Am 3. Dezember fand das 28. Theodor-Litt-Symposium zum Thema „Extremismusprävention als Aufgabe der politischen Bildung“ in Leipzig statt. Wie gefährlich ist Extremismus, egal ob von rechts oder links, politisch oder religiös motiviert, für die Demokratie und wie kann man das Entstehen von Extremismus verhindern?
Die Deutsche Gesellschaft e. V., die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung und die Europäische Bewegung Sachsen e. V. suchten, gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Bildung, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Extremismusprävention und Demokratieförderung nach Antworten auf diese Frage.
Bereits in den Eröffnungsreden wurde betont, worum es geht. So betonte Dr. Uta Bretschneider, Direktorin des Zeitgeschichtliches Forums Leipzig: „Das Thema Extremismusprävention als Aufgabe der politischen Bildung, in ihren Möglichkeiten und Grenzen, ist natürlich eines, das auch uns umtreibt. Die Frage ist: Was können, was müssen und was dürfen wir tun, um die Demokratie nachhaltig vor Gefährdungen zu schützen? Wir sind uns natürlich bewusst, dass politisch-historische Bildung kein Allheilmittel ist, nicht das Einzige sein kann, aber vielleicht und bestenfalls ist politisch-historische Bildung ein Weg, um Demokratie zu schützen.“
Auch Dr. Roland Löffler, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, bestätigte das: „Wir haben bewusst ‚Möglichkeiten und Grenzen‘ hinzugesetzt. Man hätte auch ein Fragezeichen hinzusetzen können bei Extremismusprävention und politische Bildung oder politisch-historische Bildung. Das ist nicht unbedingt das Gleiche. Sie sind ähnlich, sie haben Überschneidungsflächen, aber sie haben auch Unterschiede.
Ein großer Unterschied ist das, was uns als politische Bildner im Kern ja alle verbindet, der Beutelsbacher Konsens, der eben die Mehrperspektivität umfasst, die Kontroversität, die Nicht-Indoktrination, die Motivation zum Handeln. Ich glaube, wir sind uns hier im Raum alle, ich glaube auch die Gesellschaft in weiten Teilen, einig, dass die Kontroversität bei Extremismus an Grenzen stößt. Weil der Extremismus in den unterschiedlichsten Spielarten, in denen er existiert, die Demokratie als solche in Frage stellt.“
Wo erlebt man eigentlich Extremismus?
Die Beteiligung des Publikums im Saal und am Livestream war ausdrücklich erwünscht. Es gab nicht nur Saalmikrofone, auch eine Online-Beteiligung war möglich. Zwischenzeitlich wurden immer wieder Umfragen durchgeführt.
Wie schwierig dieses Thema ist, zeigte sich bereits in der ersten Runde, als es um die Definition von Rechts- und Linksextremismus ging.
Nach den Impulsvorträgen zum Thema, von Prof. Dr. Tom Mannewitz, Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, zum Rechtsextremismus und Dr. Jürgen P. Lang, Publizist und Redakteur beim Bayerischen Rundfunk, gab es eine Umfrage „Wo erleben Sie Extremismus in Deutschland“?
Eine Antwort aus der Politik gab Heiko Rosenthal, Beigeordneter für Umwelt, Klima, Ordnung und Sport in der Stadt Leipzig: „Wo erlebt man das, auch in meiner Rolle als Bürgermeister? Wir erleben es natürlich auf der Straße, im Rahmen von Versammlungen und Versammlungsanmeldungen, die nicht mehr unter den Versammlungsbegriff fallen und sich ganz bewusst dort auch gar nicht darunter subsumieren lassen wollen. Insofern gibt es dort eine sehr starke Öffentlichkeit, diese Positionen auch in den öffentlichen Raum zu tragen, ohne dass die Versammlungsbehörden in der Lage sind, adäquat darauf zu reagieren.
Das ist vielleicht in einer Großstadt wie Leipzig noch ein Stück weit anders. Aber wenn man sich das Versammlungsgeschehen insbesondere in Kleinstädten anschaut, dann muss man da schon etwas Sorge haben, was durch wen und wie kommuniziert wird. Man hat natürlich auch in einem großstädtischen Milieu schon Orte, die verfassungsrechtlich definiert sind, wo man tatsächlich offen extremistische Tendenzen feststellen muss. Und insofern gibt es so etwas natürlich auch im Alltag unter uns.“
Wir haben bei Prof. Mannewitz nachgefragt: „Sie haben in Ihrem Vortrag gesagt: Wir haben mal gedacht, wir müssen den Leuten bloß die richtigen Informationen geben, dann kommen die auch zu den richtigen Schlüssen. Müsste man dann nicht eher sagen, zu den mir richtig erscheinenden Schlüssen?“
Prof. Dr. Tom Mannewitz: „Sicherlich, da ist was dran. Zur Prävention von Rechtsextremismus oder Extremismus insgesamt zählt es natürlich, die richtigen Informationen zu haben, also die wahren Informationen zu haben. Zu wissen, was spielt sich ab, was ist, was passiert da sozusagen, welche Funktionszusammenhänge gibt es im Parlament, bei Politik, im Kommunalbereich, auf Landesebene, bis hin zur Bundespolitik. Das ist natürlich die Informationsgrundlage, nur reicht das natürlich nicht aus. Prävention geht viel weiter.“
Dr. Lang, der zum Linksextremismus ausgeführt hatte, fragten wir nach der Wichtigkeit, präventiv gegen diesen vorzugehen.
„Ja, natürlich ist das wichtig. Es ist so, Rechtsextremismus gefährdet die Demokratie. Das ist beim Linksextremismus im Moment nicht der Fall. Aber Prävention ist immer wichtig. Man muss schauen in jedem Fall, dass man Demokratie stärkt. Es bringt wenig, auf die einzelnen Leute zuzugehen und so eine individuelle Druckbetankung zu machen. Man muss die Demokratie im Allgemeinen stärken.“
Chancen und Grenzen der Extremismusprävention
Nach der Mittagspause ging es weiter zum Thema „Extremismusprävention vor Ort – Chancen und Grenzen“. Das Panel war lebhaft und es gab rege Beteiligung des Publikums im Saal.
Eine der wichtigsten Fragen dabei war: Wie erreicht man die Menschen vor Ort? Dr. Helge Heidemeyer, Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, nahm eine der Antworten aus der Publikumsumfrage auf.
„Mich spricht gerade schon eins an, nämlich das ‚Menschen zusammenbringen‘. Das gehört für mich in diese Diskursfähigkeit mit hinein. Denn das Problem in dem extremistischen Vorfeld, nenne ich es jetzt mal, ist ja, dass die Menschen oft in einer Blase leben. Wir haben das vorhin auch schon in Ihren Vorträgen gehört, dass es oft Beziehungen sind, die in den Extremismus führen und dass man diese Blasen aufbricht, indem die Menschen, die sich darin befinden, mit anderen ins Gespräch kommen. Deswegen finde ich, das Menschen zusammenbringen ist ein sehr wichtiger Punkt an der Stelle.“
Interessant an dem Panel war, dass die Diskussion zwischen Dr. Heidemeyer und Dr. Franziska Wittau, Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, zwei Seiten der Präventionsarbeit darstellte. Die Gedenkstätte, zu der die Menschen bewusst kommen, und die aufsuchende Arbeit, bei der die Akteure Kontakt aufnehmen und dann auf eine Einladung hoffen müssen.
An Franziska Wittau hatten wir diese Frage: „Sie sprachen über politische Bildung an Schulen, über junge Leute und so weiter. Es steht die Frage, junge Menschen werden in ihrem familiären Umfeld stark geprägt. Wie kommt man an die Eltern ran?“
„Das ist tatsächlich eine sehr schwierige beziehungsweise sehr komplexe Frage. Letztlich muss Elternarbeit, die Eltern erreicht, auch in den Bildungseinrichtungen geschehen“, so Wittau.
„Bei der frühkindlichen Bildung und in der Schule gibt es Elternvertreter, auch Gruppen, wo man mit den Eltern ins Gespräch kommen kann. Wir können aber auch Bildungsveranstaltungen für Erwachsene im außerschulischen Bereich anbieten in Kooperation mit den Volkshochschulen, mit Bibliotheken und so weiter. Wir wissen letztlich aber auch, dass es gerade in dieser Phase schwierig wird. Eine Variante, die ein spannender Ansatzpunkt ist, ist, wir könnten in die Arbeitswelt gehen. Das heißt, wir könnten tatsächlich Menschen versuchen, da wo sie aktiv unterwegs sind, zu erreichen und dort auch bestimmte Fragestellungen zu diskutieren, beziehungsweise zu thematisieren.“
Nach einer Pause, die auch zur Besichtigung der Ausstellung genutzt werden konnte, folgte eine Diskussionsrunde zum Thema „Das Verhältnis zwischen Extremismusprävention und politischer Bildung – Schnittstellen und Spannungen“. Prof. Uwe Backes (Hannah-Arendt-Institut), Matthias Brodkorb (Minister a.D.), Dr. Roland Löffler, Dr. Roland Roth (Hochschule Magdeburg Stendal) und Jörn Thießen (Bundesministerium des Innern und für Heimat), diskutierten darüber mit Beteiligung des Publikums.
Fazit: Eine hochinteressante Veranstaltung, auch wenn nicht alle Fragen geklärt werden konnten. Das Thema wird uns weiterhin beschäftigen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben auf jeden Fall vieles mitnehmen können. Die komplette Veranstaltung kann man im Livestream auf Youtube anschauen.
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