Für FreikäuferLEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 69, seit 19. Juli im Handel„Funfacts aus Sachsen: Richter, der diese Woche einen einschlägig vorbestraften rechten Hooligan bezüglich Steinwürfen auf Justizministerwohnung freisprach, weil DNA-Spuren als Beweis nicht ausreichen würden, verurteilte 2018 einen linken Steinewerfer wegen DNA-Spuren zu Haftstrafe.“ – so lautete der Eintrag eines Nutzers im Kurznachrichtendienst Twitter am Tag nach dem Urteil.
Auch wenn es nach einer netten Pointe klingt, sind derlei Kommentare völlig substanzlos, weil sie zwei verschiedene Fälle pauschal gleichsetzen. Doch in den Datenautobahnen sozialer Netzwerke verbreiten sie sich rasend schnell, werden in Rekordgeschwindigkeit geteilt und geklickt. Das nicht ausgesprochene, aber naheliegende Narrativ: Ein Gericht verurteilt einen Linken, lässt einen rechten Hooligan dagegen davonkommen. Gesinnungsjustiz. Oder?
In der Tat hatte derselbe Richter Bernd Gicklhorn, der im Prozess mehrfach auf den Fall als Vergleich hinwies, im Frühjahr 2018 einen 25-jährigen Studenten in zweiter Instanz verurteilt. Dieser soll sich Anfang 2015 an einem linken Aufzug im Leipziger Stadtzentrum beteiligt haben, von dem auch Gewalt und Steinwürfe ausgingen (die LEIPZIGER ZEITUNG berichtete von der Verhandlung). Allerdings war die DNA des Verdächtigen gleich auf zwei Steinen an zwei weit voneinander entfernt liegenden Tatorten aufgetaucht. Hinzu kam das widersprüchliche Aussageverhalten des jungen Mannes, der erst später zugab, doch in der Gruppe mitgelaufen zu sein.
Im Fall Gemkow lagen die Dinge anders: Thomas K. hatte eine einzige DNA auf einer Verpackung hinterlassen, keinem Tatwerkzeug. Alternativerklärungen wie eine zufällige Übertragung durch Dritte erschienen nicht sehr wahrscheinlich, aber eben doch denkbar. Sonst gab es nichts Belastendes: kein Zeuge, der ihn gesehen hätte, kein Ergebnis bei der Wohnungsdurchsuchung und den beschlagnahmten Datenträgern, kein nachweisbares Tatmotiv, keine Fingerabdrücke. Die offenbar von der Polizei nicht verfolgten Spuren nach Connewitz und zu dem ominösen Mercedes werfen Fragen auf. Jeder auch nur mittelmäßige Strafverteidiger würde die Steilvorlage sofort erkennen und Zweifel anmelden.
Für eben diese Zweifel hatten Richter Gicklhorn und die beiden Schöffinnen an seiner Seite nach Sachlage guten Grund. Zweifel bedeuten nicht erwiesene Unschuld. Doch es ist eine nicht verhandelbare Regel des fairen Strafprozesses: Eine Verurteilung ist nur bei einem Tatnachweis möglich. Dies gilt für jeden, auch für einen Angeklagten wie Thomas K., über dessen Aggressions- und Gewaltbereitschaft man kaum streiten braucht. Sein Vorstrafenregister spricht Bände.
Aber: „Ohne eindeutige Beweislage muss selbst der schlimmste Mörder freigesprochen werden. Ansonsten müsste im Umkehrschluss jeder Unschuldige in Angst und Schrecken leben. Sonst könnte er der nächste sein, der aufgrund einer falschen Bezichtigung oder bei unklarer Beweislage verurteilt werden könnte“, bringt es ein bekannter Rechtsanwalt drastisch auf den Punkt.
Vor diesem Hintergrund ist der Freispruch von Thomas K. vieles: Er ist unbefriedigend, ein Beispiel für die Grenzen des scheinbar unumstößlichen DNA-Beweises, eine Blamage für die Strafverfolgungsbehörden sowieso. Doch ein Ausdruck von Gesinnungsjustiz ist er nicht, sondern eine korrekte Entscheidung und ein Lehrstück der Rechtsstaatlichkeit.
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