Sie kennen alle die schönen Begriffe wie Humankapital, Human Resources und ähnliches, für die arbeitenden Menschen. Also diese Begriffe, die eine Generation von Neoliberalen geprägt hat und von denen eine Generation von arbeitenden und künftig arbeitenden Menschen geprägt wurde? Dann werden Sie verstehen, dass Carsten Linnemann hier nur als Beispiel steht, wenn er bei Markus Lanz sagt, man müsse „Arbeit wieder positiv konnotieren“.

Carsten Linnemann ist Generalsekretär der CDU und wenn man seinen Lebenslauf betrachtet, dann hat er, außer in der Zeit in der Buchhandlung seiner Eltern, ausschließlich im Finanzbereich gearbeitet, bevor er hauptamtlich in die Politik ging.

Als Politiker hat er den ausufernden Sozialstaat im Visier, beschreibt das auch gern in Kolumnen, jetzt meint er, der Hebel, den man umlegen muss, wäre das Bürgergeld: „Wir haben jetzt einen neuen Ansatz, dass wir sagen: Der Staat geht davon aus, wenn jemand arbeiten kann, dass er auch arbeiten geht und deswegen gibt es keine Sozialleistungen.“

Ist das die Lösung, um Arbeit positiv zu konnotieren?

Es ist wohl eher der Versuch, den im Mindestlohn arbeitenden Menschen gegen den Menschen, der Bürgergeld bezieht, aufzuwiegeln. Chapeau für diesen Populismus!

Auch die Aussage bei Markus Lanz „Der wird dann schon arbeiten gehen, weil er es muss“ bedeutet nur, dass man ganz im Sinne des Vulgärkapitalismus sagt „friss oder stirb!“ Eine Motivation zu arbeiten ist es nicht, schon gar keine positive Konnotation.

Das darf man ihm nicht persönlich übelnehmen, stammt er mit Geburtsjahr 1977 aus einer Generation, in der das Studium als Eintrittskarte in ein besseres Leben und die händische Arbeit als Auslaufmodell propagiert wurde. Diese These hat sich nicht bewahrheitet, deshalb suchen wir heute händeringend Menschen wie Dachdecker, Elektriker, Pflegekräfte und ähnliches.

Was wir nicht machen, ist, sie gut zu bezahlen und ihnen die gebührende gesellschaftliche Anerkennung entgegenzubringen. Auch gute Arbeitsbedingungen sind, in bester neoliberaler Manier, reine Kostenfaktoren.

Aber es ist einfacher, das Sozialsystem zu kritisieren, auch wenn dieses – weniger als behauptet – von „faulen Menschen“ ausgenutzt wird. Es unterstützt zu großen Teilen arbeitende Menschen, die aufgrund dieses neoliberalen Systems trotz Arbeit Unterstützung für ihre Existenz benötigen.

Hier zeigt sich auch, dass der oben zitierte Satz, mit „wenn jemand arbeiten kann …“ nicht stimmt. Dieser ominöse Jemand geht arbeiten und bezieht Bürgergeld, weil etwas im neoliberalen System nicht stimmt.

Eine Frage kann Linnemann scheinbar trotz seiner Herkunft nicht beantworten, die er beschreibt mit: „… aber auch die alleinige Verantwortung für das eigene Leben und für die wirtschaftliche Existenz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit sich brachten, waren bei uns immer präsent.“

Wenn Unternehmer für die „wirtschaftliche Existenz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ verantwortlich sind, was tut ein Carsten Linnemann, um diese zu bewegen, dieser Verantwortung nachzukommen? Würden sie das tun, dann wären die Sozialausgaben auf einem niedrigeren Level.

Dann müsste ein Generalsekretär einer sich als „christlich“ bekennenden Partei im 21. Jahrhundert nicht einen de facto Arbeitszwang fordern.

Fazit: Die Drohung der Streichung von Sozialleistungen als „positive Konnotation von Arbeit“ zu bezeichnen ist absurd und diskriminiert weniger Menschen, die Bürgergeld als einzigen Lebensunterhalt beziehen, als fleißig und gewissenhaft arbeitende Menschen die – systembedingt – weitere Unterstützung zum Lebensunterhalt benötigen.

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