Am Freitag, 16. September, gab es wieder eine öffentliche Anhörung im Sächsischen Landtag. Da ging es um den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Notfallrettung in 12 Minuten? – Rechtswidrigen Zustand bei der Erhebung der gesetzlichen Hilfsfristen in Notfällen unverzüglich beenden“. Und da stellte sich heraus, dass Sachsen augenscheinlich ein Problem mit der Besetzung von Notarzt-Stellen hat.

Drei Sachverständige haben zum Grünen-Antrag Stellung genommen. Die Staatsregierung hatte sich schon vorher schriftlich in Person von Innenminister Markus Ulbig verwahrt: Die Absicherung der Rettungsdienste sei keine Landesaufgabe, sondern durch die Kommunen zu bewerkstelligen.

Wofür ihn Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, schon im Februar deutlich kritisierte: „Innenminister Markus Ulbig scheint es egal zu sein – anders kann man seine Stellungnahme zum Antrag nicht zusammenfassen. – Der Innenminister besitzt allen Ernstes die Kaltschnäuzigkeit, hinsichtlich der Ermittlung und Einhaltung der Hilfsfristen auf die kommunalen Träger des Rettungsdienstes zu verweisen. Als wäre es nicht elementare Aufgabe des Freistaates, sich um eine schnelle medizinische Hilfe für die Bürgerinnen und Bürger zu kümmern. Nicht ohne Grund wird die gesetzliche Hilfsfrist durch ein Landesgesetz geregelt. Der Innenminister hat sich hier seiner Verantwortung zu stellen, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen.“

Aus Lippmanns Sicht hat die Anhörung bestätigt: „Sachsens Notfallrettung ist ein schwer kranker Patient, wenn auch noch kein Notfall. Neben dem großen Problem, dass die Hilfsfrist von 12 Minuten in den neuen Integrierten Rettungsleitstellen weiterhin wegen bestehender Softwareprobleme nicht ordnungsgemäß erfasst werden können, hat die Anhörung eine Reihe weiterer Probleme zu Tage gebracht.“

So habe Professor Dr. Axel Heller, Stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie am Universitätsklinikum Dresden, eindrücklich ausgeführt, wie gut die Überlebenschancen von Menschen sind, die sehr schnell reanimiert werden. Vor diesem Hintergrund sei die Einhaltung der Hilfsfrist so wichtig, sie könne Leben retten. Probleme gibt es aber insbesondere bei der Besetzung des Notarztdienstes. Allein am 12. September 2016 habe der Notarzthubschrauber des Universitätsklinikums sechs Mal ausfliegen müssen, in zwei Fällen allein deshalb, weil zwei Notarztstandorte nicht besetzt gewesen seien. Und das in Dresden, der Landeshauptstadt.

Was natürlich die Frage aufwirft: Ist es in Leipzig genauso? Denn unüberhörbar haben sich die Hubschraubereinsätze über dem Stadtgebiet vervielfacht. Fehlen also auch in Leipzig die Notärzte?

„Offensichtlich gibt es auch in diesen Bereichen wesentlich größere Probleme als uns die Staatsregierung auf unseren Antrag mitteilen wollte“, zieht Lippmann seine Schlüsse aus der Anhörung. „Für mich ist nach dieser Anhörung klar: Der Rettungsdienst muss flächendeckend funktionieren und dafür hat auch Innenminister Markus Ulbig Sorge zu tragen. Als erstes muss dafür die Statistik in Ordnung gebracht und aussagekräftig erstellt werden. Ich erwarte, dass die Probleme in den Leitstellen schnellstmöglich erhoben werden. Ich erwarte zudem, dass uns der Innenminister über den Fortgang und die Hilfsfriststatistik regelmäßig unterrichtet. Nicht zuletzt muss sich der Freistaat zusammen mit den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung der Besetzung der Notarztstandorte annehmen.“

Ob die Zahlen aus der Statistik überhaupt stimmen, wurde ebenfalls bezweifelt.

Der Sachverständige Professor Gerd Drechsler vom Deutschen Roten Kreuz bezweifelte in der Anhörung die Richtigkeit der von Innenminister Markus Ulbig auf eine Anfrage der Grünen mitgeteilte Zahl, dass lediglich 85 Prozent der Hilfsfristen eingehalten wurden. Die Erhebung der eigenen Dienststelle hätte wesentlich bessere Durchschnittswerte ergeben.

Die Grüne-Fraktion hatte Anfang des Jahres mit ihrem Antrag den Innenminister aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Notstand bei den Rettungsdiensten zu beseitigen. Denn auch wenn das Innenministerium die Rettungsstellen nicht betreibt, ist es als oberste Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörde für die Kontrolle der Hilfsfristen zuständig und muss im Rahmen der Aufsicht tätig werden.

Antrag der Fraktion Grüne „Notfallrettung in 12 Minuten? − Rechtswidriger Zustand bei der Erhebung der gesetzlichen Hilfsfristen in Notfällen unverzüglich beenden“ (Drs 6/3841)

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