In einem der späteren Jack-Ryan-Bücher lässt Tom Clancy diesen erzählen, die Väter der US-Verfassung hätten ursprünglich die Idee gehabt, dass der Verlierer der Präsidentschaftswahl Vizepräsident werden solle. Beide wären ehrenhafte Männer, denen das Wohl der USA am Herzen läge. Deshalb könnten sie auch, bei allen Differenzen, zusammenarbeiten. Verifizieren konnte ich das nicht, die Story ist aber in der heutigen Zeit, nicht nur für die USA, zu absurd. Da braucht es nicht einmal einen Donald Trump oder eine „blaue Partei“.
Ampel mit Oppositionsbeteiligung?
Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP hat sich eine potenzielle Oppositionspartei ins Boot geholt und diese stellt sogar einen der Vizekanzler und den obersten Kassenwart.
Das hat zur Folge, dass im Gegensatz zu früheren Regierungen, oft Gesetzesvorlagen – besonders im Klima- und Sozialbereich – schon in der Regierungskoalition scheitern oder bis zur Unkenntlichkeit verwässert werden. Hier spielt auch der quasi oppositionelle Verkehrsminister eine unrühmliche Rolle.
Es steht im Bundestag also eine de facto Minderheitsregierung von SPD und Grünen, unter einem dauerhaft zaudernden Kanzler, gegen eine Opposition, an der die FDP beteiligt ist. Man könnte auch sagen, dass die FDP ihre Koalitionspartner am Nasenring durch die Manege zieht.
Was soll eine Opposition tun?
„Die Rolle der Opposition ist es, als programmatische und personelle Alternative zur bestehenden Regierungsmehrheit am politischen Prozess zu partizipieren, konkurrierende Gemeinwohlentwürfe anzubieten und einem möglichen Machtmissbrauch durch die Regierung entgegenzuwirken“ (aus: Die Rolle der Opposition in der Demokratie). Aber was macht die jetzige Opposition?
Gemeinwohlentwürfe der Opposition? – Nullnummer
Ein Beispiel ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und das darin verankerte „Betriebsverbot für Heizkessel, Ölheizungen“ (§ 72 GEG) ab dem 1. Januar 2026. Dieses Gesetz wurde von der Bundesregierung, also von CDU/CSU sowie SPD eingebracht und trat am 8. August 2020 in Kraft.
Mit der Novelle des GEG, Pressemitteilung vom 19.04.2023, wurde das Datum vorgezogen auf 2024. In der Pressemitteilung heißt es: „Das heißt konkret, dass ab dem 01. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss.“
Das vorgezogene Datum führte, nach einem „Leak“ des Referentenentwurfs im Februar 2023, zu einer massiven medialen Kampagne gegen Robert Habeck und die Grünen. „Habecks Heizhammer“, „Habeck reißt die Heizung raus“ und ähnliche Anwürfe wurden erhoben. Die Opposition nahm dies dankbar auf, es wird behauptet, dass sie die Kampagne steuerte.
Immerhin schaffte es die CDU/CSU-Oppositionsfraktion zeitnah, am 23. September 2023, 90 Fragen zum GEG an die Bundesregierung zu stellen. Ein eigener „Gemeinwohlentwurf“ – Fehlanzeige.
Was zwischendurch passierte
Wichtiger als die (Mit)Arbeit am GEG war selbstverständlich die „Trauzeugenaffäre“ um Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen, die ebenfalls medial ausgeschlachtet wurde. Nach der Entlassung im Mai 2023 war das Thema noch länger in einschlägigen Schlagzeilen präsent. Das Ziel, den Wirtschaftsminister zu beschädigen, wurde erreicht.
Aber auch die FDP arbeitete als Opposition innerhalb der Ampel gegen das GEG in der Form des Referentenentwurfs und war erfolgreich. Sie brachte die „Technologieoffenheit“ mit ‚H2-Ready‘ -Gasheizungen, also Heizungen, die auf 100 % Wasserstoff umrüstbar sind, durch.
Kann man feiern, die Einschränkung der Gültigkeit, die lautet: „… wenn es einen rechtsverbindlichen Investitions- und Transformationsplan für Wasserstoffnetze gibt und diese Heizungen ab 2030 mit mindestens 50 % Biomethan oder anderen grünen Gasen und spätestens ab 2035 mit mindestens 65 % Wasserstoff betrieben werden“, kann man ja vernachlässigen. Spoiler: Es gibt noch keinen Netzbetreiber, der ein Wasserstoffnetz für diese Gase plant.
Es geht weiter
Im Zusammenhang mit dem GEG wurde auch die Wärmepumpe, als Technologie, diskreditiert.
So wurde aus der Feststellung, dass eine Heizung durch Wärmepumpe am effektivsten in einem energetisch sanierten Haus funktioniert – wie übrigens auch Gas- und Ölheizungen, das Framing „Voraussetzung für Wärmepumpe ist eine energetische Sanierung“.
Letztlich wurde auch die Aussage Habecks: „In den am schlechtesten sanierten Gebäuden wohnen eben auch die ärmsten Menschen. Wenn da nicht nur eine Wärmepumpe für 20 000 Euro installiert wird, sondern auch die komplette energetische Sanierung auf ein deutlich höheres Niveau gefordert wird, dann reden wir von 200 000 Euro“ so ausgelegt, als ob eine Heizung mit Wärmepumpe in unsanierten Bestandsbauten nicht möglich sei.
Dagegen steht die Aussage von Mark Miara vom Freiburger Fraunhofer-Institut ISE, wo in einer Feldstudie die Effizienz von Wärmepumpen in Bestandsbauten untersucht wurde: „Wir haben eindeutig herausgefunden, dass es geht. Dass man mit Wärmepumpen auch alte, nicht sanierte Gebäude heizen kann. Dass auch Gebäude mit Heizkörpern und nicht unbedingt mit Fußbodenheizung für die Wärmepumpe geeignet sind und dass auch die Preise und die Kosten nicht explodieren, wenn die Wärmepumpe nicht perfekt läuft.“
Ob man nun BILD oder einem Wissenschaftler glaubt, ist heute in der politischen Diskussion scheinbar egal.
Ergebnis – vergiftete politische „Kultur.“
Die Ergebnisse dieser Kampagnen sind erschreckend. Exemplarisch hier nur ein Ereignis aus Wernigerode. Dort trafen sich die Energieminister von Bund und Ländern und Robert Habeck sollte sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen.
Der örtliche CDU-Fraktionsvorsitzende Matthias Winkelmann wird zitiert mit: „Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, mit diesem Mann in einem Raum zu sein“. Die FDP-Fraktion wollte der Veranstaltung fern bleiben und die Bundesvorsitzende der Partei „Die Basis“ zieht (unter Applaus eines Teils des Stadtrats) einen Hitlervergleich.
Ob nun Friedrich Merz die Grünen als „Hauptgegner“, oder Sahra Wagenknecht sie als „gefährlichste Partei“ bezeichnen: Ein Trend zur Vergiftung der Debattenkultur allein durch die Personalisierung „Habeck und die Grünen“ ist in vollem Gange. Wem das letztendlich nützt, steht außer Frage, ich will das hier nicht behandeln.
Es führte auch u. a. dazu, dass in Bayern ein grüner Wahlkämpfer mit einem Stein beworfen wird. Das ist nicht die logische Fortsetzung von Eier- und Tortenwürfen.
Wie soll das weiter gehen?
Leipzig, ist es da anders? Nicht wirklich, immerhin stellen mindestens zwei CDU-Stadtratskandidaten das „Recht auf Autofahren“ in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes. Die Stadtratsdebatten sind auch schon, vorsichtig formuliert, grenzwertig. Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
Die Opposition ist ja nicht ungebildet in Sachen Klimakrise, wie von manchen behauptet wird, und viele Menschen in CDU/CSU und FDP, bis in die höchsten Parteiämter, wissen um die Gefahren des menschengemachten Klimawandels. Bei den ganzen Aktionen gegen die Grünen geht es einzig und allein um den, in Deutschland systembedingt, permanenten Wahlkampf.
Manchmal stelle ich mir vor, dass im Konrad-Adenauer-Haus und anderswo heute schon Menschen sitzen, die überlegen, wie man im Falle einer gewonnenen Wahl Klimaschutzmaßnahmen – dieselben, gegen die man jetzt kämpft – den Wählerinnen und Wählern vermitteln kann. Das ganz ohne zu sagen: „Die Grünen mit Habeck hatten recht!“
Anmerkung: Der Autor dieses Kommentars ist weder Mitglied bei den Grünen noch Sympathisant. Es geht hier allein, am beschriebenen Beispiel, um die politische Debatten(un)kultur (nicht nur die der Oppositionsparteien) und die Arbeit der Opposition.
Es gibt 2 Kommentare
Noch ein Zusatz: Glauben Sie wirklich, dass es nur die Energiepolitik ist, die die “Ampel” bei einem Großteil der Bevölkerung regelrecht verhasst macht?
Sorry, Herr Köhler, auch der Link verweist nur auf die Tagesschau. Dort Behauptung, aber auch keine Zahlen. Entscheiden ist aber dort der Verweis auf die Vorlauftemperatur – mit Zahl – möglichst nicht über 55°C. Kann ich als Besitzer eines Passivhauses mit Wärmepumpe wärmstens nachvollziehen. Viel Spaß, wenn die WP im altbau mit 55°C durchheizt.
Herr Habek und die Grünen haben sich nicht nur wegen des Heizungsgesetzes unmöglich gemacht, sondern wegen Inkompetenz, ideologischer Borniertheit und sozialer Ignoranz. Die Lager, die Sie schildern und die möglichen Alternativen unterscheiden sich allenfalls in der Graduierung des schlechten Geruchs. Ich erspare mir hier, die führende Namen mit geeigneten Attributen aufzuzählen. Über “Scholz, den Gerechten” habe ich mich allerdings hier schon vor der Bundestagswahl ausgelassen. Zum Kotzen, im Schlechten immer recht zu behalten.