auf. Ab dem zwölften Lebensjahr hat mehr als jeder vierte Jugendliche mindestens einmal im Jahr eine entsprechende Diagnose.

„Das ist alarmierend“, betont Enenkel, „denn frühe Muskel-Skelett-Probleme können im Erwachsenenalter schwere Rückenleiden nach sich ziehen.“

Ein weiteres Leiden, das mit Bewegungsarmut zusammenhängt, ist krankhaftes Übergewicht. Über alle Altersgruppen hinweg sind knapp vier Prozent betroffen, im Alter von zehn bis 14 Jahren 5,2 Prozent.

Wie die Bildung der Eltern die Erkrankungsraten der Kinder beeinflusst. Grafik: DAK
Wie die Bildung der Eltern die Erkrankungsraten der Kinder beeinflusst. Grafik: DAK

In diesem Alter werden für solch verhaltensbezogene Krankheitsbilder die Weichen gestellt“, kommentiert Enenkel die Ergebnisse.

Kinder in Sachsen sind vergleichsweise kränker als im Bundesdurchschnitt. Zwar dominieren dieselben Erkrankungen wie auf Bundesebene, aber der Anteil der betroffenen Kinder ist in vielen Erkrankungsbereichen höher.

„Mit dem Kinder- und Jugendreport liegen nun belastbare Analysen zur regionalen Häufigkeit bestimmter Erkrankungen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt vor“, erklärt Julian Witte von der Universität Bielefeld als Studienautor. „Die Untersuchung im Auftrag der DAK-Gesundheit ist die erste kontinuierliche und erkrankungsübergreifende Analyse von solchen regionalen Abrechnungsdaten einer gesetzlichen Krankenkasse.“

Stadtkinder haben öfter Karies und Depressionen

Der Kinder- und Jugendreport für Sachsen zeigt außerdem, dass Stadtkinder anders krank sind als Gleichaltrige vom Land: Stadtkinder leiden häufiger unter Viruserkrankungen (plus 43 Prozent), Zahnkaries (plus 38 Prozent) oder Depressionen (plus 22 Prozent). Landkinder hingegen haben häufiger Heuschnupfen (plus 20 Prozent).

„Unser Report belegt, dass der Unterschied zwischen Stadt- und Landkindern in Sachen Gesundheit größer ist als gedacht“, betont Christine Enenkel. Das schlägt sich jedoch nicht auf die Ausgaben der Krankenkassen nieder: Diese sind insgesamt vergleichbar hoch. Es gibt jedoch Unterschiede in den einzelnen Versorgungsbereichen. „Am höchsten ist die Differenz im Arzneimittelbereich: Wir haben hier 2016 durchschnittlich für jedes Stadtkind 187 Euro ausgegeben, für jedes Landkind 207 Euro, also elf Prozent mehr.“

Wie sich die Erkrankungszahlen bei Kindern in Stadt und Land unterscheiden. Grafik: DAK
Wie sich die Erkrankungszahlen bei Kindern in Stadt und Land unterscheiden. Grafik: DAK

Dies sei insbesondere auf mehr Verschreibungen von Antibiotika unter Landkindern zurückzuführen. Bei den Stadtkindern lagen die Pro-Kopf-Ausgaben für ambulante Arztbesuche hingegen zehn Prozent höher.

Auch Bildungsabschluss der Eltern beeinflusst Krankheitsgeschichte der Kinder

Die oben erwähnten Ergebnisse für stadt- und Landkinder haben auch etwas mit den unterschiedlichen Befunden aus bildungsfernen und bildungsnahen Familien zu tun. Auch das bestätigt die Studie explizit. Etwa beim Stichwort Karies – natürlich ausgelöst durch viel zu viele Zuckerprodukte in der Nahrung und nachlässigere Zahnpflege. Ergebnis: Kinder aus Familien mit Eltern ohne Bildungsabschluss, die eben auch öfter von Armut betroffen sind, haben bis zu 278 Prozent häufiger Zahnkaries als Kinder aus Elternhäusern mit hohem Bildungsabschluss.

Dasselbe trifft auf krankhaftes Übergewicht (Adipositas) zu: Da beträgt die Abweichung 247 Prozent. Bei körperlichen Entwicklungsstörungen sind es 45 Prozent, bei Verhaltensstörungen (zum Beispiel ADHS) sind es ebenfalls 45 Prozent, bei Allergien 34 Prozent und bei Asthma 31 Prozent.

Die Kinder aus den bildungsferneren Familien bewegen sich also zu wenig, konsumieren augenscheinlich viel zu viel diverse Medien, vor denen sie stillsitzen, und essen viel zu viel gesüßte (Fertig-)Nahrung.

Wenn hier also präventiv geholfen wird, kann den betroffenen Kindern oft lebenslanges Leid erspart werden.

Insgesamt gab die DAK-Gesundheit in Sachsen 2016 rund 15,2 Millionen Euro für die Behandlung von Kindern aus. Davon ging mehr als die Hälfte an Kliniken (37 Prozent) und niedergelassene Ärzte (25 Prozent). Arzneimittel machten knapp ein Fünftel aller Kosten aus, Heil- und Hilfsmittel zusammen 17 Prozent. Reha-Leistungen hatten mit zwei Prozent den geringsten Anteil. Je Kind entspricht dies durchschnittlichen Ausgaben von 1.024 Euro pro Jahr. Allerdings verteilten sich die Ausgaben sehr unterschiedlich, die Hälfte der Gesamtausgaben entfiel auf lediglich drei Prozent aller Kinder und Jugendlichen.

Auf Grundlage des Reports will die DAK-Gesundheit jetzt die bestehende Versorgung von Kindern und Jugendlichen weiter optimieren. Außerdem will die Krankenkasse ihre Prävention an Kitas und Schulen intensivieren. So soll die Präventionskampagne „fit4future“ mit der Cleven-Stiftung für mehr Bewegung, gesunde Ernährung und Stressbewältigung ausgeweitet werden. Das Programm läuft aktuell an 105 Grund- und Förderschulen in Sachsen mit mehr als 16.000 Schülern und soll in Kürze in Kitas sowie an weiterführenden Schulen starten.

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