Wenn die Landespolitik kneift, landen Aufgaben zwangsläufig bei den Kommunen. Beispiel dafür ist auch wieder die Einführung einer Gesundheitskarte für Geflüchtete. Die Karte würde die Behandlung für beide Seiten erleichtern und entbürokratisieren. Aber 2015 weigerte sich die sächsische Staatsregierung, sich mit dem Thema zu beschäftigen. In Leipzig aber beauftragte der Stadtrat die Verwaltung, eine Lösung zu suchen.
Das war schon im Mai 2015. So schnell ist Leipzigs Verwaltung in ihrem hohen Alter dann auch nicht mehr. Im Februar meldete sie, dass sie dabei sei, das Feld zu erkunden. Im August fragte die Linksfraktion nach, was aus der Erkundung geworden ist. Und die Antwort lässt zumindest staunen, denn die befragten Krankenkassen signalisieren durchaus Zustimmung zu dem Projekt. Eine hat sogar schon zugesagt, mit Leipzig gemeinsam das Projekt Gesundheitskarte zu starten, teilt das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule mit.
„Gespräche gab es bislang mit der DAK Gesundheit, welche sich zu einer Vereinbarung zu einer Gesundheitskarte für Geflüchtete bereit erklärt hat. Darüber hinaus wurden im Juli 2016 weitere gesetzliche Krankenkassen angeschrieben und über die Aufnahme von Verhandlungen zu einer elektronischen Gesundheitskarte informiert. Neben der DAK Gesundheit haben bislang sieben weitere gesetzliche Krankenversicherungen Interesse bekundet, Verhandlungen mit der Stadt Leipzig aufzunehmen. Gegenwärtig erarbeitet das Sozialamt einen Vertragsentwurf, welcher Verhandlungsgrundlage sein soll.“
Vielleicht wird ja dann der Leipziger Vorstoß zum Vorbild für Sachsen. Zumindest für Großstädte wie Dresden und Chemnitz ist zu erwarten, dass man dort ähnlich großes Interesse an der Einführung der Gesundheitskarte hat. In Dresden gibt es auch schon einen Stadtratsbeschluss. Aber trotzdem kleckert die Landeshauptstadt bei dem Thema noch hinterher, teilt das Sozialdezernat mit. Denn wäre wenigstens Dresden schon auf dem gleichen Stand, könnte man deutlich mehr Druck auf die neuerungsunwillige Staatsregierung ausüben. Leipzig allein reicht dafür in der Regel nicht.
„Es gab Gespräche mit Vertretern der Stadt Dresden“, heißt es aus dem Sozialdezernat. „Die Einführung einer Gesundheitskarte ist dort nicht in die Wege geleitet. Insofern ist noch ungeklärt, ob es eine gemeinsame Umsetzungsstrategie geben kann und wird.“
Für Leipzig ist der Zieltermin für die Einführung der Karte mittlerweile greibar, wie das Dezernat mitteilt: „Ziel soll die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für die Leistungsberechtigten nach § 3 AsylbLG zum 01.01.2017 sein.“
Nur eine Frage ist noch offen und derzeit noch ein Hauptverhandlungsgegenstand: die Kostenfrage.
Die Linksfraktion hätte schon gern gewusst, ob und wie viele Kosten auf Leipzig zukommen, wenn es zum Vertragsabschluss kommt. Aber da müssen sich die Stadträte noch gedulden. Wahrscheinlich wird es Herbst, bis erste Zahlen genannt werden. Oder mit den Worten des Sozialdezernats: „Die Kosten, welche im Zusammenhang mit der Einführung der Gesundheitskarte entstehen, sind wesentlicher Bestandteil der Vertragsverhandlungen und können erst nach Abschluss der Verhandlungen benannt werden.“
Das Statement der Linksfraktion dazu gibt es jetzt auch:
Elektronische Gesundheitskarte für Geflüchtete in Leipzig auf dem Weg
Im Mai 2016 fand der Antrag der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat zu Leipzig zur Einführung einer Gesundheitskarte für Geflüchtete in Leipzig eine Mehrheit. Der Stadtrat forderte die Verwaltung auf, Verhandlungen mit Krankenkassen aufzunehmen. Die Antwort zur Anfrage der LINKEN an den Oberbürgermeister verweist nun auf die baldige Einführung der Karte.
Dazu Juliane Nagel: “In den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland haben Geflüchtete keinen Zugang zur regulären Krankenversicherung. Ihnen werden laut Asylbewerberleistungsgesetz lediglich Akut- und Schmerzbehandlungen sowie Hilfen bei Schwangerschaft und Geburt zugestanden. Erschwerend kommt hinzu, dass sie nicht einfach zum Arzt gehen können, sondern beim Sozialamt einen Behandlungsschein beantragen müssen, wo zumeist SachbearbeiterInnen über die Notwendigkeit der Behandlung entscheiden. Dieses Prozedere entspricht nicht fachlichen Standards und ist eine bürokratische Hürde für die Betroffenen wie auch für die behandelnden ÄrztInnen.
Trotz der bundesgesetzlichen Regelung haben die Kommunen als Träger der Leistungen die Möglichkeit, Gesundheitskarten vom ersten Tag an auszugeben. Dazu muss ein Vertrag mit einer Krankenkasse abgeschlossen werden.
Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom Oktober 2015 vereinfachte der Bund die örtliche Einführung von Gesundheitskarten. Nach Hamburg und Bremen machen nun auch zahlreiche Bundesländer, z. B. Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz, davon Gebrauch.
Der sächsische Ministerpräsident erteilte der Gesundheitskarte für Geflüchtete – ohne Konsultation des Landtages – jedoch früh schon eine Absage. Darum sind in Sachsen nur „Insellösungen“ möglich. So beauftragten die Stadträte der drei kreisfreien Städte die jeweiligen Stadtverwaltungen mit der Einführung der Karte.
Auf Anfrage der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat stellt die Stadtverwaltung nun die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ab 2017 in Aussicht. Details, die zum Beispiel auch den Leistungsumfang für Geflüchtete und anfallende Kosten betreffen, können laut der Antwort noch nicht benannt werden.
In Dresden hatte die dortige Sozialbürgermeisterin im Sommer verlautbart, dass in der Stadt Dresden keine entsprechende Lösung umgesetzt werden könne.
Um so mehr freue ich mich, dass Leipzig entschlossen ist, diese Erleichterung bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen umzusetzen und durch Kostenbeteiligungen vielleicht sogar einen gleichwertigen Leistungsumfang ermöglichen wird. ”
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