Der Druck nach mehr Abschiebungen schutzsuchender Menschen, der aus dem politisch rechten und konservativen Lager kommt, zeigt Wirkung. Ob es die Wirkung ist, die sich die Wählerinnen und Wähler von AfD, CDU/CSU und auch BSW wünschen, ist fraglich. Das ist nicht ganz neu, denken wir an die Abschiebung der angehenden Hebamme Adelina Ajeti im November 2020 in den Kosovo, oder Maya H., die 2023 den Schulpreis „für besondere Leistungen in der Schulzeit“ erhielt, und trotzdem 2024 mit ihrem Bruder gemeinsam nach Spanien abgeschoben wurde.

Es gab in der Vergangenheit viele solcher Fälle, in denen gut integrierte Menschen, teils Schülerinnen und Schüler oder auch Erwachsene mit Arbeitserlaubnis und fester Arbeitsstelle, das Land verlassen mussten.
Der neueste Fall spielt sich in Wilstedt (Niedersachsen) ab. Zehn kolumbianische Asylbewerber sollen nach Kolumbien abgeschoben werden. Die Asylanträge wurden abgelehnt. Auch die Flucht vor der Befreiungsarmee, die bereits einen Familienangehörigen getötet hatte, ist für die Behörden kein Asylgrund.

„Das falsche Tor nach Deutschland“

Der Vorgang hat aber noch eine andere Dimension, diese zehn Menschen haben allesamt ihre Arbeitserlaubnis und arbeiten in einem Pflegeheim. Beim NDR heißt es dazu: „Nach Auskunft der Heimbetreiber besitzen alle Kolumbianer eine Aufenthaltserlaubnis bis Juni kommenden Jahres und hätten zudem eine Arbeitserlaubnis bis 2027, einige sogar bis 2028.“

Solche Fälle sollten eigentlich mit dem Chancenaufenthaltsrecht und Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht mehr vorkommen. Diese sind aber – typisch für Deutschland – sehr bürokratisch.

So sind die betroffenen kolumbianischen Menschen als Pflegehelfer, also Hilfskräfte, angestellt und somit fallen sie nicht unter das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Außerdem sagte, laut NDR, ein Ministeriumssprecher: „Wenn Sie einen Asylantrag stellen und dieser abgelehnt wird, haben Sie nicht die Möglichkeit, in die Fachkräftezuwanderung zu wechseln. Dieser Spurwechsel ist gesetzlich nicht möglich, er ist nicht erlaubt, er ist ausgeschlossen.“

Und weiter: „Die kolumbianischen Pflegekräfte hätten ‚schlicht das falsche Tor nach Deutschland‘ gewählt.“

Letzter Ausweg ist die Anrufung der Härtefallkommission des Landes. Soweit der rechtliche Teil, doch es gibt einen weiteren.

Abschiebungen: Wenn dem Pflegeheim das Ende droht

Alle zehn Pflegehilfskräfte arbeiten im selben Pflegeheim für Demenzkranke. Dem „Haus Wilstedt“ droht bei einer Abschiebung das Aus für die Einrichtung. Neues Personal ist nicht zu finden und mit dem verbleibenden kann der Betrieb nicht aufrechterhalten werden.

Die 48 Bewohner müssten also in andere Einrichtungen verbracht werden, eventuell sogar in geschlossene psychiatrische Einrichtungen. Das ist für die Erkrankten und ihre Angehörigen eine unzumutbare Situation.
Die Angehörigen der erkrankten Menschen haben eine Petition gestartet, die den Verbleib der Menschen aus Kolumbien fordert. Ob diese oder die Anrufung der Härtefallkommission Erfolg hat, ist fraglich.

Für Menschen wie Maya H. und ihren Bruder gibt es keine Anrufung der Härtefallkommission, sogenannte Dublin-Fälle haben darauf keinen Anspruch. Man könnte sagen: So sind die Gesetze, da kann man eben nichts machen. Doch, man könnte, wenn man wollte. Es wird nicht gewollt, also schiebt man weiter gut integrierte Menschen ab, um zu zeigen, dass man sich an die Gesetze hält. Wer findet das auch absurd?

Fazit: Es geht nicht um die Diskussion, ob es nützliche geflüchtete Menschen gibt, das muss hier betont werden. Vielmehr steht die Frage: Wenn wir Zuwanderung von Fachkräften brauchen und fördern wollen, welcher Eindruck auf potenziell interessierte Menschen entsteht durch solche Aktionen?

Gerade die ostdeutschen Bundesländer fordern ja gerade Fachkräftezuwanderung, warum diese also torpedieren?

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar