Der Bundesfinanzminister gibt gern den Zuchtmeister, wenn er die Ressorts der Bundesregierung zum Sparen, Kürzen und Abspecken drängt. Aber zur Wahrheit gehört, dass die Bundesrepublik tatsächlich jedes Jahr Milliarden Euro zum Fenster herausschmeißt – für Dinge, die absolut klima- und umweltschädlich sind. Ein mutiger Finanzminister könnte genau da sparen, stellte Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, am 9. Juli in einem Beitrag im „Focus“ fest. Aber ist der Bundesfinanzminister mutig?

Fratzscher wirft Christian Lindner (FDP) jedenfalls falsche Prioritätensetzung vor: „Er sieht zwölf Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden für ein sogenanntes Generationenkapital vor, das primär in Unternehmen investiert werden soll. Dieses Geld wäre sehr viel sinnvoller in Bildung, Innovation und Infrastruktur in Deutschland angelegt.

Darüber hinaus setzt der Entwurf des Bundeshaushalts die falschen Prioritäten: Er sieht steuerliche Entlastungen für die Bürger/-innen von fast 23 Milliarden Euro für das Jahr 2025 vor – durch Erhöhungen von Freibeträgen, Anpassungen bei der Lohn- und Einkommensteuer und Verschiebungen beim Solidaritätszuschlag.

Der Haken dabei ist, dass diese vielen Milliarden Euro größtenteils den Spitzenverdienenden zugutekommen. Menschen mit geringen Einkommen hingegen werden nur minimal entlastet, wie beispielsweise durch die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags um jeweils fünf Euro.“

Ähnlich falsch justiert sei die geplante Steuerbefreiung von Überstunden, schreibt Fratzscher in seinem „Focus“-Beitrag. „Die Bundesregierung wäre klug beraten, ihre Pläne diesbezüglich zurückzunehmen und stattdessen die steuerliche Belastung von Menschen mit geringen Einkommen zu reduzieren.“

Steuerprivilegien und klimaschädliche Subventionen

Aber der Finanzminister will ja lieber bei den Bedürftigen sparen, als dort anzusetzen, wo wirklich milliardenschwere Subventionen falsche Anreize setzen.

„Was im Haushaltsentwurf fehlt, sind vor allem Kürzungen von klimaschädlichen Subventionen, die in Deutschland über 60 Milliarden Euro im Jahr betragen, wie auch ein Abbau von anderen Steuerprivilegien, um wirtschaftlichen Wettbewerb zu stärken und eine faire Lastenverteilung zu gewährleisten. Solche Einsparungen könnten viele zusätzliche Gelder für Zukunftsinvestitionen mobilisieren“, stellt Fratzscher fest.

Und attestiert Christian Lindner dann, genau das Gegenteil dessen zu bewirken, was seine Partei sich immer groß auf die Fahnen schreibt: Wirtschaftsbremsen statt Wirtschaftsaufschwung. Denn es sind genau die falschen Sparanreize der Bundesregierung, die heute schon dafür sorgen, dass die Konjunktur in Deutschland einfach nicht in Gang kommt: Der Staat fällt als Investitionsmotor regelrecht aus.

„Die restriktive Finanzpolitik der Bundesregierung bremst die wirtschaftliche Erholung und die Bewältigung der ökologischen und digitalen Transformationen erheblich. In wirtschaftlich so schwierigen Zeiten ist es ein gravierender politischer Fehler, Zukunftsinvestitionen zu vernachlässigen“, schreibt Fratzscher dem Bundesfinanzminister ins Klassenbuch.

„Für die kommenden Jahre bedeutet dieser Bundeshaushalt weniger Wirtschaftswachstum, mit geringeren Umsätzen für Unternehmen und niedrigeren Löhnen und Einkommen für Bürger/-innen. Der Bundeshaushalt wird keine Wirtschaftswende auslösen, sondern er ist eine Zukunftsbremse, die den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen schwächt.“

Deutlicher kann man es eigentlich nicht sagen, dass die Finanzpolitik des FDP-Finanzministers volkswirtschaftlicher Mumpitz ist.

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