Es ist schon erstaunlich. Die Leipziger lesen immer noch. Trotz all der elektronischen Teile, mit denen ihre Aufmerksamkeit aufgefressen wird. Wieder verzeichnet Leipzigs Stadtbibliothek Steigerungen bei den Nutzern: 11.000 mehr als im Vorjahr besaßen Ende 2018 einen Bibliotheksausweis. Auch bei den Entleihungen erreichten die LSB eine Steigerung um rund zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Fast fünf Millionen – genau 4.973.733 Entleihungen – wurden gezählt.
Die Anzahl der Besuche in den Bibliotheksstandorten liegt mit rund 1,136 Millionen auf einem konstant hohem Niveau und konnte gegenüber dem Vorjahr um rund 111.000 gesteigert werden (11 Prozent). Das hat nicht nur mit Büchern zu tun. Aber eben auch. Denn kein Segment ist so nachgefragt wie das Kinderbuch. Die jungen Eltern stürmen die Bibliotheken im Stadtgebiet geradezu. „Weil sie unbedingt wollen, dass ihre Kinder ein richtiges Buch in der Hand haben“, sagt Susanne Merz, die Leiterin der Stadtbibliothek. Es mag um das gute Gefühl gehen, ein Buch in der Hand zu haben. Aber die jungen Eltern wissen auch, dass man mit Büchern die Neugier der Kinder weckt und ihre Lust, selbst zu lesen.
„Ich freue mich sehr über dieses Ergebnis, denn es zeigt, dass sich die Leipziger Städtischen Bibliotheken immer mehr zu einem sogenannten 3. Ort entwickeln – zu einem neutralen Ort, der Menschen zusammenbringt, ein Ort, wo man sich gern aufhält und der gleichzeitig ein breites Lern- und Bildungsangebot bietet“, erläutert Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke.
Sie benutzte am Feitag, 1. März, bei der Vorstellung der Zahlen auch den handlichen Begriff „third place“. In der ganzen westlichen Welt sehen sich Bibliotheken so herausgefordert und werden immer mehr zu einem dritten Ort, wo Menschen sich treffen, wo sie Gemeinschaft erleben. „Viele finden das woanders nicht mehr“, so Skadi Jennicke.
Und gerade Jugendliche sprechen die Bibliotheksmitarbeiter darauf immer öfter an. Sie suchen einen Ort, wo sie Lesen, Lernen, aber auch ungestört Chillen können. Und gleichzeitig Freunde treffen, Gleichgesinnte, mit denen man sich über gemeinsame Interessen austauschen kann.
Etliche Räume in den Leipziger Bibliotheken sind genau für diese Bedürfnisse schon umgebaut worden.
Und das Verblüffende: Auch ältere Leipziger äußern ähnliche Bedürfnisse, was die Veranstaltungen der Stiftung Bürger für Leipzig mit den gemeinsamen Erinnerungen an die 1960er Jahre deutlich machten, zu denen die Teilnehmer auch noch Kuchen mitbrachten und emsig Kaffee getrunken wurde. Die Stadt als gemeinsames Erinnerungsfeld.
Das brachte die Bibliotheksleitung schon vor einem Jahr auf Gedanken. Denn wenn auch Leipzigs Stadtbibliothek immer mehr zu einem Ort der Begegnung wird und immer mehr Menschen – zwischen Büchern – das Gemeinsame erleben wollen, dann braucht es dafür einen besonderen Raum. Der bekam vor einem Jahr den Arbeitstitel „Leipzigwohnzimmer“.
Und die Idee wird Wirklichkeit.
Der Ort Bibliothek wandelt sich: Geplant ist jetzt das Projekt „LeipzigZimmer“, das von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird. Die Grundidee des Projektes ist die Bereitstellung eines offenen Raums in der Stadtbibliothek für innovative und kreative Angebote mit Lokalbezug, bei dem die Bibliothek auf eine rege Beteiligung der Leipzigerinnen und Leipziger setzt. Die Bibliothek als kommunales Wissens- und Kreativzentrum soll künftig zu einer Plattform für Initiativen, Projekte und Akteure werden, sodass Menschen miteinander ins Gespräch kommen oder gemeinsam kreativ werden können. „Hier steht für mich nicht das Buch im Mittelpunkt, sondern der Mensch“, so Susanne Metz.
Der Raum ist schon gefunden: gleich in der 1. Etage, wo heute schon die Regionalia stehen. Die Bücher zur Stadt sollen hier natürlich bleiben, nur nicht mehr in starren Regalen in der Mitte des Raumes stehen, sondern am Rand, dafür soll bewegliches Mobiliar in den Raum, das zu den Veranstaltungen der sich anmeldenden Leipziger gruppiert werden kann. Eine Online-Plattform zur Anmeldung soll es auch geben. Und seit der vergangenen Woche ist auch klar, wie hoch die Förderung ist: 220.000 Euro, dazu dann noch 20.000 Euro Eigenmittel. 2020 könnte, wenn jetzt alles gut organisiert läuft, das „LeipzigZimmer“ eröffnen.
Noch ein paar Blitzlichter:
Experimentieren in der Bibliothek: Das Wissen aus Büchern in der Bibliothek erlebbar machen durch Experimente, Spiele und Mitmach-Aktionen prägte das Jahr 2018 der Leipziger Städtischen Bibliotheken (LSB). Das Ergebnis: über 46.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zu 1.911 Veranstaltungen. Ein neuer Rekord.
Digitale Medien: Dass immer mehr Nutzerinnen und Nutzer die Qualität und Vorteile der digitalen Angebote der Leipziger Städtischen Bibliotheken (LSB) zu schätzen wissen, zeigen auch hier die Zahlen: Mit 3.687.994 virtuellen Besuchen und damit einer Steigerung um 29 Prozent konnte im vergangenen Jahr auch hier ein neuer Rekord verbucht werden.
„Die Zugriffe und Nutzung unserer digitalen Angebote sind in den letzten Jahren gestiegen und die Bandbreite der Angebote reicht von der eBook-Ausleihe über Lernkurse, Video-Tutorials bis zum Filmstreaming. Die Nutzer kommen aus allen Altersgruppen, die meisten nutzen die Bibliothek analog und digital“, berichtet die Direktorin der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Susanne Metz.
Noch mehr Experimentier-Welten für Kinder: Erschließ dir deine Welt: Die Kinderbibliotheken der LSB werden immer mehr zu Erlebnis- und Experimentierwelten. Kreative Lern- und Spielangebote aktivieren in Kombination mit Medien das Entdecken und Experimentieren. In der Bibliothek Gohlis und der Stadtbibliothek findet zum Tag des Buches am 23. April sowie am darauffolgenden Samstag, dem 27. April, ein Aktionstag statt, bei dem das junge Publikum spielen und lernen kann.
„Es ist gut, dass Kinder in Bibliotheken zu Forscherinnen und Forschern werden und sich selbstständig und individuell ihre Welt erschließen können. Diese Förderung mit dem Schwerpunkt MINT – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – ist für unsere Zukunft wichtig“, sagt Dr. Skadi Jennicke.
Experiment Automatische Bibliothek: Als innovativer Ort hat sich die Bibliothek Paunsdorf bereits im letzten Jahr entwickelt. Durch eine Umgestaltung und neue Technik mit Selbstbedienungsfunktion bleibt dem Team mehr Zeit für Beratung und Veranstaltungen. Geprüft wird jetzt die Ausrichtung als „automatische Bibliothek“, damit längere Öffnungszeiten und mehr Service möglich werden. Das Modell wird in anderen Städten schon ausprobiert: Außerhalb der Öffnungszeiten soll der Bibliotheksausweis genügen, die Tür in die Bibliothek zu öffnen, um das Angebot nutzen zu können, auch wenn kein Ausleihpersonal mehr da ist.
Sanierung in der Südvorstadt: Neu wird auch die Bibliothek Südvorstadt in der Steinstraße. Nach dem Beschluss zum Doppelhaushalt 2019/20 stehen die notwendigen Mittel für die Sanierung des Hauses zur Verfügung. Die Planungen beginnen im Frühjahr 2019, Baubeginn könnte 2020 sein. Bis es so weit ist, wird die erfolgreiche Arbeit natürlich fortgeführt. Die Mitarbeiterinnen der Bibliothek entwickeln stetig neue Veranstaltungsformate und Angebote wie zum Beispiel den „Lesespaß mit kalter Schnauze“, bei dem seit Januar 2019 ein Hund geduldiger und Mut machender Zuhörer ist, wenn Kinder vorlesen. Kosten: 3,3 Millionen Euro. Der Stadtrat hat die Gelder bewilligt.
Ein bisschen Bauhaus: Das Bauhaus-Jubiläum ist im Jahr 2019 ebenso ein Thema für die LSB, denn sowohl die Bibliothek Südvorstadt als auch die Plagwitzer Bibliothek sind im Programm „Bauhaus 100“ dabei, da beide Häuser im Bauhausstil erbaut wurden.
Stadtbibliothek möchte sich gern ein Leipziger Wohnzimmer zulegen
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