Jetzt hat er es endlich mal gesagt: Friedrich Merz fordert mehr Respekt für finanziellen Erfolg. Da müssen wir doch alle mitmachen, oder? Es ist ja nicht so, dass finanzieller Erfolg, sprich Reichtum, vom Himmel fällt. Man muss ihn manchmal auch erben, mitunter hilft es auch, wennn man in die richtige Familie hineingeboren wird. Genauso wie Friedrich Merz, der aus einer konservativen und wahrscheinlich gut betuchten Juristenfamilie stammt.

Das ist selbstverständlich kein Grund, Friedrich Merz nicht als Menschen zu respektieren. Die Frage ist: Hängt dieser Respekt ernsthaft davon ab, wie viel Geld jemand hat? Der zweite Teil seiner Aussage: Deutschland müsse „ein Land sein – und das habe ich in Amerika immer sehr geschätzt –, das Erfolg nicht diskreditiert, sondern sagt: Daran nehmen wir uns ein Beispiel“ ist schon eigenartig, aber passt zu ihm.

Schließlich schreibt Merz schon 2008 in „Mehr Kapitalismus wagen“ darüber, dass „Noch so gut gemeinte soziale Regelungen, wie Mindestlohn oder verlängertes Arbeitslosengeld für Ältere“, den Markt einschränken würden. „Und sie schränken gleichzeitig auch den Menschen ein, sein Recht auf Freiheit.“

Den Autor erinnert das an ein Gespräch mit einem FDP-Politiker im Jahr 1990, der damals sagte: „Die Freiheit, von der wir reden, ist auch die Freiheit, zugrunde gehen zu können.“ Zurück zu der Aussage über die USA: Im Jahr 2008, als Merz das schrieb, brach eine Finanzkrise aus, waren 13,2 Prozent der US-Amerikaner unter die Armutsgrenze gefallen. Die Tendenz der Folgejahre war steigend. Ob alle diese Menschen von den erfolgreichen Reichen begeistert waren, ist wohl mehr als fraglich.

An wem sollten sie sich ein Beispiel nehmen? Etwa an den reichen Familien, die ihren Reichtum über Generationen vererbten? Als Beispiel, welchem man folgen kann, ist das nicht tauglich. Natürlich: Man kann sich ein Beispiel an Menschen nehmen, die sich mit Fleiß nach oben gearbeitet haben. Das sind aber relativ wenige, Fleiß allein genügt auch in Deutschland nicht.

Wer in Deutschland, als Beschäftigter im Mindestlohnsektor oder knapp darüber, sein Kind Abitur machen und studieren lässt, kann ein Lied davon singen. Wenn dieses Kind dann endlich das Studium (selbst mit Bestnoten) bestanden hat, ist der weitere Weg oft von Beziehungen abhängig.

Wer diese nicht hat, landet im akademischen Bereich oft in der Zeitvertrags-Falle oder sucht sich einen oft unterbezahlten Job in der freien Wirtschaft. Wenn Friedrich Merz bemerkt: „Ich habe auch vielleicht mehr gearbeitet als acht Stunden am Tag. Ich habe es gerne gemacht, und ich habe auch Glück gehabt“, bedeutet es keineswegs, dass mehr als acht Stunden Arbeit am Tag den finanziellen Erfolg bringt.

Das „Glück“, welches er hatte, lag darin, die richtigen Leute zu kennen, die ihn zumindest am Anfang protegierten. Die Frage ist: Wie geht es weiter mit einem eventuellen Bundeskanzler Merz, dem Umfragen Wirtschaftskompetenz bescheinigen? Die Umfragen sind nicht eindeutig zu interpretieren, schließlich „meint“ das die Bevölkerung. Stimmen aus der Wirtschaft, besonders unter Selbständigen, sehen das anders.

Das Merz’sche Credo lautet jedenfalls: „Arbeitet mehr“ und „Arbeit könne ‚ein Stück unserer Lebenserfüllung, ein Stück unserer Selbstverwirklichung‘ sein.“ Na dann werden sich hoch motivierte Pflegekräfte, Lehrpersonal und andere aber freuen. Ja, viele von denen betrachten den Beruf, so sehr man sich in den letzten Jahrzehnten bemüht hat, ihnen das auszutreiben, immer noch als eine Berufung.

Der Respekt für die Pflegekräfte in Pandemie-Zeiten wurde durch „Klatschen vom Balkon“, Merci-Schokolade und Stollen von Sachsens Ministerpräsident ausgedrückt. Diese Zielgruppe wird Friedrich Merz mit seiner Ansage so richtig motivieren.

Fazit: Friedrich Merz will, wie er schon 2008 schrieb, den ungezügelten Kapitalismus, ohne Mindestlohn und mit viel Druck auf die Arbeitenden. Respekt sollen Millionäre bekommen. Vorschlag: Wir klatschen Abends vom Balkon für die Millionäre und Merz wird nicht Kanzler.

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