Der britische Wirtschaftsredakteur Paul Mason hat ein neues Buch veröffentlicht: „Klare, lichte Zukunft“. Die „Frankfurter Rundschau“ hat ihn dazu interviewt, denn in dem Buch benennt Mason auch ein paar Gründe, warum ausgerechnet der Neoliberalismus die neuen rechtsradikalen Bewegungen befeuert. Denn seine Versprechen hat der ja nicht eingehalten. Und wie nach dem Ende des Kommunismus hinterlässt auch er lauter Scherben, Müllhalden und Ratlosigkeit.
„Die Sache ist doch die: Der Neoliberalismus hat diese neue Rechte hervorgebracht, sie ist sein Kind“, sagt Mason im Interview. „Denn er verbreitete erstens erfolgreich die Idee, dass jeder nur für sich selbst sorgen muss, dass man gegen die anderen seine Ziele verfolgen soll. Zweitens ermöglichte er den Aufstieg einer globalen Elite, die getrennt von den Staaten existiert. Diese Elite forcierte früher die Globalisierung, heute formt sie sie um…“
Die FR fragt an der Stelle, ob er da nicht eine neue Verschwörungstheorie aufbaut. Aber Mason hat das Thema von mehreren Seiten beschaut. Was in den „Yachthäfen von Monaco oder den Bahamas“ zu sehen ist, sind ja nicht nur irgendwelche Yachten irgendwelcher reicher Leute. Es sind die Protzschiffe von Leuten, die schon lange nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld. Dafür lassen sie sich nicht nur Superyachten bauen, sie suchen für dieses Geld immer neue Anlagemöglichkeiten. Es soll ja „arbeiten“. Und finden keine mehr. Es gibt kaum noch lukrative Unternehmensanleihen, in die man das Geld stecken kann.
Aktien wurden ja einstmals erfunden, um genau mit solchen Anteilsscheinen Geld in ein Unternehmen zu holen, um damit neue Investitionen finanzieren zu können. Es gibt noch solche Unternehmen. Keine Frage. Sie gehen mit den obskursten Geschäftsmodellen auf den Markt, die für den Wohlstand der Menschheit gar nichts mehr bringen. Auch die werden gekauft. Aber nach all den wilden Orgien der Steuersenkungen in den westlichen Staaten sind so viele Billionen Dollar und Euro auf der Suche nach einer Anlage, dass es dafür schlicht nicht mehr genug Anlagemöglichkeiten gibt.
Also werden Immobilien gekauft und landwirtschaftliche Flächen, alles, was irgendwie noch einen Wert darstellen könnte, während andernorts ganze Regionen entwertet werden und die Menschen fortziehen – oder abstürzen in Ressentiments und Populismus.
Denn Mason hat natürlich recht: Wenn man sich einer undurchschaubaren wirtschaftlichen Entwicklung dieser Art gegenübersieht, die auch sichtbar die ganze Politik verzerrt und riesige Geldmengen umschaufelt, die aber bei den Billiglöhnern nicht mehr ankommen, dann kommen Ratlosigkeit und Frustration auf. Dann werden Menschen anfällig auch für radikale Politikangebote.
Wobei die rechtsradikalen Populisten, die – wie Mason richtig feststellt – oft genug direkt aus der neoliberalen Elite stammen, das leichtere Spiel haben. Sie bieten die billigeren Schablonen, zeigen auf andere und rufen: Die da waren es.
Am Wochenende wieder exemplarisch vorgeführt von den Radikalpopulisten Alexander Gauland und Alice Weidel, die jetzt die Klimabewegung „Fridays for Future“ zum Feind erklärt haben.
Heißt ja im Klartext: Kluge Lösungsvorschläge wird es mit den alten und renitenten Leuten der AfD nicht geben. Sie sind auf Trollkurs. Sie nutzen das kindische Trotzmuster und meinen, mit ihren Attacken auf junge Menschen, die sich zu Recht um ihre Zukunft sorgen, nun auch noch politisches Kapital schlagen zu können.
Natürlich ziehen sie damit jede Menge Aufmerksamkeit und Energie auf sich und von anderen Themen ab. Das ist ihnen ja auch in den vergangenen vier Jahren gelungen: Sie haben die ganze Republik dazu gebracht, nur über ihre wilden Themen zu debattieren, statt über die Themen, die längst überfällig waren: Grundrente, Kohleausstieg, Verkehrswende …
Als würde die AfD von großen Geldgebern genau dafür bezahlt, dass sie mit ihrem Nonsens-Gedöns die politische Diskussion ablenkt, die Wähler blind macht für das, was jetzt tatsächlich mit kluger Planung getan werden könnte und müsste. Und sie tut das mit professioneller Marketing-Arbeit. Das darf man nicht vergessen. Einem Marketing, wie es große Konzerne auflegen würden, wenn sie die politische Diskussion weglenken wollten von dem, was jetzt wirklich drängt. Ablenken davon, welche Brisanz das Klimathema längst hat.
Wer jeden Tag den Horrorclown inszeniert, sorgt dafür, dass sich alle Nachrichtenkanäle mit dem Horrorclown beschäftigen und nicht mit so strohtrockenen Fragen: Wie viele Windräder brauchen wir? Wie viele neue Züge und Bahnstrecken? Wie viel ökologische Landwirtschaft und wie viele neue Radwege?
Denn die Populisten appellieren auch an die Faulheit ihrer Wähler, an ihren anerzogenen Phlegmatismus, sich nicht mehr ändern zu wollen. Das halten sie für ein Recht und eine Errungenschaft und möchten es auch nicht mit dem Schuldbewusstsein verknüpfen, dass sie damit selbst Schaden an der Welt verursachen. Sie halten so etwas für eingeredete Schamgefühle und Schuldkeulen.
Wer will sich schon schämen für das, was er aus purer Gewohnheit tut?
„Mag sein. Aber den Aufstieg der Rechten können wir offensichtlich nicht allein durch ökonomische Entwicklungen erklären, zum Beispiel durch wachsende Armut. Wir brauchen eine sozialpsychologische Erklärung. Womit wir es meiner Meinung nach bei den nach rechts driftenden Bevölkerungsteilen zu tun haben, sind Menschen, die ihren Kompass verloren haben. Die Welt ergibt keinen Sinn mehr für sie“, sagt Mason.
Und benennt auch das entscheidende Problem: „Das Problem derzeit ist zum einen der Verlust des Gefühls von Handlungsfähigkeit, der Fatalismus der Menschen. Zum anderen der Verlust des Glaubens an Rationalität und Wahrheit.“
Aber das steckt nun mal im Kopf. Jeder weiß das, der mal in eine deprimierend ausweglos erscheinende Situation geraten ist, egal, ob es ein Jobverlust war oder der Verlust eines Lebenspartners. Und alle wissen, dass die Lösung immer dann begann, wenn man sich (seufzend) aufgerafft hat und losgegangen ist, sich Hilfe und Unterstützung zu suchen. Menschliche Solidarität.
Und genau so sieht es Mason auch. Während sich die Spießbürger ganz rechts darüber echauffieren, dass junge Menschen es wagen, ihre Zukunft einzufordern, und die Alten sich dabei als anständige Bürger gerieren, steht das Gegenmodell eigentlich schon da.
Mason: „Diese Rechten präsentieren sich als die Aufständigen, sie hängen sich den Mantel der Rebellion um. Diesen Mantel müssen wir ihnen entreißen. Wir setzen auf Kooperation, Solidarität, Gemeinsamkeit. Wir schaffen Räume, wo jeder sich aufgehoben fühlen kann.“
Räume, in denen Menschen gemeinsam daran arbeiten, Dinge zum Besseren zu ändern. Und sich nicht mehr einschüchtern lassen vom Geschrei der alten Leute, die ihre schlechten Angewohnheiten nicht ablegen wollen. Und die sogar noch gegen Angela Merkels lungenschwaches Klimapaket kämpfen wollen. Grantige alte Männer, die sich auch noch toll finden, wenn sie ein kleines Mädchen niedermachen.
Mutig ist das nicht. Eher feige. Die laut gewordene Angst der Alten vor den Jungen. Jetzt noch einmal aus greiser Verzweiflung richtig Kapital schlagen … aber dann..
Ja, was dann? Was kommt eigentlich hinter diesen wütenden alten Männern?
Die in Stein gemeißelte Alternativlosigkeit und die Klagen des ausgehaltenen Bürgers
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