Höhenluft bekommt dem Menschen nicht. Im übertragenen wie im eigentlichen Sinne. Dem eigentlichen Sinn auf die Spur kommen will ein Ärzteteam des Uniklinikums Leipzig. Gemeinsam mit Schweizer Kollegen startet das Team am 25. September zu einer höhenmedizinischen Forschungsexpedition nach Nepal. Die über 100 Personen starke Expedition will aufklären, wie sich Organe und Kreislauf in enormer Höhe verändern und die noch bestehenden Geheimnisse um die gefährliche Höhenkrankheit lüften.
Dafür sind aufwendige medizinische Messungen an 42 freiwilligen Probanden geplant, unter anderem weltweit erstmals in dieser Höhe (über 7.000 m) auch ein Ultraschall an Gehirn, Lunge, Herz, Sehnerv und am Venen- und Kapillarsystem. Die Erkenntnisse sollen auch lungenkranken und anderen schwerkranken Patienten zugute kommen.
Das Medizinerteam vom Uniklinikum Leipzig wird am 24. September zunächst nach Zürich fliegen und sich dort mit den Forscherkollegen aus der Schweiz treffen. Dann geht der Flug am 25. September gemeinsam nach Nepal. Am 27. September folgen die 42 Testpersonen.
“Die Probanden sind ausnahmslos gut trainierte Freizeitsportler, einige sogar Höhen-Bergsteiger”, erklärt der Intensivmediziner Dr. Ludger Mende, der das UKL-Team leitet und meint, dass mangelnde Sauerstoffversorgung der Organe in der Höhe vergleichbar mit lebensgefährlichen Erkrankungen auf der Intensivstation sind.
Beim beschwerlichen Aufstieg auf den über 7.126 Meter hohen Himlung Himal, der je nach Witterung ab Mitte Oktober stattfindet, planen die Mediziner bei den Probanden regelmäßige Blutentnahmen, Belastungs- und Leistungstest, und – in dieser Art weltweit erstmals – auch umfangreiche Ultraschalluntersuchungen an Herz, Lunge, Gehirn und Venen- und Kapillarsystem.
“Wir suchen beispielsweise nach Anpassungsvorgängen im Schädelinneren und nach Hinweisen dafür, dass der Aufenthalt in großer Höhe und der damit verbundene Sauerstoffmangel im Gehirn möglicherweise nachweisbare Veränderungen mit sich bringen”, erklärt Dr. Mende. “In unserer täglichen Arbeit versorgen wir Patienten mit unterschiedlich schweren Organerkrankungen, z.B. Herzinfarkten, Schlaganfällen und schweren Infektionen. Am Ende dieser lebensbedrohlichen Erkrankungen steht nahezu immer die mangelnde Sauerstoffversorgung der Organ- und Zellsysteme”, begründet Dr. Ludger Mende das große Interesse an der Medizin in dünner Luft. Hier schließe sich der Kreis zwischen dem Alltag auf der Intensivstation und der höhenmedizinischen Forschung.
Der riesige Tross von über 100 Expeditionsteilnehmern – bestehend aus Ärzten, Schwestern, Bergführern, Probanden und zahlreichen Trägern, den Sherpas – wird zeitversetzt den Berg erklimmen, insbesondere die Probanden werden in zwei Gruppen aufsteigen. Der Aufstieg erfolgt in Etappen und nach festgelegtem Muster von Aufstiegen, Abstiegen und Aklimatisierungsphasen.
“Wir Mediziner müssen dabei immer vor den Probanden an der jeweiligen Teststation sein und dort zum Teil auch länger ausharren. Das ist in dieser Höhe eine große Belastung”, so Dr. Mende.Schon im Vorfeld haben sich die Expeditionsteilnehmer des Uniklinikums Leipzig darauf umfassend vorbereitet. Alle fünf sind leidenschaftliche Sportler – Triathleten und Kletterer. Die Geräte und das Untersuchungsmaterial selbst werden von 30 erfahrenen Sherpas auf den Berg gebracht und damit vier medizinische Messstationen aufgebaut, je eine an den drei Höhenlagern des Himlung Himal (Basislager 4.900 m, Camp I – 5.400 m, Camp II – 6.050 m) und eine Station direkt unter dem Gipfel (Camp III – 6.900 m). Für diese muss extra eine Stellfläche auf dem Eis eingerichtet werden.
Für die Forschung wurden insgesamt 1,3 Tonnen Material in 85 Gepäckstücken auf die Reise geschickt: unter anderem vier Stromgeneratoren, Computer und Forschungsgeräte (u.a. Spirergometrie-Systeme, Ultraschallgeräte, Zentrifugen, Mikroskope) sowie 18 Kisten und Fässer mit Verbrauchsmitteln. Um an mehrere tausend relevante Datensätze zu kommen, nehmen die Mediziner auch vor und nach der Expedition umfangreiche medizinische Tests vor – so gab es zuletzt an zwei Wochenenden im Juli und August umfassende Voruntersuchungen der Probanden in Bern, um Vergleichsdaten im Flachland (Bern 540 m) zu erheben. So wurde unter anderem das Gehirn zusätzlich mittels Magnetresonanztomografie untersucht.
Ist die Fülle der Daten einmal ausgewertet, wofür die Forscher ein bis zwei Jahre veranschlagen, sollen alle Resultate auch der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. “Schon jetzt signalisieren mir unzählige Kollegen und Freunde große Neugier und Interesse”, so Dr. Mende. Geplant wurde die große Forschungsexpedition vom Schweizer Verein “Swiss-Exped”, und ist bereits die vierte ihrer Art. Bei dieser gehen neben Schweizern erstmals deutsche Ärzte und Schwestern mit auf Tour. Die Hauptverantwortung der Expedition ruht auf den Schultern des Schweizer Sport- und Notfallmediziners Dr. Urs Hefti, der bereits zahlreiche Expeditionen angeführt hat. Für die Logistik zeichnet der mehrfache Everest-Bezwinger und Expeditions-Bergführer Kari Kobler verantwortlich. Die wissenschaftliche Gesamtleitung liegt bei Dr. Tobias Merz und Dr. Jaqueline Pichler vom Berner Inselspital.
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