Die CDU hat ein neues Grundsatzprogramm ausgeschieden und ich bin neulich in die Untiefen von KI-erzeugter Kunst abgetaucht. Beides mag zunächst nichts Verbindendes haben. Aber lassen Sie sich überraschen.
Ich gebe zu, dass ich meine Erwartungen auf KI-Kunstwerke zu stoßen, die sich mit Banksy oder Gerhard Richter messen ließen, tiefgestapelt hielt. Gefühlt Millionen KI-Bilder orientierten sich an Hollywoodblockbustern – Disneymärchen, Superhelden, Dark Fantasy, Science Fiction und sexy Vampiren. Mindestens ebenso viele kopierten Instagramfotos.
Für Ästheten waren die nur mit einem Schuss Zynismus zu ertragen. Aber wir können nicht alle Feuilletonredakteure bei der FAZ sein. Wenn man davon absah, dass die meisten Frauen auf den KI-Bildern Popstars oder Schauspielerinnen ähnelten, aber oft zu viele Augen oder zu wenige Finger hatten, war das beinah lustig.
Überraschend viele Frauenporträts waren sexuell aufgeladen. Es gab eine Menge Dominas in SS-Uniformen. Die wurden dann gern von Menschen erzeugt, die sich Helmuth, Dirk oder Andreas nannten. Eine sehr blonde SS-Nazine, die über ein drittes Auge auf der Stirn verfügte, hat mich durchaus verstört. (Bis vor kurzem hätte ich angenommen, dass Hippies und Esos der Idee, dass Nazi-Dominas über ein klares Erleuchtungssymbol verfügen könnten, widersprechen. Dann kamen Corona und Schwurblerdemos, bei denen Hippies und Esos gemeinsame Sache mit Neonazis machten.)
Allerdings entdeckte ich auch Perlen, nur ein Beispiel: Batman, der im rosa Tutu tanzt. Ich fand auch überraschend viele Werke, die Putin oder Trump im Knast darstellten oder beide gemeinsam mit Orban in LGBQT-Demos platzierten, wobei die Urheber Trump ein Lächeln gestatteten, während Putin restgrimmig skeptisch auf den Trubel blickte und Orban aussah, als schaute er sich nach der nächstgelegenen Gulaschkanone um.
Alles in allem hatte das, was dort zu sehen war, ein 90er Jahre Retroflair. Zumindest im KI-Hobbykunstbereich heißt die Zukunft aktuell Vergangenheit.
Kurz nachdem ich mir den Recherchetauchgang in die KI-Kunst gegeben hatte, erschien das CDU-Grundsatzprogramm. Das wurde maßgeblich gestaltet von Herren namens Friedrich und Carsten. Trotzdem mussten einfach auch Dirks, Andreases und Helmuths mitgewirkt haben, so viel Helmut Kohl war darin vertreten. „Leitkultur“, „Konkreter Mehrwert“, „Agenda für die Fleißigen“, „Demut“, bilden prägende Begriffskombis im Text. So richtig Kohl-Gedächtnispalme sind auch Sätze wie „Deutschland ist ein christlich geprägtes Land. Unsere Kirchen sind (…) gesellschaftliche Stabilitätsanker, die Menschen Orientierung geben.“
Da freut sich der Papst in Rom. Aber der linksliberale Kolumnist, der schmerzlich kluge Konservative mit zeitgemäßen Ideen auf der politischen Bühne vermisst, denkt unwillkürlich an Vampire mit Fritze Merz Maske und fühlt sich an die 53-jährigen Dirks mit VW-Passat-Abo und sehr begrenzter Zukunftszuversicht erinnert. Für Merz und Linnemann sind die offenbar das Deutschland, das es ideenmäßig zurückzuerobern gilt. In den KI-Bilderdatenbanken sind das die Typen, die Frauen in SS-Uniformen kreieren.
Ich bin mir natürlich bewusst, dass dies keine empirisch haltbare Beobachtung darstellt. Aber meine verallgemeinernde Autorenfantasie kann sich einfach des Eindrucks der gewollten wertemäßigen Schnittstellen zwischen Andreas mit der dritte Auge-Domina in SS-Mütze und dem Wählerpotenzial, dass der Fritze M anzusprechen versucht, nicht erwehren.
Ich reagiere darauf mit derselben Antwort, die mir unwillkürlich angesichts mieser Kunstwerke einfällt: Kann weg.
In dem Fall sollte es sogar weg.
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