Unsere Arbeit in der Poliklinik Leipzig funktioniert nicht ohne Visionen für die Zukunft. Wir haben viele Ideen, wie eine umfassende Gesundheitsversorgung für alle Menschen aussehen soll. Schritt für Schritt versuchen wir, uns dieser Vorstellung zu nähern. Dabei haben wir bereits einiges erreicht, seitdem wir 2018 die Gruppe gegründet haben, um ein solidarisches Stadtteilgesundheitszentrum in Leipzig aufzubauen.
Im Frühjahr 2020 haben wir die Poliklinik in der Taubestraße in Schönefeld eröffnet. Dort gibt es inzwischen zahlreiche interdisziplinäre Angebote für die Bewohner/-innen des Stadtteils: Gesundheits- und Sozialberatung, Psychosozialberatung, verschiedene Gruppenangebote und einen Nachbarschaftstreff.
Wir haben einen Ort geschaffen, den die Nachbar/-innenschaft gerne besucht – damit sind wir unseren Zielen nähergekommen. Unser Team arbeitet hierarchiearm, gleichberechtigt und basisdemokratisch. Doch noch sind wir lange nicht da, wo wir hinwollen.
In den nächsten Jahren wollen wir in Schönefeld ein neues Gesundheitszentrum aufbauen, in dem noch mehr Platz für die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner/-innen des Viertels ist. Wenn wir unsere Angebote weiter ausbauen und präzisieren, werden unsere aktuellen Räumlichkeiten bald zu klein sein. Zum einen wollen wir natürlich das bestehende Angebot erhalten und erweitern.
Ärzt/-innen und Therapeut/-innen, Hebammen und Physio- und Ergotherapeut/-innen und viele weitere Bereiche sollen Platz haben, gemeinsam mit Menschen aus dem Viertel die Probleme effektiv und nachhaltig zu bearbeiten. Zum anderen wollen wir einen schönen Ort mit viel Platz für Neues schaffen: Einen großen Garten, den die Nachbar/-innen gemeinschaftlich nutzen oder Räume, in denen alle zusammen essen und ihre Freizeit gemeinsam gestalten können.
Auch, wenn das aktuell noch in weiter Ferne steht, werden in unserer Vision die gesundheitlichen und sozialen Probleme, die sich sowohl auf die Nachbar/-innen in Schönefeld, als auch auf einen Großteil der Gesellschaft negativ auswirken, verschwinden.
Denn wir wollen mit unserer Idee eines solidarischen Gesundheitszentrums nicht nur den Alltag und das Wohlbefinden von Einzelpersonen verbessern. In unserer Vorstellung sollen alle Menschen ihr Leben selbst gestalten. Und zwar so, dass es ihnen gutgeht – und sich die Verhältnisse verändern und nicht mehr krank machen.
Denn: Oft entscheiden die Umstände, in denen wir leben, zu einem großen Teil, wie gesund wir sind oder wie alt wir werden. Wichtig ist uns dabei, direkt vor Ort anzusetzen. Wir brauchen Räume, in denen sich Nachbar/-innen begegnen und darüber diskutieren können, wie das Viertel gestaltet werden soll.
Und zwar so, dass sich alle wohlfühlen. Viele Aspekte, die sich im Stadtteil niederschlagen, müssen in einem viel größeren Rahmen angepackt werden. Dazu zählen gedeckelte Mieten und faire Energiekosten, arbeitnehmer/-innenfreundliche Arbeitsbedingungen und angemessene Löhne, aber auch: das Bekämpfen von Diskriminierungen und der Klimakrise.
Manchmal ist es schwierig, sich diese Visionen parallel zu unserer alltäglichen Arbeit in der Taubestraße vor Augen zu halten. Ein großes Manko ist etwa, dass wir einige unserer Beratungsangebote unbezahlt umsetzen müssen. Ärzt/-innen und Pflegekräfte bieten nach ihrer Schicht im Krankenhaus kostenlose Gesundheitsberatung an und Psycholog/-innen ergänzen unsere Beratung größtenteils ehrenamtlich.
Der Bedarf ist viel größer, als wir mit unseren zur Verfügung stehenden Ressourcen abdecken können. Es ist anstrengend und zeitaufwendig, diese Ressourcen zu sichern. Dazu kommt eine große Unsicherheit: Können wir im nächsten Jahr unsere Beratungsangebote finanzieren? Oder müssen wir uns vielleicht selbst arbeitssuchend melden?
Das mag vielleicht uninspirierend klingen. Doch ausreichend Ressourcen und finanzielle Mittel, um den Bedarf an Beratungen abdecken zu können, wären ein großer Schritt auf dem Weg zur Erfüllung unserer Visionen.
Mehr aktuelle Träume sowie aus den letzten Jahren auf L-IZ.de
„Alle Menschen sollen ihr Leben selbst bestimmen“ erschien erstmals am 16. Dezember 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 109 der LZ finden Sie unter anderem in Großmärkten und Presseshops sowie bei diesen Szenehändlern.
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