Die kalte Jahreszeit steht bevor, und mit den sinkenden Temperaturen wird die Situation für wohnungslose Menschen in Leipzig immer schwieriger. Die Obdachlosigkeit ist in Deutschland ein zunehmendes soziales Problem, das auch vor Sachsen und seiner größten Stadt, Leipzig, nicht Halt macht. Besonders jetzt, da die Kälte einsetzt, geraten Menschen ohne festen Wohnsitz verstärkt in den Fokus – eine Herausforderung für die Stadt und die Politik.

Laut den aktuellsten Erhebungen des Statistischen Landesamtes Sachsen und Berichten sozialer Einrichtungen gibt es in Sachsen etwa 4.500 wohnungslose Menschen. Diese Zahl zeigt jedoch nur einen Teil des Problems, da viele Betroffene nicht in offiziellen Statistiken erfasst werden. Der Bericht des Sächsischen Sozialministeriums verdeutlicht, dass die Dunkelziffer erheblich höher geschätzt wird, besonders in Großstädten wie Leipzig.

Ein besorgniserregender Anstieg der Obdachlosenzahlen

Die wachsende Zahl obdachloser Menschen ist alarmierend. Während 2022 noch 1.665 Menschen ohne festen Wohnsitz in Sachsen gezählt wurden, gab es 2023 einen deutlichen Anstieg. Besonders in Leipzig ist die Lage angespannt. Mit dem starken Bevölkerungswachstum hat sich auch die Situation auf dem Wohnungsmarkt erheblich verschärft. Zum Stichtag 31. Januar dieses Jahres waren in Leipzig 945 wohnungslose Menschen in Notunterkünften untergebracht – 185 Personen mehr als im Vorjahr.

Der Leipziger Stadtrat sieht diese Entwicklung mit großer Besorgnis. „Die aktuellen Zahlen der Wohnungslosenstatistik zeigen die dramatische Lage in aller Klarheit. Mehr Menschen verlieren ihre Wohnung oder finden auf dem Wohnungsmarkt keinen Platz mehr. Das darf nicht als Normalität hingenommen werden“, sagt Juliane Nagel, Stadträtin der Linken.

Besonders gravierend sei der hohe Anteil an psychisch erkrankten oder suchtkranken Menschen unter den Betroffenen. Laut Studien haben fast 50 Prozent der obdachlosen Menschen mit Suchtproblemen oder psychischen Erkrankungen zu kämpfen, was den Weg in ein stabiles Wohnumfeld erschwert.

Immer mehr junge Menschen auf Leipzigs Straßen

Ein detaillierter Blick auf die Demografie der obdachlosen Bevölkerung in Leipzig zeigt eine zunehmend vielfältige Gruppe von Betroffenen. Etwa 70 Prozent der 945 obdachlosen Menschen sind Männer, aber auch rund 300 Frauen suchen in den kalten Monaten Zuflucht in Notunterkünften. Zudem sind 265 der obdachlosen Personen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Auch junge Erwachsene und ältere Menschen stellen wachsende Gruppen unter den Obdachlosen dar.

„Wohnungslosigkeit von jungen Menschen ist ein Thema, was sehr oft gar nicht wahrgenommen wird, weil sie, im Gegensatz zu älteren wohnungslosen Menschen, ganz oft noch andere Ressourcen haben unterzuschlüpfen, bei Freundinnen, bei Freunden, in der Gartenanlage und noch nicht so auf der Parkbank wie andere ältere Betroffene auftauchen“, erklärt Becky Wehle von machtlos e.V. beim Tag der Wohnungslosen im September.

Derweil beträgt Anteil der Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit in der obdachlosen Bevölkerung inzwischen etwa 50 Prozent, was die Notwendigkeit zusätzlicher Unterstützungsangebote für Migrant*innen. Die Situation ist besonders komplex, da viele dieser Menschen aufgrund ihrer unsicheren Aufenthalts- und Arbeitsstatus oder mangelnden Sprachkenntnisse Schwierigkeiten haben, Zugang zu Wohnraum zu erhalten.

Politische Maßnahmen und Herausforderungen

Um der wachsenden Obdachlosigkeit in Leipzig entgegenzuwirken, haben die Stadt und der Freistaat Sachsen in den letzten Jahren verschiedene Programme gestartet. Ein zentraler Ansatz ist der soziale Wohnungsbau. So sollen neben Housing First-Konzepten bis 2030 etwa 10.000 neue Sozialwohnungen geschaffen werden.

Die Stadtverwaltung setzt zudem auf Kooperationen mit sozialen Trägern und Organisationen, um die Angebote für wohnungslose Menschen zu erweitern. Hierzu gehören Tagesaufenthalte, Notübernachtungen und Sozialberatungen, die besonders im Winter verstärkt werden.

Die aktuelle Lage in Leipzig zeigt deutlich, dass Obdachlosigkeit ein drängendes Problem bleibt, das weiter wächst. Es bedarf umfassenderer Maßnahmen, insbesondere im sozialen Wohnungsbau und in der psychischen sowie sozialen Betreuung. Die Stadt Leipzig und der Freistaat Sachsen stehen vor der Herausforderung, dieser Problematik mit langfristigen Strategien zu begegnen.

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